Und keiner wird dich kennen. Катя Брандис
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Wie könnte Alissa aussehen? Maja geht im Geiste mögliche Frisuren durch, doch dann lenkt Lilas Frage sie ab. „Was müssen wir noch beachten?“ Unter ihrem Auge zuckt wieder einmal ein Muskel, sonst wirkt sie ruhig.
„Eine Frau ist mal durch ihre politischen Ansichten enttarnt worden“, berichtet Andreas. „Sie war eine entschiedene Windkraft-Gegnerin und hat sich auch in ihrer neuen Identität weiterhin engagiert. Durch ihren Leserbrief in einer Tageszeitung ist sie dann erkannt worden, anscheinend hatte sie ähnliche Formulierungen schon früher benutzt.“
„O Mann!“ Maja ist erschrocken. Schon solche Kleinigkeiten können verräterisch sein? Sie werden alle drei enorm aufpassen müssen.
Als sie alle ihre Fragen gestellt haben, steht Andreas auf und holt ein Prepaidhandy aus seiner Tasche, die dazugehörige Rufnummer schreibt er auf einen Zettel. „Hier. Darüber können Sie sich bei uns melden und im Notfall natürlich bei der Polizei. Bitte bei sonst niemandem anrufen.“
Maja nickt. Ahnt Andreas, wie schwer es ihr fällt, ihr Handy ausgeschaltet zu lassen? Wie abgeschnitten von allem sie sich fühlt? Dauernd denkt sie darüber nach, wer ihr was gemailt haben könnte, wie viele Facebook-Postings sie verpasst, wie viele unbeantwortete SMS inzwischen aufgelaufen sein könnten. Aber bisher war sie tapfer, sie hat das Gerät tief im Rucksack vergraben und nicht angerührt.
Während er im engen, holzgetäfelten Flur seine Jacke anzieht, sagt Andreas: „Es ist am besten, Sie gehen nur dann aus dem Haus, wenn es absolut notwendig ist. Sie wissen ja, heute ist Herr Barsch entlassen worden, und noch wissen wir nicht, wie viele Komplizen er hat oder ob er in der organisierten Kriminalität drinhängt. Die Kollegen ermitteln in dieser Richtung, vielleicht kriegen wir ihn deswegen noch mal dran.“
„Sie glauben also auch, dass wir das Richtige tun?“, fragt Lila leise. „Damit, dass wir unseren Namen wechseln?“
Mitfühlend sieht Andreas sie an. „Ja. Aber ich fürchte, die Angst wird Sie weiterhin begleiten. Auch mit der neuen Identität.“
Maja nickt. Wird sie nie wieder verschwinden, diese Angst? Vielleicht sieht Andreas, wie mutlos sie dieser Gedanke macht, denn plötzlich wendet er sich noch einmal ihr zu. „Kopf hoch. Ihr schafft das, okay?“
„Okay“, tönt Elias, und Maja bringt immerhin ein Nicken zustande.
„Gut. Versucht möglichst, mit der Vergangenheit abzuschließen. So schwer das auch ist.“
Als Andreas gegangen ist und Frau Singerl durch die Küche schlurft, um Kaffee zu machen, erfährt Maja, wofür ihre Mutter all die Akten über Robert Barsch aus der alten Wohnung mitgenommen hat.
„Genau das habe ich vor ... mit der Vergangenheit abzuschließen“, keucht Lila, als sie die Ordner ins Erdgeschoss schleppt. „Frau Singerl, dürfen wir Ihren Kamin benutzen?“
„Ja, aber wozu denn?“, fragt Frau Singerl verdutzt. „Sie wollen doch nicht etwa –“
„Doch.“ Lila lächelt, ihre Augen blitzen. „Ein Scheiterhaufen wäre mir noch lieber gewesen, aber das hier tut´s auch.“
Es gefällt Maja, ihre Mutter so kampflustig zu sehen. Anscheinend hat es ihre Energie zurückgebracht, dass sie nun einen Ausweg sieht. Maja hilft mit, alle Klarsichthüllen aus den Ordnern zu entfernen, damit es später nicht nach Plastik stinkt.
„Na, hoffentlich brennt das überhaupt“, meint Maja und hilft ihrer Mutter, drei der Ordner im Kamin zu stapeln.
„Wieso nicht? Ist doch Papier.“
Es hat keinen Sinn, ihr etwas über Flammtemperaturen zu erzählen, wie im Fieber stapelt Lila immer mehr Akten übereinander. Elias hilft begeistert mit und stopft noch ein bisschen Kleinholz und Grillanzünder in die Ritzen. Frau Singerl dreht mit skeptischem Blick die Luftklappe auf und reicht ihnen die Streichholzpackung.
„Jeder eins, okay?“, sagt Maja, und ihr ist feierlich zumute, als sie ihr Streichholz anzünden und an den Aktenstapel halten. Doch der ziert sich, Feuer zu fangen, trotz Anzünder qualmen und glimmen die Ordner vor sich hin. Graue Schwaden wabern aus dem Kamin, und im ganzen Zimmer stinkt es nach Rauch.
„Das ist ja scheußlich, ich mach mal die Tür auf!“, hustet ihre Gastgeberin. „Frau Köttnitz, bitte schaffen Sie dieses Zeug in den Müllcontainer, das hier ist wirklich eine Zumutung!“
Doch keiner von ihnen hat Lust darauf, das ganze glimmende Zeug zum Container zu bringen, sie sollen ja sowieso möglichst nicht aus dem Haus gehen. Verbissen schiebt Maja noch mehr Grillanzünder nach, das Zeug muss doch jetzt gleich brennen, los, mach schon, verdammter Ordner! Ja, endlich fängt er Feuer, aber Frau Singerl sieht es nicht mehr, sie hat sich schimpfend nach oben verzogen. Lila und Maja werfen sich einen besorgten Blick zu. „Nachher entschuldige ich mich“, meint Lila und seufzt.
„Immerhin, jetzt wird´s schön warm“, sagt Elias hoffnungsvoll und zu dritt drängen sie sich um den Kamin und starren in die Flammen. Lilas und Majas Hochstimmung ist längst weg. Erinnerungen kann man nicht verbrennen, geht es Maja durch den Kopf. Und Dämonen auch nicht.
Als Elias am nächsten Morgen im Kamin nach Metallresten der Ordner sucht, zieht er seine Hand mit einem Schmerzensschrei zurück. An seinem Finger ist eine Brandblase. „Die Asche ist immer noch total heiß“, stellt Maja erschrocken fest, und Lila hält Elias´ Finger lange unter fließendes kaltes Wasser, bis der Schmerz nachgelassen hat.
Selbst jetzt noch schadet uns dieser Kerl, geht es Maja durch den Kopf.
Cedric klingt beim Laufen wie eine Dampflok, und er zockelt immer einen halben Schritt hinter ihm her, obwohl Lorenzo sowieso schon ein moderates Tempo anschlägt. Trotzdem freut sich Lorenzo, dass sein Freund mit ihm läuft – dass er es überhaupt macht, muss ihn ungeheuere Überwindung kosten.
„Und dieser Brief“, keucht Cedric, „der war in Offenbach abgestempelt?“
„Richtig. Sie muss also noch in der Stadt sein.“ Grimmig läuft Lorenzo weiter.
„Falsch. Sie war vermutlich am Mittwoch oder Donnerstag noch in der Stadt. Wenn sie das Ding überhaupt selbst eingeworfen hat.“
„Aber wieso muss sie denn weg, die ganze Familie? Ich kapiere das einfach nicht!“
„Find dich damit ab, dass du anscheinend nicht alles über sie gewusst hast. Vielleicht ist sie eine Geheimagentin, die enttarnt wurde und untertauchen musste ...“
„Haha.“ Lorenzo ist gerade nicht so nach Witzen zumute.
„Oder ihre Familie war illegal in Deutschland und ist abgeschoben worden ...“
„Nicht dein Ernst!“
„Nein. Aber vielleicht bringt es dich dazu, auch mal in anderen Richtungen nachzudenken als nur in die, dass du keine Ahnung hast.“
Grimmig zieht Lorenzo das Tempo an, seine Füße federn über den Schotterweg. „Was für ein Interesse hast du überhaupt daran, dass sie wieder auftaucht?“, fragt er Cedric. Sein Freund müht sich, mit ihm Schritt zu halten, und keucht riesige Wolken in die Winterluft. „Was meinst du denn damit?“