Weltenlied. Manuel Charisius
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Читать онлайн книгу Weltenlied - Manuel Charisius страница 17
»Augen zu, Kerl«, befahl der Waldhüter halblaut.
Léun gehorchte. Héranon gab der Tür einen gezielten Fußtritt. Der Riegel brach. Licht strömte auf sie ein.
Vor Errics Hütte hatte sich ein gutes Dutzend tuschelnder Dorfleute eingefunden. Im Vorgarten stand Arrec, keuchend und mit wirr ins Gesicht hängenden Haaren. Zu seinen Füßen kniete sein Vater. Stirn und Wangen des Reishändlers waren aschfahl, sein Oberkörper bewegte sich leicht vor und zurück.
»Hier gibt’s nichts mehr zu sehen, Leute!«, rief Héranon, während er ins Freie trat.
Léun gab sich Mühe, möglichst schlaff zu wirken. Schon hörte er, wie ein paar Dorfbewohner ihre unsicheren Stimmen erhoben.
»Was ist da drin vor sich gegangen?«
»Wo ist das Ungeheuer?«
»Was ist mit dem Jungen?«
»Er ringt mit dem Tode«, gab Héranon zurück. »Er hatte einen Anfall. Sein Großvater kennt sich mit sowas aus. Vielleicht kann er ihn retten.«
»Brauchst du Hilfe, Waldhüter?«, wollte eine Frau wissen.
Léun hörte rasche Schritte und fühlte im nächsten Moment eine feuchtwarme Hand auf seiner Stirn. »Bis Grünhag schafft er’s nie!«
Unter den geschlossenen Lidern verdrehte er die Augen und stöhnte theatralisch.
»Wenn ihr mich aufhaltet, bestimmt nicht«, rief Héranon. »Du da, du bist mit ihm befreundet, nicht?«
Léun hörte Arrec ein bestätigendes »M-hm« von sich geben.
»Komm mit! Ihr anderen: Räumt da drin mal ein bisschen auf. Und bringt Erric ein Bier oder zwei, und zwar hurtig!«
Der Waldhüter lief los.
Arrec folgte ihm.
Dämon
Héranon war stehengeblieben. Léun blinzelte. Sie hatten die alten Obstwiesen erreicht.
»So.« Der Waldhüter stellte ihn auf die noch wackeligen Füße, bevor er mit schmerzverzerrtem Gesicht den Rücken straffte. »Dachte schon, du schläfst selig wie ein Säugling, Kerl. Wenn du auch um einiges unhandlicher bist. Gute Vorstellung übrigens!«
»Heißt das, du bist gar nicht krank?« Arrec runzelte die Stirn.
»Seh ich so aus?« Léun schüttelte sich, um die taub gewordenen Schultern und Arme zu lockern.
»Ihm geht’s blendend«, bemerkte Héranon. »Die ersten paar Male zehren an deiner Substanz, aber das gibt sich im Lauf der Zeit.«
»Was meinst du damit, Waldhüter?«, wollte Arrec mit argwöhnisch gerecktem Hals wissen.
»Womit? Dass es ihm blendend geht?« Héranon kratzte sich am Kinn. »Was begreifst du daran nicht?«
Arrec schien mit sich zu kämpfen. Er ballte die Fäuste und wirbelte herum.
»Ich muss nach Hause.«
»Warte!«, rief Léun. »Tut mir leid, dass ich, äh … wegen des Durcheinanders in eurer Hütte. Komm doch mit zurück an den See, ja? Ich wollte dir sowieso erklären, was …«
»Hiergeblieben, Kerl.« Héranon trat ihm in den Weg. »Erklären ist gut. Dein Großvater und ich sind schon sehr gespannt.« Über die Schulter wandte er sich an Arrec: »Du da! Stehst du einem Freund im Notfall bei – oder bist du ein Feigling, der sich lieber zu Hause verkriecht?«
Das wirkte. Arrec machte auf dem Absatz kehrt, würdigte den Waldhüter keines Blickes und stapfte voran.
»Komm, Léun«, sagte er und fügte mit schadenfrohem Grinsen hinzu: »Oder glaubst du, ich lass mir entgehen, wie du gerupft wirst wie ein Huhn? Außerdem, das Hemd da gehört mir!«
»Woher wusstest du eigentlich, wo ich bin, Waldhüter?«, erkundigte sich Léun, als sie in Richtung Grünhag unterwegs waren. Kaum hatte er die Frage ausgesprochen, dämmerte ihm selbst die Antwort: »Du bist mir nachgegangen, oder?«
»Dein Großvater bat mich darum«, gestand Héranon. »Ich hab mich nur überreden lassen, weil du dich so schwer getan hast mit der Wahrheit. Du bist nicht nur ein kolossaler Löwe, sondern auch ein ziemlich störrischer Esel, weißt du das?«
Léun war nicht zum Lachen zumute.
»Und anstatt Entwarnung zu geben, muss ich mir jetzt irgendein Märchen ausdenken. Oder willst du, dass Sárim und der Talwart weiter bei euch rumschnüffeln?«
»Wie wär’s damit: Der Löwe ist in die Rockenberge entschwunden?«, schlug Léun vor.
»Keine gute Idee«, brummte Héranon. Wie um sich zu vergewissern, dass sie niemand belauschte, warf er einen Blick über die Obstwiesen. »Keinen halben Tag nach der Sache mit Grantis Hunden sieht der Reishändler Káor. In seinem eigenen Haus. Und wer weiß, was dein Freund danach den anderen Dörflern erzählt hat.«
»Nichts«, rief Arrec, ohne sich umzudrehen. »Ehrenwort!«
»Wenn schon.« Héranon senkte die Stimme. »Die Sache ist verzwickt genug. Morgen weiß das ganze Tal davon. Tu ich so, als wäre alles in bester Ordnung, kann sich Sárim an zwei Fingern abzählen, dass ich lüge. Dann hab ich bald selber die Talwartschaft am Hals.«
»Und wenn wir es ihnen einfach sagen?« Léun schluckte. »Das mit Káor und mir … was immer es auch ist.«
»Du besitzt die Gabe der Verwandlung, das ist es«, erwiderte Héranon prompt. Er schüttelte den Kopf. »Nein, Kerl. Außer Lóhan sagen wir niemandem etwas davon. Glaub mir, es ist besser so.«
Arrec wandte sich um und lief rückwärts vor ihnen weiter.
»Na gut, ich sag auch niemandem was«, verkündete er.
»Augen und Ohren hat er ja wie ein Adler, dein Freund«, bemerkte Héranon mit einem grollenden Unterton. »Aber hat er auch Flügel? Oder wenigstens Beine wie ein Reh?« Er preschte auf Arrec zu, der lachend und mit schlaksigen Bewegungen die Flucht ergriff.
Froh, dass das Gespräch fürs erste beendet war, rannte Léun los, um den beiden auf den Fersen zu bleiben.
Der Talwart hatte sich aus Grünhag zurückgezogen. Sárim, der Jäger, schlich dagegen noch immer durch das Dorf, als hoffte er, der Löwe würde auf derselben Fährte zurückkommen, die er am frühen Morgen hinterlassen hatte.
»Hol ihn sich Rástan!«, fluchte Héranon leise, als sie den grüngekleideten Mann zwischen den Hütten patrouillieren sahen. »Was er auch sagt, ihr zwei seid still, klar?«
Sie folgten dem Pfad ins Zentrum des Dorfes. Als sie gerade die Dorfstraße erreichten,