Und keiner wird dich kennen. Катя Брандис

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Und keiner wird dich kennen - Катя Брандис

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Feuerwerk, hatte Maja gedacht ... und dann hatte sie das Loch in der Plakatwand neben sich gesehen. Lila war in einen Blumenladen gerannt, an dem sie gerade vorbeikommen waren, und hatte Elias mit sich gezerrt. Maja war hinterhergestolpert und hinter der Theke in Deckung gegangen, während die Besitzerin des Ladens noch völlig verwirrt das Einschussloch in ihrer Ladentür angestarrt hatte. Während die Spurensicherung am Werk war, hatte eine Streife Lila, Elias und Maja auf die Wache und später zurück zu ihrem Auto gebracht. Kurz darauf waren sie nach Offenbach gezogen – bloß weg!

      „Möglicherweise hat er Verbindungen zur Mafia“, berichtet Lila. „Es gab da seltsame Telefonate und Treffen ... Robert hat darauf geachtet, dass ich nichts mithören kann und diesen Leute nicht begegne, aber einmal habe ich gesehen, wie er sich mit zwei Typen, die ziemlich brutal wirkten, vor dem Haus unterhalten hat ... vielleicht hat er diese Leute im Gefängnis kennengelernt? Er war ja schon mal ein paar Monate drin ...“

      „Und man weiß gar nichts über diese Leute, die auf Sie geschossen haben? Das ist tatsächlich besorgniserregend.“ Die Polizeibeamtin macht sich Notizen und tippt etwas in den Computer. „Andererseits ist in den letzten drei Jahren nichts passiert, oder?“

      Lila wirkt nicht, als fände sie das beruhigend. „Aber wenn er es jetzt geschafft hat, zu seinen Freunden Kontakt aufzunehmen ... das heißt doch, dass wir wieder auf irgendeiner Abschlussliste stehen! Und wenn Robert erst mal draußen ist, wird es noch viel schlimmer ... Es sind nur noch vier Tage, was sollen wir denn machen, verdammt? Wir haben doch schon alles getan!“

       Ihr dachtet, ihr seid mich los, was? Ihr dachtet, ihr seid ...

      „Maja?“ Jemand redet mit ihr. Mühsam reißt sich Maja zurück in die Wirklichkeit.

      „Bist du ganz sicher, dass er wir gesagt hat bei diesem Anruf?“, fragt die Polizeibeamtin.

      „Ja, ich bin ganz sicher“, sagt Maja fest.

      Sag deiner Mutter, sie soll zu mir zurückkommen. Sonst killen wir euch! „Nach dem, was Sie mir bisher erzählt haben, ist es zumindest möglich, dass er Verbündete hat“, sagt die Polizeibeamtin nachdenklich. „Moment.“ Sie geht in ein anderes Zimmer, redet mit einem Kollegen, dann hört Maja, wie sie telefoniert.

      Erschöpft sitzen sie alle drei in diesem Büro, in dem es nach alten Akten, Kaffee und Angst riecht. Elias hat die Ellenbogen auf die Knie gestützt und starrt auf seine geliebten Turnschuhe, in denen bei jeder Bewegung kleine LEDs aufblinken. Lila zieht ihn wieder in ihre Arme, gibt beruhigende Geräusche von sich, doch Maja sieht, dass ihre Augen weit aufgerissen sind. Sie ist völlig fertig, das ist klar. Und um Majas Nerven steht es nicht viel besser, sie fühlen sich an wie angesägte Drähte, die jeden Moment reißen können. Maja überlegt, ob sie Lorenzo anrufen kann, sie sehnt sich so sehr danach, ihm alles zu erzählen. Doch auf dem Weg zur Wache hat sie ihr Handy ausgeschaltet, es ist nicht mehr sicher, vielleicht hat Robert Barsch auch diese Nummer?

      Auf irgendeinem Brief steht der Name der Beamtin. KHK Nina Koretzki. Kriminalhauptkommissarin. Maja kennt sich längst mit den Abkürzungen aus. Auf dem Schreibtisch stehen ein paar gerahmte Fotos, eines zeigt ein Pferd – einen Schimmel mit langer Mähne –, ein anderes KHK Koretzki beim Skilaufen mit einem dunkelhaarigen Mann und beim Felsenklettern, unternehmungslustig lächelt sie in die Kamera. Ob sie Kinder hat? Ob sie verstehen kann, wie das ist, wenn einen jemand bedroht und man sich nicht wehren kann?

      Dann ist Nina Koretzki zurück, sie sieht noch ernster aus als zuvor. „Vielleicht können wir Ihnen etwas anbieten“, sagt sie. „Aber Sie müssen gründlich darüber nachdenken.“

      „Okay“, sagt Lila mit rauer Stimme und legt den Arm um Elias. „Um was geht es?“

      „Um einen Platz im Opferschutzprogramm. Das würde bedeuten, dass die ganze Familie eine neue Identität bekommt. Neue Papiere, neue Zeugnisse. Sie könnten an einem weit entfernten Ort neu anfangen.“

      Im ersten Moment klingt das wunderbar. Neu anfangen, o ja, nach nichts sehnt sich Maja mehr. Nach einem Leben ohne diesen Hass, ohne diese Angst. Doch schon spricht die Kriminalhauptkommissarin weiter. „Aber das würde bedeuten, dass Sie sämtliche Brücken zu Ihrem alten Leben abbrechen müssten. Kein Kontakt mehr zu den bisherigen Freunden, zu Verwandten. Sie müssen Ihr altes Leben komplett zurücklassen, nur so ist gewährleistet, dass diese Leute Ihnen nicht wieder auf die Spur kommen.“

      „Was soll das heißen?“, fragt Maja erschrocken. „Man darf seine Verwandten nie wieder sehen? Aber das ist doch...“

      „Das ist ganz, ganz schwer, ich weiß“, sagt Nina Koretzki und kramt aus ihrem Schreibtisch ein Bonbon für Elias hervor.

      Elias blickt das Bonbon an, als wüsste er nicht mal mehr, was das sein soll. „Willst du nichts Süßes?“, fragt die Beamtin und schaut drein, als wolle sie ihm am liebsten durch die Haare wuscheln – auf Erwachsene wirkt Elias manchmal so, während die anderen Kinder sich darüber lustig machen, dass er so zart, fast mädchenhaft gebaut ist.

      Stumm schüttelt Elias den Kopf.

      Nina Koretzki schenkt ihm noch einen mitleidigen Blick und wendet sich an Maja. „Es bedeutet, sich ein ganz neues Leben aufbauen, und keiner wird dich kennen dort, wo du hinziehst.“

      Lorenzo. Maja hat eine Gänsehaut, plötzlich fällt es ihr schwer zu atmen. „Was ist mit ... jemandem, den man liebt?“

      „Keine Ausnahmen“, sagt Nina Koretzki und begegnet ihrem Blick. „Und keine Abschiedsrituale. Wenn jemand wirklich in Lebensgefahr schwebt, dann darf niemand etwas davon wissen, dass und wann derjenige untertaucht.“

      Maja ist noch immer nicht sicher, ob sie richtig verstanden hat. Heißt es, dass sie sich von Lorenzo trennen müsste? Dass sie sich nicht einmal von ihm verabschieden dürfte? Das kann doch nicht sein, oder?

      Fahrig streicht Lila ihre dunklen Locken zurück. „Was ist mit meinem Beruf? Könnte ich den weiter ausüben? Wie sollte ich denn beweisen, dass ich überhaupt eine Ausbildung habe?“

      „Die Abteilung, die mit Zeugen- und Opferschutz befasst ist, würde Ihnen natürlich neue Zeugnisse organisieren“, versichert die Polizeibeamtin. „Sie wären von einer anderen Firma ausgestellt, damit es keine Verbindung zu Ihrem alten Leben gibt.“

      „Haben wir dann einen falschen Pass und so?“ Elias wirkt fasziniert.

      „Nein, eure Pässe wären echt. In solchen Fällen wird einfach für den neuen Namen ein Pass bei den Behörden beantragt und ausgestellt.“

      Doch Maja hörte kaum noch zu. Sich von Lorenzo zu trennen kommt überhaupt nicht in frage, niemals, das können die so dermaßen von vergessen! Der alte, ungeheure Hass auf Robert Barsch steigt wieder in ihr auf. Dieser Lebenskaputtmacher, dieses Riesenarschloch, sie würde so gerne quitt werden, ihm zur Abwechslung auch mal irgendetwas antun.

      „Denken Sie darüber nach, ja?“, sagt Nina Koretzki. „Ich will Ihnen nichts vormachen, es wäre furchtbar schwer für Sie alle, aber ...“

      „Es ist jetzt schon furchtbar schwer“, gibt Lila bitter zurück. „Was denken Sie denn? Dass es Spaß macht, sich wie ein gejagtes Tier zu fühlen?“

      Darauf geht die Kriminalhauptkommissarin gar nicht erst ein. „Lassen Sie uns darüber nachdenken, was Sie als nächstes tun sollten, in Ordnung? Können Sie und die Kinder ein paar Wochen lang irgendwo anders unterkommen? Da jetzt offensichtlich bekannt ist, wo Sie wohnen...“

      Lila

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