Und keiner wird dich kennen. Катя Брандис

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Und keiner wird dich kennen - Катя Брандис

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Flecken, stammen die wirklich daher, dass Mama vom Fahrrad gefallen ist? In den ersten Monaten kam mir Robert so nett vor, aber dann hat er immer wieder Sachen gesagt, für die ich ihm am liebsten eine geknallt hätte – wieso lässt sich Lila das bieten, dass er sie Schlampe nennt? Ich glaube, sie hat Angst vor ihm. Robert will nicht, dass Mama Freunde hat, besonders keine männlichen. Wenn jemand anruft, um zu fragen, wie es ihr geht, gibt es Streit. Einmal rastet Robert wegen so etwas völlig aus – Mama kauert auf dem Boden und Robert schlägt auf sie ein, als wäre er verrückt geworden. Ich brülle ihn an, aber er beachtet mich nicht mal. Ich schließe mich im Bad ein und rufe die Polizei an, meine Finger zittern so sehr, dass ich kaum die Nummer wählen kann ...

      Die Gedanken wühlen in Majas Magen, sie wegzuschieben klappt nicht. Ablenken. Irgendwie muss sie sich ablenken. Maja nimmt ihr Handy, überlegt, wen sie anrufen könnte. Eigentlich niemanden mehr, nicht um diese Uhrzeit. Lorenzo? Der ist wahrscheinlich noch unterwegs und liefert Pizzas. Eine beste Freundin könnte man schon noch anrufen, aber die muss man erst mal haben. Maja fährt ihren Laptop hoch, geht auf Facebook. 120 Freunde dort, immerhin, das ist doch was. Sie hat eine Einladung von Patrick bekommen zu einer Faschingsparty unter dem Motto „Filmstars“. Klingt lustig. Maja sagt zu, dann postet sie: So ein Mist, ich kann nicht schlafen, zu viel im Kopf, geht es euch auch manchmal so???

      Wow, schon nach ein paar Minuten kommen die ersten „Likes“ und mitfühlenden Kommentare.

      Ja, klar, kenn ich auch, ich drück dir die Daumen, dass dir bald die Augen zufallen! Das ist von Martina.

      Augen zumachen und eine Weile tieeeef durchatmen, das hilft wirklich. Ich drück dich! Cheyenne – die ahnt natürlich nichts von dem Giftmüll in Majas Kopf.

      Bin auch noch wach, um diese Uhrzeit bin ich eigentlich am fittesten!, postet Natascha.

      Mark schreibt: Schon Schäfchen gezählt?

      Depp!

      Trotzdem. Es tut gut. Sich nicht allein zu fühlen in dieser Scheißnacht.

      Gegen eins legt Maja sich wieder hin. Aber sie ist immer noch nicht müde genug, um sofort wegzudämmern, und schon sind die Gedanken wieder da, aufdringlich wie ein Heer Ameisen.

       Irgendwie hat sich Robert wieder in unser Leben gedrängt. Beim nächsten Streit rastet er aus, wirft eine volle Konservendose – nach mir! Ein heftiger Schlag, plötzlich liege ich am Boden, Blut läuft mir in die Augen. Krankenhaus. Mama erstattet Anzeige - und sagt Robert, dass er uns endlich in Ruhe lassen soll, nie wieder will sie irgendetwas mit ihm zu tun haben. Robert ist wütend, so furchtbar wütend. In den nächsten Tagen klingeln alle unsere Telefone ständig. Alle paar Minuten ruft er an, nachts einmal die Stunde, schläft der Typ gar nicht, verdammt? Mama erzählt, dass er ihr jeden Tag Dutzende Mails schreibt. Sie antwortet nicht, aber das scheint ihn nicht zu stören. Wir stöpseln das Telefon aus, Mama beantragt eine neue Nummer, wir ändern unsere Mail-Konten. Aber das macht ihm nichts aus, er ruft sie einfach auf der Arbeit an und schreibt ihr Briefe, die Mama am liebsten verbrennen würde, jedoch als Beweismittel aufheben muss. Ich schaffe es kaum noch einzuschlafen, weil er vielleicht schon wieder vor der Tür steht... und wenn ich schließlich schlafe, dann nur mit fiesen Träumen...

      Maja fragt sich, ob die Albträume heute noch wiederkommen werden – vielleicht ist es die Angst vor ihnen, die sie wach hält. Klingt logisch. Aufgedreht und todmüde zugleich wandert Maja durch die Wohnung, redet sich ein, dass sie nichts Bestimmtes sucht. Im Bad ist der Schrank mit Lilas Medikamenten, starkes Zeug hat sie da drin. Zu stark, stärker als sie manchmal. Besser nicht mehr dran denken.

      Irgendwie schafft Maja es, am Bad vorbeizugehen. Sie kommt am Zimmer vorbei, in dem Elias schläft, sie kann seinen ruhigen Atem hören. Lila hat wohl geschafft, ihm vorzumachen, dass alles in Ordnung ist. Gott sei Dank. Früher war das anders, da ging das nicht mehr ...

       Wir spielen viel drinnen mit Elias, weil wir alle Angst haben, draußen wieder Robert Barsch zu begegnen. Meistens bleiben die Rollläden unten. Elias stellt viele Fragen, will wissen, warum manche Menschen so böse sind und was er eigentlich von uns will. „Er will über uns herrschen, glaube ich – wie so eine Art König“, sagt Lila. „Ein böser König“, sagt Elias und nickt, das versteht er, so was gibt es auch in seinen Märchen. Lila und ich blicken uns an. Ist es das? Oder ist es noch viel schlimmer? Vielleicht will er uns jetzt nur noch bestrafen. Sich rächen dafür, dass Mama ihn nicht mehr will. Uns vernichten.

       Kurz darauf schafft es unsere getigerte Katze Jumpy, rauszuschlüpfen auf die Straße. Am nächsten Tag liegt ihre blutige Pfote vor unserer Tür. Es ist eine Botschaft, das ist klar. Wir heulen alle, Elias ist völlig hysterisch. Mama ruft sofort die Polizei an, will wieder einmal Anzeige erstatten, aber sie erfährt, dass es nur eine Sachbeschädigung ist, eine Katze zu töten. Nur eine Sachbeschädigung!

       Mamas Anzeigen und Einstweilige Verfügungen beeindrucken Robert Barsch sowieso nicht, er ignoriert einfach, dass er sich uns nicht mehr nähern darf. Die Polizei gibt zur Auskunft, dass sie uns nicht helfen könne.

       Bis eines Tages ...

      Nein. NEIN! Verdammt, nein! Bloß nicht an all das denken. Maja versucht es mit einer der Übungen, die der Psychologe ihr erklärt hat, und tut ihr bestes, um das heitere Bild in sich heraufzubeschwören. Ich liege auf einer Sommerwiese, über mir der blaue Himmel. Wolken ziehen an mir vorbei. Ich stelle mir vor, dass ich die düsteren Gedanken auf einer dieser Wolken ablege. Sofort fühle ich mich leichter, die Last auf mir ist weg. Die Wolke wird vom Wind über den Himmel geschoben und nimmt die Gedanken mit ...

      Es funktioniert, Maja fühlt sich ein wenig besser. Er weiß nicht, wo wir jetzt leben, sagt sie sich immer wieder. Er ist weg, wir sind hier in Sicherheit.

      Aber was ist, wenn er aus dem Knast kommt und dann wieder anfängt, sie zu verfolgen? Würden sie das noch mal durchstehen? Müssen sie dann wieder so leben wie damals, im Haus verschanzt, voller Panik, hilflos, ausgeliefert ohne echten Schutz?

      Schluss jetzt! Er wird nicht herausfinden, wo wir sind. Klar?

      Klar, antwortet Maja sich selbst gehorsam. Sie tappt doch noch ins Bad, aber nur, um sich kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen. Zwei Uhr nachts. Das wird mal wieder toll werden in der Schule, ein endloser Kampf gegen nach unten sackende Augenlider. Wenigstens schreiben sie morgen keine Klassenarbeit, das hätte ihr gerade noch gefehlt.

      Maja kriecht unter ihre Bettdecke und schließt die Augen. Die Sommerwiese ist weg und nicht wiederzufinden. Und gerade jetzt bräuchte Maja sie so dringend, schon spürt sie, wie die Vergangenheit über sie herfällt ....

       Ich komme von der Schule nach Hause – und schon von Weitem sehe ich das Blaulicht. Je näher ich komme, desto schneller gehe ich, eine furchtbare Ahnung steigt in mir auf. Ja, es ist unser Haus, vor dem Kranken- und Polizeiwagen stehen! Ich frage, was los ist, aber keiner will es mir sagen, ich rede immer lauter, schreie herum ... und dann tragen sie Mama heraus, blutüberströmt, eine Sauerstoffmaske über dem Gesicht ...

      Jetzt erst kommen die Tränen, sie kitzeln auf ihrem Gesicht, sickern ins Kissen. Und seltsam ... das Weinen hilft, endlich ist Majas Kopf leer.

      Endlich kann der Schlaf sie zu sich holen.

      Der nächste Morgen ist eine Zumutung. Maja fühlt sich, als hätte sie gestern alleine eine Flasche Tequila geleert, die Kopfschmerzen sprengen ihr fast den Schädel. Schweigend beißt sie in ihr Aufbackbrötchen. Lila versucht, fröhlich dreinzublicken. Doch unter ihren Augen zeichnen sich tiefe Schatten ab, ihre

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