Palmer :Black Notice. Stephan Lake
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Dann wählte er die Nummer, die er in den vergangenen Wochen so oft gewählt hatte, dass er sie auswendig kannte und von der er wusste, dass sie zu einem Telefon des Grenzschutzes in der Pennsylvania Avenue gehörte. Und der für Internationale Angelegenheiten zuständige Abteilungsleiter würde, wie immer in den vergangenen Wochen, persönlich antworten. Ein derzeit unter großem Druck stehender Anthony Matthew Torres II.
„Torres hier.“
„Ich bins“, sagte Kurtz. „Na, wie läufts bei der Customs and Border Protection?“
„Sind Sie das etwa, Kurtz?“
„Wer sonst?“
Er hörte Torres schnaufen. „Können Sie sich verdammt nochmal mit Ihrem Namen melden?“ Und als Kurtz nicht antwortete, „Ich hoffe, Sie haben wenigstens gute Nachrichten.“
Kurtz gefiel die Situation zwischen ihnen. Torres hasste ihn, konnte ihm aber nichts anhaben. Denn der Präsident persönlich hatte Kurtz für diesen Posten vorgeschlagen, der Senat hatte ihn bestätigt. Er stand nur zwei Positionen unterhalb der Ministerin für Homeland Security und würde sie eines Tages beerben. Vielleicht schon bald. Sofern ihm diese Sache nicht in den Weg kam.
Nein, Anthony Matthew Torres II. konnte ihm nichts anhaben, gar nichts, und das machte diesen Grenzschützer, der in seinem Leben schon allein wegen seines Namens immer nur die Nummer Zwei hinter seinem Alten sein würde, wahnsinnig. Und ihn machte das ein klein wenig glücklich.
„Easy, Torres, easy. Sie hören sich ja gar nicht gut an, so verbissen. Das ist ungesund. Sie müssen mal wieder entspannen.“
„Lassen Sie mal meine Gesundheit meine Sache sein, Kurtz. Was haben Sie für mich?“
Kurtz lehnte sich tief in seinen Ledersessel. Er liebte diesen weichen Sessel, der seinem Rücken mehr half als eine Deep-Tissue. Und er genoss, was er jetzt sagte: „Palmer hat angebissen.“
„Angebissen? Was heißt angebissen?“
„Das heißt, er wird vermutlich sofort nach Singapur fliegen und mit der Suche beginnen.“
„Vermutlich?“
Kurtz antwortete nicht.
„Wieso Singapur?“
„Weil wir Li zusammen mit dem Zeugen dort aus den Augen verloren haben, Torres. Sie haben doch meinen Bericht bekommen.“
Meine Güte, war dieser Kerl langsam im Kopf.
„Ich habe Ihren Bericht bekommen. Ich habe ihn sogar vor mir liegen. Was ich meinte, vielleicht haben sie Singapur ja bereits verlassen. Wie konnte es eigentlich passieren, dass diese beiden Chinesen unseren Leuten entwischt sind? Diese ...“, Kurtz hörte Blätter umschlagen, „Carolin Yu. Kennen Sie die?“
„Nein.“
„Hat praktisch neben den beiden gesessen. Und wir hatten noch zwei weitere Mitarbeiter in der Nähe, mein Gott. Und trotzdem sind diese beiden Chinesen uns entkommen. Unglaublich.“
„Regen Sie sich nicht auf, Torres. Das ist Vergangenheit. Ihr Team wird die beiden suchen. Und dieser Palmer wird unser Ass sein.“
Torres sagte, „Wie haben Sie das geschafft? Ich dachte, dieser Palmer wäre ein schwieriger Typ.“
„Ich habe eine Mitarbeiterin, die auf schwierige Typen spezialisiert ist.“
„Gut, ich werde meine Leute informieren.“
„Wer wird das Team aussuchen?“
Torres sagte, „Murray.“
„Murray? Rob Murray etwa? Der von der Border Patrol? Don't-fuck-with-me-Murray?“
„Nennen Sie ihn mal so ins Gesicht“, sagte Torres. „Die Border Patrol hat uns diese Scheiße eingebrockt, der Chef der Border Patrol wird sie wieder ausbrocken. Da sind sich hier alle einig. Jedenfalls, Kurtz, ich hoffe, Sie haben sich das sehr genau überlegt mit diesem Palmer. Palmer kennt sich aus. Was alles in Ihrem Bericht über ihn steht, der hat sogar Geiseln befreit. Abu Sayyaf, Philippinen. Er allein. Abu Sayyaf, Kurtz, fuck me. In Ihrem Bericht steht, der hat vermutlich mehr als einhundert Einsätze absolviert, und wir wissen nicht einmal, für wen der arbeitet. Wir haben nicht einmal eine Vermutung. Und solch einen Mann haben Sie kontaktiert und wollen ihn für Ihre Sache benutzen?“
„Für unsere Sache, Torres. Nicht für meine.“
„Ich halte das für einen Fehler. Palmer hat offensichtlich Fähigkeiten in Bereichen, die für uns gefährlich sein können. Und er hat Zugang zu Informationen. Und darüber hinaus ist er ein Einzelgänger, er arbeitet immer alleine, steht hier. Solche Typen, Kurtz, ich habe oft genug mit Einzelgängern zu tun, die lassen sich nicht kontrollieren. Was also ist, wenn Palmer es nicht dabei belassen will, Li zu finden? Wenn er der Sache auf den Grund gehen will? Ich betone es noch einmal, fürs Protokoll, sozusagen, ich halte es für ein enormes Risiko, diesen Palmer mit ins Boot zu nehmen. Für einen Irrsinn geradezu.“
„Fürs Protokoll?“, sagte Kurtz. „Lassen Sie etwa das Band mitlaufen, Sie kleiner Scheißkerl?“
„Ich lasse kein Band mitlaufen, Kurtz, und passen Sie auf, was Sie zu mir sagen.“
Kurtz atmete durch. Palmer war ein Risiko, das stimmte. Aber er konnte der entscheidende Faktor sein.
„Wir nehmen Palmer nicht mit in irgendein Boot, Torres“, sagte er, ruhiger jetzt. „Wir müssen Li und den Zeugen finden, schnellstens, bevor etwas an die Öffentlichkeit gerät. Dafür müssen wir alle Hebel in Bewegung setzen. Ihr Team ist der eine Hebel, Palmer ist der andere. Wir haben keine Wahl. Aber wir werden Palmer auf Schritt und Tritt im Auge behalten. Sobald er in Singapur einreist, werden wir es wissen. Und fangen Sie nicht damit an, mir meinen Job erklären zu wollen.“
„Ich hoffe, dass ich das nicht muss“, sagte Torres. „Sagen Sie, Ihre Mitarbeiterin ...“
„Agent Azone.“
„Agent Azone. Welche Erfahrungen hat sie?“
„Erfahrungen? Was meinen Sie, Erfahrungen?“
„Terrorismus, ausländische Geheimdienste. Hat sie damit Erfahrung? Hat sie Kontakte in Singapur?“
„Terrorismus? Sicher nicht. Und Kontakte? Agent Azone ist nie aus den Staaten herausgekommen. Nicht im Job. Sie sitzt an einem Schreibtisch und macht Papierkram.“
„Clearance?“
„Clearance? Torres, Sie können in jeder Highschool-Zeitung größere Geheimnisse lesen, als Azone sie jemals kennen wird. Sie hat nicht mit Geheimsachen zu tun, nie. Ich hab sie nur deshalb für Palmer ausgesucht, weil ich weiß, wie Männer auf sie reagieren.“
„Gut. Gut. Dann schicken Sie Agent Azone auch nach Singapur. Möglicherweise brauchen wir sie dort, damit sie Palmer an der Leine hält. Und dann will ich nicht auf sie warten müssen. Wir können uns in dieser Angelegenheit