Kleine Flügel machen Freunde. Alexandra Bauer

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Kleine Flügel machen Freunde - Alexandra Bauer

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fröhlich zwitschernd ihre Kreise durch die Lichtfurchen. Thubano meinte geradezu, das weiche Gras der Wiesen unter seinen Füßen zu spüren und das stetige Rauschen der Blätter zu hören.

      Ohne Pause machte er sich an den Abstieg und war froh, als er endlich seine Hinterfüße in einem kleinen Bach kühlen konnte. Voll Wohlbehagen stöhnte er auf. Er schaute noch einmal zurück und war stolz auf sich selbst. Die Felswand, diese gigantische Mauer, wirkte von unten wie eine unüberwindliche Hürde. Er aber hatte sie bezwungen.

      „Kein Wunder, dass das Drachental so abgeschot­tet bleibt“, dachte Thubano, „es liegt geschützt in ei­nem Bergring. Aber ich habe es geschafft!“

      Er schloss die Augen und döste eine Zeit lang vor sich hin. Da kitzelte plötzlich etwas an seinen Zehen. Thubano kicherte und zog den Fuß rasch aus dem Bach. Ein rotweiß geschuppter Fisch steckte den Kopf aus dem Wasser heraus und lächelte den Drachen kopfschüttelnd an.

      „Was sagt man dazu?“, sagte der Fisch. „Ein Drache hier unten im Tal! Du hast dich nicht etwa verlaufen?“

      Thubano war entzückt. Er hatte noch nie in seinem Leben einen Fisch gesehen, denn die Bäche im Drachental waren fischlos. Er legte sich auf den Bauch, um mit dem Gesicht nahe am Wasser zu sein.

      „Ich habe mich nicht verlaufen, ich bin auf dem Weg in die weite Welt!“, antwortete er stolz. „Aber wer bist du? Was machst du da im Wasser?“

      „Ich bin Noktus, Herrscher der Gewässer zu Nardo. Ich lebe hier in diesem Wasser, kleiner Drache.“

      Der Fisch schnellte aus dem Wasser und machte eine übermütige Drehung.

      „Da wirst du ja ganz nass!“, staunte Thubano.

      Noktus lachte laut auf: „Natürlich werde ich nass. Wäre schlimm, wenn es um mich herum nicht nass wäre. Wir Fische können ohne Wasser nicht leben, kleiner Drache. Das Wasser ist unsere Welt.“

      „Ohne Wasser nicht leben? Heißt das, du kannst gar nicht über die Wiesen laufen, wenn es keinen Re­gen gibt?“

      Abermals lachte Noktus laut auf.

      „Ja, kleiner Drache. So ähnlich ist das.“

      „Bist du ein Wasserdrache?“, fragte Thubano übermütig.

      „Nicht doch! Ich bin ein Fisch!“

      „Aber du hast Schuppen, so wie ich“, sagte Thuba­no und sah an sich herunter.

      Noktus lächelte.

      „Wie ist dein Name, kleiner Drache?“

      „Thubano!“

      „Kleiner Thubano, du musst noch viel lernen. Ich habe Schuppen, aber trotzdem bin ich kein Drache!“, antwortete der Fisch und drehte sich im Wasser, dass seine Schuppen silberne Blitze sprühten.

      „Bist du ein Wasserdrache?“, fragte Thubano.

      Noktus verschluckte sich beinahe vor Lachen.

      „Nein, kleiner Drache”, antwortete er schließlich. „Ich bin ein Fisch, kein Drache. Wir sind nicht ver­wandt. Ich kann nicht an Land leben und du nicht im Wasser. So ist das nun mal! Aber nun muss ich weiter. Gib Acht auf dich, kleiner Drache! Die Welt außer­halb des Drachentals birgt viele Gefahren. Viele We­sen fürchten euch Drachen.“

      „Uns fürchten? Warum?“

      Doch Noktus war abgetaucht und Thubanos Frage versank im Wasser.

      „Seltsam“, murmelte Thubano. „Weshalb sollte je­mand Angst vor Drachen haben?“

      Thubano wanderte weiter den Bach entlang, bis er zu einem Wald kam. Von Wäldern wusste er nicht mehr, als er von Baralon und seinem Vater erzählt bekom­men hatte. Einige einzelne Bäume gab es auch im Drachental, aber nie waren sie so hoch und dick. Und nirgends im Drachental wuchsen so viele Bäume auf einem Platz. Immer wieder blieb er stehen und schaute hoch zu der sattgrünen Blätterdecke über seinem Kopf.

      Die Nacht streckte bereits ihre schattigen Finger über das Land, als Thubano eine große Müdigkeit verspür­te. Er musste sich einen Platz zum Schlafen suchen.

      „Eine Höhle muss es sein“, überlegte Thubano kur­zerhand. „Ja, eine saubere und trockene Höhle, ge­nau das muss es sein. Wo sonst soll ein müder Drache schlafen?“

      Aber wo sollte Thubano eine Höhle finden? Auf sei­nem ganzen langen Weg hatte er nicht eine einzige Höhle gesehen. Er musste aus dem Wald! Doch je län­ger er lief, desto tiefer kam er in den Wald.

      Er rannte nach rechts, er rannte geradeaus, er rannte nach links, doch ein Ende des Waldes war nicht ab­zusehen. Thubano bekam Angst. Angst, nie wieder aus diesem Wald zu finden, Angst, die Nacht ungeschützt in dieser fremden Umgebung verbringen zu müssen, Angst vor dem Alleinsein. Und Weiterrennen hatte auch keinen Sinn! Mutlos blieb er stehen. Ihm war komisch im Kopf und im Bauch und er setzte sich unter den nächsten Baum. Seine Augen füllten sich mit Trä­nen, die langsam an seinen Wangen herunterliefen. Es tat gut, den Kummer mit leisen Schluchzern loszu­lassen.

      „Na, na, na“, drang plötzlich eine Stimme durch die Stille. „Wer wird denn gleich weinen?“

      Thubano sah auf und blickte in grasgrüne Augen. Dazu gehörte ein runzeliges, braunes Gesicht. Die lan­gen Haare des kaum einen Meter großen Geschöpfes waren zerzaust und standen nach allen Seiten. Ein Waldschrat! Baralon hatte einmal von diesen zweibei­nigen Waldwesen erzählt! Dieses Wesen hier passte genau auf seine Beschreibung.

      „Wer ... wer bist du?“, schluchzte Thubano. Der Waldschrat kicherte.

      „Ich bin Mirakel und wer bist du? Was machst du so alleine hier im tiefsten Wald? Kleine Drachen ge­hören nicht hierher!“

      Während Thubano seine Geschichte erzählte, steck­te Mirakel mal seine Hände in die Taschen, mal wipp­te er auf seinen gestiefelten Füßen, mal durchwühlte er seinen rotbraunen Haarschopf.

      „Du suchst also nach einem Freund, der genauso ist wie du. Armer kleiner Drache“, seufzte er. „Leider kann ich dir nicht helfen. Ich glaube nicht, dass du ein Drachenkind finden wirst, dem es ebenso geht wie dir. Ich jedenfalls habe noch nie von einem Drachen gehört, der keine richtigen Flügel hat. Du solltest wie­der nach Hause gehen, im Drachental bist du sicher. Die Welt hier draußen ist nichts für einen Drachen, der nicht fliegen kann.“

      „Aber ...“, Thubano wollte widersprechen, doch Mi­rakel legte einen Finger auf seinen Mund.

      „Du kommst am besten erst einmal mit. Bei mir bist du sicher. Der Wald ist zu gefährlich für einen kleinen Drachen. Der letzte Krieg ist gerade zu Ende und viele armselige Menschen treiben seitdem ihr Un­wesen in diesem Wald.“

      „Du kennst die Menschen?“, fragte Thubano.

      „Leider nur zu gut“, antwortete Mirakel zähneknir­schend. „Komm jetzt! Ich werde dir auf unserem Weg erzählen, was ich weiß.“

      Mirakels Berichte von den Menschen erschreckten Thubano sehr. Mirakel schilderte sie als ein kriegeri­sches, habgieriges

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