Von den Göttern verlassen IV. Sabina S. Schneider

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Von den Göttern verlassen IV - Sabina S. Schneider

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durfte. Dann sah er sie. Kleine Sterne fielen aus den Kronen der Bäume, umringten ihn, lachten ihn an, küssten seine Tränen weg. Und mit ihnen kam sie. Wunderschön, in ein Meer aus Licht getaucht, von Sternenstaub bedeckt. Die Stellaryphal, vom Volk der Sternenkinder, hatten Nadine, ihre Mutter und Schöpferin zu ihm geführt.

       Er fühlte sich sicher bei ihr. In ihr pulsierte die Reinheit. Sie kniete sich vor ihm hin, strich ihm über den Kopf und nahm ihn in den Arm. Der Schmerz verflog, das Drängen ließ nach. Er war wieder im Gleichgewicht, obwohl er diese Reinheit nicht verdient hatte.

       Der kleine Junge schluchzte und erzählte ihr, was er getan hatte. Sein Mund bewegte sich, doch Lucel hörte die eigenen Worte nicht, wusste nicht, was er getan hatte. Ängstlich, in ihren Augen Abneigung, Vorwurf oder gar Furcht zu sehen, blickte er zu ihr auf. Doch sie lächelte, stricht ihm übers Haar und sagte: „Tut es dir leid?“

       Nachdrücklich nickte er.

      „Dann musst du dich entschuldigen. Hoffen und warten, dass man dir eines Tages vergibt. Es kann dauern. Wenn aber die Reue in deinem Herzen bleibt, wird Vergebung in den Herzen der anderen erblühen. Bei manchen schneller, bei anderen langsamer“, erwiderte Nadine und küsste seine Tränen weg.

      „Vergebung?“, fragte er verwirrt.

      „Nichts kann so schlimm sein, dass es nicht irgendwann vergeben werden kann. Manchmal muss man darum kämpfen, Wiedergutmachungen leisten. Aber wenn man auf dem Pfad der Reue und der Wiedergutmachung bleibt, wird einem verziehen. Wir können uns unsere Fehler schwer selbst verzeihen und sind meist auf die Vergebung anderer angewiesen.“

       Sie hob ihn hoch und trug ihn zurück ...

       Aber wohin zurück? Was hatte ihn so aufgewühlt?

      ��

      Als Lucel erwachte, lag er auf dem Boden, die besorgten Gesichter von Selena, Mutter und Vater über sich.

      „Lucel?“, fragte Selena ängstlich.

      „Mir geht es gut. Es ist nichts“, erwiderte er und richtete sich auf.

      „Du weinst ... “ Wer diese Worte aussprach, wusste er nicht. War es Laura? War es Selena? Seine Hand fuhr zu seinen Wangen. Sie waren nass.

      „Lucel!“, rief Laura heulend und fiel ihn an, warf ihn wieder zu Boden, lag auf seiner Brust und schluchzte.

      Selena beobachtete die Szene mit schmerzender Brust und ihr ekelte es vor sich selbst. Wie konnte sie nur auf ihre Mutter eifersüchtig sein? Sanil nahm seine Tochter an der Hand und führte sie aus dem Zimmer. Lucel hatte in den neun Jahren, die er bei ihnen war, nicht einmal geweint. Was war nur passiert? Der Stein in seiner Hand hatte geleuchtet, Lucel für einen Augenblick umhüllt, dann war das Licht in ihm verschwunden.

      Laura riss sich von Lucel los, setzte sich auf und half ihm beim Aufstehen.

      „Woran erinnerst du dich?“, fragte sie. Scham lag in ihrem Blick, aber auch Freude.

      „Ich erinnere mich an Nadine. Ich habe sie als Kind gekannt. Es sind nur Bruchstücke, aber ich kenne Nadine.“ Verwirrt starrte Lucel auf den Stein, der farblos in seiner Hand lag. Es fühlte sich an, als hätte er ein Stück von sich wiedergefunden.

      „Noch etwas?“, fragte Laura drängend.

      „Einzelne Bilder aus meiner Kindheit. ... ich habe eine Kindheit!“, Freude und Schmerz wühlten seine Brust auf, „riesige Bäume, die so hoch sind, dass sie den Himmel erreichen. Die Sternenkinder sind von ihren Kronen herabgestiegen, um mit mir zu spielen.“ Sobald die Worte seinen Mund verlassen hatten, stieg Zweifel an seinem Verstand in Lucel auf.

      Traurig strich Laura ihm eine Locke aus dem schönen Gesicht und sagte leise: „Egal, was vor dir liegt. Egal, was du von deiner Vergangenheit erfahren wirst, wisse, dass ich dich immer wie mein eigen Fleisch und Blut lieben werde.“

      Lucel blickte in die Augen, die ihn, seit er sich erinnern konnte, nur mit Liebe angesehen hatten und sein Herz quoll über. Gefühle stürmten auf ihn ein. Er nahm Laura in den Arm und drückte sie fest an sich. Und sein Herz verstand, was Liebe war.

      So lagen sie sich in den Armen, bis Laura sich seufzend mit den Worten von ihm löste: „Ich werde dann wohl anfangen, Reisevorbereitungen zu treffen. Du willst sicher bald los.“

      „Ich will nicht weg“, rief Lucel aufgebracht.

      „Vielleicht nicht jetzt, aber bald. Nadine hat zur Eile angetrieben. Es ist besser, wenn du mit der Suche so schnell wie möglich beginnst“, erwiderte Laura, ihm den Rücken zugedreht. Sie verschwand in der Küche, hantierte ungeschickt in der Vorratskammer, suchte Reisebeutel und leichtes Kochgeschirr.

      Nadines Worte hallten in ihrem Geist.

      Meide Lila und Gelb.

      Wer hatte den lila und wer den gelben Stein? Sollte Lucel sie meiden wegen den Erinnerungen, die sie beherbergten, oder wegen den Trägern? Wer jagte Nadine, die gütigste und sanfteste Seele, die Laura je kennengelernt hatte? Statt Fröhlichkeit und kindlicher Naivität war Härte in Nadines Augen gewesen. Was war passiert?

      Laura stieß einen Berg Töpfe um, als sie Schritte hinter sich hörte. Erschrocken drehte sie sich um.

      „Ich werde mit ihm gehen.“ Selenas Gesicht verriet nur Entschlossenheit und den Willen zum Kampf. Herausfordernd sah sie ihre Mutter an.

      Laura seufzte tief. Sie hatte nicht vorgehabt, ihre Tochter aufzuhalten und selbst wenn, wäre es ihr nicht gelungen. Den Dickkopf ihres Engels kannte Laura nur zu gut, auch wenn Selena ihr aufbrausendes Gemüt immer zu verstecken suchte, waren diese Charaktereigenschaften Teil ihres wunderbaren Wesens.

      „Ich wusste, dass du mitgehen würdest. Aufhalten werde ich dich nicht und um Vater kümmere ich mich auch. Er wird nicht begeistert sein, dass du gehst. Dass ihr geht.“ Laura drehte ihrer Tochter wieder den Rücken zu.

      Selena war bei den Worten ihrer Mutter sprachlos. Sie hatte fest mit einem Kampf gerechnet und die Energie, die sie in Erwartung eines Wortgefechtes aufgebaut hatte, verpuffte in der Luft.

      „Das Märchen, das du immer erzählst, ist kein Märchen. Nadine ist echt.“ Selena hatte immer den Wunsch gehegt, Teil des Märchens zu sein, das sie seit der ersten Erzählung so sehr liebgewonnen hatte.

      Laura hielt in ihrer Bewegung inne und sagte leise: „Was davon wahr ist und was nicht, werdet ihr auf eurer Reise noch früh genug erfahren. Ich ... “ Die Selbstbeherrschung verließ Laura, sie ließ alles fallen und umarmte ihre Tochter stürmisch.

      „Egal, was passiert, kommt gesund wieder zu mir zurück! Ich liebe euch, vergesst das nie!“

      Dann packten die zwei Frauen zwei Bündel. Alles, was man für die Reise brauchen könnte, war doppelt und dreifach vorhanden. Als hätte sich jemand auf diesen Tag lange vorbereitet.

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      Lucel besah sich Selenas roten Kopf, der über der Karte hing. Das Pergament war alt, hatte hier und da Risse und viele handschriftliche Nachträge. Vermutlich von verschiedenen Personen. Einige Städtenamen waren

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