Im Gang der Menschheit. Helmut Lauschke

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Im Gang der Menschheit - Helmut Lauschke

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dafür hör ich zuviel Eitelkeiten; was ich sagen will: das Schloss ist nichts, wenn es die Eltern für das Kind nicht gibt.

      Erster Passant.

      Wem sagst du das?

      Bettler.

      Zu mir, der Herr, denn sie haben mit mir nichts zu tun und ich mit ihnen noch weniger, da kenne ich mich aus.

      Zweiter Passant.

      Die Bude hat was Gutes, man trifft auf Menschen aller Art; da ist das Leben hoch und tief, bei den meisten hängt es schief.

      Man redet frei und ungeniert, wie der Schnabel halt gewachsen ist; das macht die Bude interessant, weil hier das Leben hautnah spielt.

      Budenbesitzer.

      Was kann’s für sie sein, die Würstchen sind gleich fertig; ein Bierchen zwischendurch regt den Appetit schon an. [er öffnet eine Flasche und stellt sie dem Passanten auf das Thekenbrett]

      Bettler.

      Ich muss gehn, sonst läuft der Speichel aus dem Mund; ob ihr’s glaubt oder nicht, wer nichts hat, dem drängt sich keiner auf. [er geht]

      Student.

      Schule, wie sie ist, ist eine Qual, Hausaufgaben sind lästig allemal; die Logik ist nicht leicht erklommen, leicht aber ist sie auf den Hund gekommen.

      Ob es stimmt, was ich geschrieben, der Lehrrat wird’s schon sieben; was da rauskommt unterm Strich, wer weiß, ich weiß es nicht.

      Budenbesitzer.

      Junger Freund, anders ist das Leben, die Schule soll dir nur das Rüstzeug geben, dass du nicht an der ersten Hürde kippst, sie mit Bravour aus deinem Zeuge nimmst.

      Darum sei dem Rat doch dankbar, dass er mit roter Tinte das markiert, was falsch ist, richtig werden muss, bevor der Startschuss für das Leben fällt.

      Student.

      Du hättest Lehrer werden sollen, Budenmann, du hättest das Zeug, die Schüler zu motivieren, ihnen mit dem Finger zu zeigen, wo der Punkt liegt und wo nicht, was die Mitte ist in all dem Lernen, dass der Unterricht den Sinn bekommt, der allzuoft beim Rat verschwimmt.

      Budenbesitzer.

      Der Beruf hätte mich gereizt, ich geb es zu, nur fehlte mir das Geld, ohne dem kein Staat zu machen ist, die Schule gab mir die Probleme nicht, die mir jetzt das Leben gibt.

      Mein Lehrer sagte: dumm bist du nicht, doch fürs Studium hast du nicht die Eltern, damit aus deiner Intelligenz was wird. So kam ich auf die Bude, zieh mit ihr von einer Stelle zur andern, solange ich die Platzmiete zahle, sind die Menschen freundlich zu mir.

      Lehrer. [die Glocken läuten; der Lehrer hat das Fenster geöffnet und spricht zu sich selbst]

      Wieder läuten die Glocken bis auf meinen Tisch. Wo bleibt die Erleuchtung, dass ich das Läuten versteh?

      [weiter im Selbstgespräch]

      Rat, du Rat, du törichter Rat, wo auf dem Berg ist der Grat, auf dem du gehen kannst, um den Geist der Erleuchtung zu sehn?

      Habe gelernt, bin doch studiert, wie meine Vorväter es waren; mühe mich nach Kräften ab, die Dinge im Wirken zu verstehn.

      Nun steh ich da mit meinem Wissen und kriege die Erleuchtung nicht; vor hohen Stapeln bleib ich sitzen, verflucht, wo ist das Licht?

      Berge sind geschrieben und gedruckt, viel rote Tinte ist geflossen; ich warte, dass es mich durchzuckt, im Mühen steh ich unverdrossen.

      Habe gelesen , Blätter und Hefte korrigiert, war mit dem Stift ganz ungeniert. Hat mich die Bildung denn verlassen, war es ein Gang durch dunkle Gassen?

      Die Frage stellt sich immer klarer, je dicker meine Brillengläser sind.

      Bei all dem Roten und dem Toten mit den Lagen aus Muff und Staub, ich warte auf den klopfenden Boten, doch hör ihn nicht. Bin ich denn taub?

      Witzbold.

      Stühle, Stühle! Wo sind die Gefühle? Gebrechlich auf den Beinen, verdrillt, verknotet an den Leinen, nicht anders ist’s bei denen, die sich drücken in die Lehnen.

      Wo alter Staub geschichtet liegt, noch aus Urväters Zeiten wiegt, Sinn mit Unsinn sich vermischt, als stünde Zukunft vor Gericht, sitzt und grübelt wie ein Tropf der Alte überm leeren Suppentopf.

      Klopf, Topf! Topf, klopf! Der weise Kopf mit grauem Schopf blickt trübe durch das Fenster, er sieht wohl schon Gespenster.

      Was ist das für ein Getriebe, in dem der Sand laut knirscht; immens ist das Stuhlgeschiebe, wenn der Lehrrat durch die Klasse pirscht.

      Nun geht er im Zimmer auf und ab, wartet, dass die Himmelskräfte kommen durchs offene Fenster bis zum Tisch, an den er sich setzt wie halb benommen.

      Das Klopfen gegen die verschlagene Tür, er hört es nicht, fern tragen ihn Gedanken, hoch schwebend über altem Staub beginnt das Schwanken, sind die Ohren taub.

      Lehrer.

      Was soll ich mit den Stößen von Papieren, soll ich bis ans Lebensende korrigieren, rumsortieren, ausprobieren, ob sich so das Richtige finden lässt.

      Wenn über Fehlern rote Tinte nässt, nichts anderes ist als ein Stagnieren, wenn ich wissend auf dem Trocknen sitze und mich blutleer schwitze?

      Das macht mein Leben trist und fad, besser wäre mir der andere Rat mit dem Leben und der frischen Tat, mit dem Wandern durch die Wiesen, mit dem Blick auf Berges Riesen, mit dem Windrad einer Mühle, mit allem ohne Tisch und Stühle.

      Himmelherrschaftszeiten! Schluss muss sein mit all den Wissenspleiten, die zum Leben doch nicht taugen als zum Zwicken blinder Hühneraugen.

      Der Begriff, dass ich nichts weiß flimmert vor mir glühend heiß; es ist der Topf, der auf dem Feuer steht, an den, weil ohne Henkel, keiner geht.

      Soll ich’s anders nun probieren mit der Zunge mehr als mit Studieren, damit ich den Geschmack become, der bislang mir ausgeblieben ist.

      Herr Simonis junior.

      Wär’s ein Schauspiel , ich wünschte mir ein größeres herbei, ein Spiel aus den Quellen jungen Lebens, wo es ausbricht, flutet, strömt, die Knospe sprosst, die Blüte duftet.

      Am Lauf des Flusses sollt er stehn, statt der Hefte eine rote Rose sehn; hier in der Enge bleibt’s vergebens, wo der verstaubte, vollgepackte Tisch mit alten, abgesessenen Stühlen steht, auf denen schon die Väter saßen und im Eifer des Korrigierens das Leben vergaßen.

      Zeitgeist – ein oft unbequemer Gast

      [Sprechstück für zwei Stimmen: Gelehrter, vor einem vollen Bücherregal

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