Weltenlied. Manuel Charisius

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Weltenlied - Manuel Charisius Saga der Zwölf

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kommst spät«, sagte Arrecs Vater. »Dein Reis ist kalt. Beeil dich mit dem Essen, wir müssen heute noch runter nach Süderhag, um neue Bestellungen aufzunehmen.«

      »He, Dabbué!« Vorwurfsvoll deutete Arrec auf die einzelne gefüllte Schale auf dem Tisch. »Léun isst mit uns.«

      Verdutzt starrte sein Vater ihn an, um seinen Blick auf Léun zu heften.

      »Mein bester Freund, aus Grünhag«, erklärte ihm Arrec mit einem Schulterzucken. »Weißt du nicht mehr?«

      Mit großer Mühe gelang Léun ein höfliches Lächeln.

      »Ist deinem Großvater etwa die Suppe ausgegangen?«, bemerkte Erric, während er eine weitere Schale mit Reisbrei füllte.

      Arrec ließ die Augen zur Decke rollen, was so komisch aussah, dass der aufsteigende Ärger in Léun sofort wieder verpuffte.

      »Nein, der Reis«, erwiderte er. Wie frech das klang. Er biss sich auf die Zunge.

      Erric schmiss den Reislöffel hin und stellte die Schale klappernd auf den Tisch.

      »Junge«, er musterte Léun streng, »ich mache meine Arbeit schon lange, und ich mache sie gut. Schließlich ist es dieselbe Arbeit, die schon mein Vater und dessen Vater vor ihm hier in Grüntal ausgeübt haben. Dank uns kriegst du in dieser tiefen Provinz überhaupt so was Leckeres wie süßen Reis zu futtern! Wenn dein Großvater es nicht schafft, seine Bestellungen rechtzeitig aufzugeben …«

      »Tut mir leid«, meinte Léun entschuldigend.

      »Setz dich endlich«, forderte Arrec ihn auf. »Und lass es dir schmecken.«

      Das ließ er sich nicht zweimal sagen. Der lauwarme Reisbrei schmeckte wunderbar. Arrecs Vater nahm nicht Platz, sondern zog es vor, den Tisch lauernd zu umkreisen wie eine hungrige Hyäne.

      »Mehr?«, fragte Arrec, als die Schalen leer waren. Von seinem Vater scharfäugig überwacht, füllte er sie erneut.

      »Danke«, sagte Léun.

      »Bitte.« Erric blieb stehen und stützte sich mit den Armen auf die Tischkante. »Wie rät uns schon Márcuri, Gott der Münzen und Würfel? Der Reiche soll dem Armen geben. Ich allerdings, mit jahrzehntelanger Erfahrung als Reishändler, sage dir: Reichtum verschleudert man nicht, Junge. Auch nicht an die Armen, denn die haben sich ihre Armut meistens selber zuzuschreiben.«

      »Bitte, Dabbué, keinen Vortrag.« Arrec zwinkerte seinem Vater zu.

      Erric ließ sich jedoch nicht beirren.

      »Weißt du eigentlich, wie viel Arbeit in so einem Napf steckt, Junge?«

      Léun kam sich vor wie ein ungezogener Hund, als ihm der Reishändler die Schale mitten zwischen zwei Bissen wegzog. Er hielt sie in die Höhe und deutete darauf wie ein Pilzsammler auf einen kostbaren Trüffel.

      »Der Reis kommt nicht einfach so angeflogen, falls du das denkst. Er muss gesät, bewässert, entwässert, geerntet, gedroschen, gewaschen und gezuckert werden. Das dauert Monate. Familien wie unsere verdienen damit ihren Lebensunterhalt, und das über Generationen hinweg.«

      Léun war verunsichert.

      »Was sind Generationen?«

      »Er wird in Säcke abgefüllt und ins ganze Umland verfrachtet«, fuhr Arrecs Vater fort. »Das besorgen Leute wie ich. Reiche Leute. Die Bauern geben mir ihren wertvollen Reis ja nicht für gute Worte mit auf den Weg. Und dann muss er weiterverkauft werden, schließlich will auch ich nicht am Bettelstab enden.«

      »Oder als Hungerleider«, ergänzte Arrec mit gezwungenem Lachen. Er deutete in Richtung Speisekammer. Hinter der halb angelehnten Tür sah Léun mehr aufgestapelte Reissäcke, als er auf Anhieb zählen konnte.

      »Wer es als Reishändler zu etwas bringen will, braucht Geschick und körperliche Ausdauer. Das Geschäft ist hart! Viele brave Leute – wie zum Beispiel Lóhan aus Grünhag – wollen pünktlich beliefert werden, bevor die Ware verdirbt oder von Motten befallen wird. Dank Hunderter von Fleißigen, in deren Kette ich nur das letzte Glied bin, landet der Reis endlich auf deinem Mittagstisch.« Mit beiden Händen, als enthielte sie das Wasser des Lebens, stellte Erric die Schale langsam wieder ab.

      Léun war der Appetit vergangen. Er ließ den Löffel sinken.

      »Andere arbeiten doch auch«, sagte er, während Arrec weiter Reisbrei löffelte und abwechselnd seinem Vater und ihm ratlose Blicke zuwarf. »Die Talwarte haben eigentlich immer zu tun. Genau wie die Jäger. Héranon, der Waldhüter, muss neue Pfade anlegen und alte freihalten und die wilde Sau erlegen. Drüben in Waldhag wohnt der Tischler Gáret. Ständig kommen Leute zu ihm, denen er irgendwas reparieren soll. Ich weiß das, weil er ein Vetter meines Großvaters ist, der übrigens nicht zu den armen Leuten gehört, weil …«

      »Und was hat dein Großvater schon davon?«, fiel ihm Erric ins Wort. »Die Frau ist ihm vor Zeiten weggelaufen, der Sohn war ein Träumer und Tagedieb. Jetzt bleibt ihm nur sein Enkel – ein Taugenichts mehr, den er noch nicht einmal satt bekommt.«

      Ein paar Herzschläge lang herrschte Stille. Dann regte sich etwas in Léun.

      Láhen, dieser Nichtsnutz!

      Ein Träumer und Tagedieb!

      Du bist ein Taugenichts, genau wie er!

      Er sprang auf. Die Zorneswelle war so heiß, dass jeder Funken von Dankbarkeit und Höflichkeit schlagartig davon verzehrt wurde. Ein Gefühl plötzlicher Auflösung überkam ihn, viel stärker und unaufhaltsamer als in der Nacht vor Grantis Grundstück. Die Angst war von unsäglicher Pein. Léun glaubte das Hütteninnere wabern und verschwimmen zu sehen, während sein Körper von einem Sog erfasst und aus der Form geschleudert wurde.

      Bis alles um ihn herum urplötzlich wieder klare, deutliche Kontur annahm.

      Das war eindeutig der Holzboden von Errics Hütte, den er da unter seinen Sohlen spürte. Und doch war alles anders. Er strotzte vor unbändiger Kraft und feurigem Zorn. Es fühlte sich großartig an.

      Mein Vater war kein Nichtsnutz!, brüllte er – und sprang. Wie ein goldener Blitz schoss er auf Erric zu.

      Er hatte seine Sprungkraft unterschätzt. Sein Stuhl wurde durch die Hütte gewirbelt und zerbrach an der gegenüberliegenden Wand. Der Tisch kippte zur Seite, Löffel und Besteck flogen umher, Reisbrei spritzte in alle Richtungen. Léun erwischte Erric bei den Schultern, warf ihn rücklings um, war über ihm, blickte ihm in die entsetzten Augen, wollte ihm die Beleidigungen heimzahlen …

      Er öffnete den Rachen.

      Nein!, schrie jemand wie aus weiter Ferne.

      Etwas Hartes traf ihn am Kopf, es verwirrte ihn. Er ließ von Erric ab und wandte sich um.

      Lass meinen Vater in Ruhe, du Ungeheuer!, schrie Arrec mit sich überschlagender Stimme und holte aus, um die nächste Schale nach ihm zu werfen.

      Mit einem Satz sprang Léun zur Seite und eilte auf seinen Freund zu.

      Spinnst du?, brüllte er. Ich bin’s doch!

      Arrec war an die

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