Palmer :Black Notice. Stephan Lake
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„Bevor wer ihn verschwinden lässt?“
„Wenn wir das wüssten. Wer immer dahinter steckt. Vielleicht die Chinesen. Der Zeuge wurde zuletzt mit einem Geheimdienstler der Chinesen gesehen. Einem Ex-Geheimdienstler. Finden wir den, finden wir auch den Zeugen.“
„Mark Li“, sagte Palmer.
Jetzt war Hellström still.
Palmer gab ihm Zeit. Er beobachtete weiter seinen Trailer. Keine Bewegung davor, keine darin. Unter ihm hörte er das Knacken des sich abkühlenden Auspuffs.
Hellström sagte, „So heißt der Geheimdienstler. Mark Li. Woher wissen Sie?“
Palmer erzählte von Azone.
„Mark Li ein Terrorist?“, sagte Hellström. „Schöne Geschichte, die sich die Amerikaner da ausgedacht haben, Terrorismus zieht heute ja immer. Aber leider bullshit. Wir haben keinerlei Erkenntnisse über Li im Zusammenhang mit Terrorismus. Keine.“
„Bullshit, ja. Aber ich hatte das Gefühl, Azone glaubt tatsächlich daran.“
„Und Sie?“
„Ich nicht.“
„Trotzdem wollen Sie für diese Azone nach Singapur fliegen.“
„Für mich, Hellström, nicht für Azone und nicht für Homeland Security. Was genau soll vertuscht werden?“
„Das Massaker“, sagte Hellström. „Zwölf junge Frauen, neun Kinder, entführt aus Dörfern rechts und links entlang der Grenze zwischen Kambodscha und Laos. Bei dem Massaker starben sie alle. Sie und ihre Entführer. Wir haben diese Informationen erst seit einigen Stunden, der Hintergrund ist uns daher noch völlig unklar. Auf jeden Fall, wer auch immer für das Massaker verantwortlich ist, er wurde beobachtet. Von wem, wissen wir nicht genau. Aber er schaffte es bis nach Singapur, traf sich mit Li und beide verschwanden. Welche Beziehung zwischen Li und diesem Zeugen – so nenne ich ihn jetzt mal, einen Zeugen – welche Beziehung zwischen Li und ihm besteht, daran arbeiten wir noch. Genau wie an seiner Identität. Einzig über Li haben wir ein kleines Dossier. Früher hochrangiger Geheimdienstler für die Chinesen, seit zehn Jahren Professor in Singapur, keine Verbindungen zum Internationalen Terrorismus. Was ich nicht verstehe“, sagte er dann, „was die Amerikaner damit zu tun haben. Und was die Amerikaner von Ihnen wollen, Palmer, verstehe ich auch nicht. Wissen die Amerikaner, dass Sie für uns arbeiten?“
„Das will ich nicht hoffen, Hellström.“
„Wenn, dann nicht von uns. Hat diese Azone nicht gesagt, warum gerade Sie? Sie muss etwas gesagt haben.“
„Azone, die Amerikaner, sie glauben, dass ich ihnen helfen kann, Li zu finden.“
„Li zu finden? Aber, warum gerade Sie? Homeland Security hat Tausende Leute.“
„Li und ich, wir haben eine kleine gemeinsame Vergangenheit. Azone weiß davon.“
„Sie und Li? Aus Ihrer Zeit in Hong Kong?“
„Ja.“
„Aber dieser Li ist deutlich älter als Sie. Welche gemeinsame Vergangenheit könnten Sie beide wohl haben?“
„Li war eine Art Mentor für mich, als ich noch ein Kind war. Für eine kurze Zeit. Die Amerikaner glauben, dass ich damals Li sehr gut kennen gelernt habe. So gut, dass ich ihn auch heute noch schneller finden kann als ihre eigenen Leute.“
„Als Sie noch ein Kind waren? Das ist verdammt lange her, Palmer. Und deshalb sollen Sie Li schneller finden? Ist doch lächerlich.“
„Nein“, sagte Palmer. „Das ist es nicht.“
Als er mit Hellström fertig war, wählte er den Area Code für Manhattan in New York City und eine siebenstellige Nummer.
Es klingelte ein Mal. Zwei Mal.
Durch das Fernglas beobachtete er seinen Trailer. Keine Bewegung davor, keine darin.
Es klingelte zum dritten Mal, dann hob sie ab.
Er sagte, „Hi Doc.“
„Palmer?“
„Wie geht es Ihnen, Doc?“
„Gut. Mir geht es gut. Danke. Palmer, schön, von Ihnen zu hören. Ich vermute, Sie haben Neuigkeiten.“
„Ihrer Schwester geht es bald wieder besser“, sagte er. „Ihrem Schwager nicht so bald.“
Er hörte Doc ausatmen.
„Was haben Sie mit ihm angestellt?“
„Er hatte seine Waffe vergessen.“
„Er ist ein Arschloch“, sagte Doc.
„Ich weiß“, sagte Palmer.
„Was ... Was haben Sie mit ihm angestellt?“
War das Sorge in ihrer Stimme? Doc sollte beruhigt sein, nicht besorgt.
Palmer schwieg.
Sie sagte, „Egal. Ich werde meine Schwester anrufen. Jetzt gleich. Sie wird sich freuen und erleichtert sein. Palmer, danke.“
Frauen nahmen ihre prügelnden Männer erstaunlich oft in Schutz, Palmer war sich daher nicht so sicher, dass sich Docs Schwester freuen würde. Er sagte, „Vielleicht weiß sie es schon, es ist bereits ein paar Tage her. Doc, ich brauche eine Antwort.“
„Antwort?“
Palmer beobachtete weiter seinen Trailer. Keine Bewegung davor, keine darin. Keine Geräusche. Der Auspuff war kalt.
„In New York wurde ich beobachtet.“
„Beobachtet?“
„Und jetzt habe ich Besuch in meinem Trailer.“
„Beobachtet von wem? Und welcher Besuch?“
„Wer wusste noch von unserem Gespräch?“, sagte er. „Über Ihre Schwester, meine ich. Wer wusste noch davon?“
Doc war einen Moment still, als wäre sie erstaunt über seine Frage. Oder musste sie über ihre Antwort nachdenken, weil sie nichts Falsches sagen wollte?
„Niemand wusste davon“, sagte sie dann. „Nicht von mir.“
„Ihre Schwester?“
„Nein, meine Schwester weiß nichts von Ihnen. Ich habe ihr nichts gesagt. Ich habe mit niemandem darüber gesprochen, mir keine Notizen gemacht, nichts. Wie Sie es verlangt haben.“ Nach einem Moment, „Ich hoffe, Sie glauben mir.“
Der Trailer, keine Bewegung davor, keine darin.
Er legte das Fernglas in den Schoß.
„Wir hatten nie Probleme miteinander, Doc, und jetzt? Der erste Kontakt