Victoria. Helmut H. Schulz

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Victoria - Helmut H. Schulz

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denken nie oder selten daran, was für ein hartes Los es für eine Frau bedeutet, dergleichen sehr oft durchzumachen. Aber Gottes Wille geschehe, und wenn Er befindet, dass wir eine große Zahl von Kindern haben sollen, dann müssen wir eben versuchen, sie als nützliche und vorbildliche Mitglieder der Gesellschaft aufzuziehen. Das war brav gedacht und ein bisschen räsonable und fatalistisch.

      Vor der Hand aber nutzte die jugendliche Mutter die neue Lage politisch aus. Stockmar, einer ihrer ältesten Vertrauten, der auch den Prinzgemahl, so sein offizieller Titel in England, beriet, musste Lord Melbourne, auch ein Vertrauter und sogar Premier, darum bitten, zu veranlassen, dass Albert künftig in die Bittgebete der englischen Staatskirche eingeschlossen werde. Bei den Gottesdiensten wurde regelmäßig für das persönliche Glück der Monarchin gebetet, nicht nur in England, sondern überall, wo es Kaiser und Könige gab, ausgenommen Frankreich. Dort lag es nach der Trennung von Staat und Kirche im Ermessen des Priesters, etwa einen Bürgerkönig unter den Sonderschutz Gottes zu stellen. Das ist insofern logisch, als jener nicht durch Gottes Gnade als König amtierte, sondern im Auftrage von Börsenspekulanten und Bankiers. Es war Victoria bisher nicht gelungen, das englische Vorurteil gegen den Deutschen abzubauen. Umgekehrt sollte sich dasselbe in Deutschland wiederholen, als ihre eben geborene Tochter im achtzehnten Lebensjahr nach Berlin und Potsdam umzog. Dass Albert nunmehr und fortan bei den Bittgottesdiensten der Kirche, einer mächtigen offiziellen Institution, als ein zu schützender englischer Besitz mitgenannt werden würde, hieß seine und ihre Stellung ganz erheblich aufzuwerten. Noch etwas scheint durch die Geburt der Tochter beschleunigt worden zu sein, die ganz private Lage des Paares.

      Die erste Zeit ihrer Ehe mussten Albert und Victoria aus Staats- und Standesgründen in und um London verbringen. Bei der Planung ihrer Verbindung hatte die junge englische Königin ihrem künftigen Ehemann die Grenze deutlich gezogen. Dass er sich den Staatsinteressen zu unterwerfen hatte, an die sie gebunden war, brachte Albert manch bittere Erkenntnis. Ihm war durch die Verfassung eine zweite Reihe angewiesen, aber auch seine Frau wollte sich zwar dem Gatten, nicht aber einem gleichberechtigten Mann unterwerfen. Die Gründe für ihre Haltung lagen nicht ausschließlich in der Politik und nicht einmal in ihrem Charakter; sie hatte in ihrer Jugend eine harte Lehrzeit durchgemacht und wollte sich künftig von jeder Vormundschaft frei halten. Mit ihrem Deutschen hatte sie einfach Glück. Albert strebte auf eine ganz andere Art nach Einfluss, als die in England übliche, so kam das Paar schließlich einigermaßen miteinander aus. Der junge Ehemann hatte sich eigentlich eine mehrmonatige Hochzeitsreise vorgestellt, allein Victoria hielt ihre Anwesenheit in England, das heißt, in der Nähe Londons durchaus für erforderlich, und so musste er verzichten. Die Stellung des jungen Habenichts aus Deutschland war innerhalb der englischen Machtstrukturen keineswegs gefestigt. Er war nichts anderes, als der Gatte ihrer Königin, mit sehr geringen Ansprüchen politischer wie finanzieller Art. Er wünschte sich einen besonderen Landsitz, ein Haus, nur ihm und ihr gehörend, aber nach reichlich zwei Jahren Ehe wohnten sie sozusagen noch immer zur Miete. Schlösser gab es genug; die Krone verfügte über ausreichend ungenutzte Häuser, aber die gehörten nicht allein der Queen und dem Prinzgemahl, sondern allen Angehörigen der Familie, und der amtierende Herrscher verfügte zusammen mit Regierung und Parlament über das Wohnrecht darin wie über die meist sehr hohen Mittel zur Unterhaltung und zur Instandsetzung. Schlössern scheint überhaupt eine gleichsam angeborene Neigung zur Ruinenbildung innezuwohnen. Dergleichen Wohnungsnot war im 19. Jahrhundert Normalfall; auch Prinz und Prinzessin von Preußen, die späteren Schwiegereltern Vickys, erbettelten sich eigene Häuser, obgleich genügend Quartiere vorhanden gewesen wären. Letztere wohnten im Potsdamer Kavaliershaus kurz nach der Eheschließung und sogar nach der Geburt des Thronfolgers beengt und wenig komfortabel, auch nach damaligen Begriffen. Erst mit dem Hinweis, nun eine richtige Familie zu sein, hatte Wilhelm seinen Vater zur Herausgabe der Mittel bewegen können, sich ein, nein gleich zwei Häuser zu bauen, eins Unter den Linden, das andere in Babelsberg. 1840 war letzteres Gebäude zwar nicht ganz fertig, aber im Wesentlichen nach englischem Muster im Tudorstil errichtet worden.

      Nach der Geburt Victorias setzten die Eltern also das Projekt eines eigenen Sitzes auf die Liste ihrer Probleme. Politisch war die Gelegenheit günstig, denn inzwischen war Sir Robert Peel Premierminister geworden, was nicht nur einen Regierungswechsel bedeutete, und an diesen Menschen wendete sich Albert mit der Bitte, für sie ein geeignetes Anwesen zu suchen. Peel war in der Tat der rechte Mann für solch einen Auftrag; mehr Makler als Politiker, mit allen Wassern der Börse und der Bankmanipulationen gewaschen, ein reicher und rücksichtsloser Gentleman. Der Weg zu einem Grundstücksmakler verbot sich, Albert war mit englischen Krämergeschäften doch schon soweit vertraut, dass er befürchtete, der Preis für ein annehmbares Quartier würde in die Höhe schnellen, wenn der Name und Stand des Kaufinteressenten ruchbar werde. Peel war nicht nur der richtige Mann für diskrete Geschäfte, er musste sich überdies auch als nützlich erweisen, wenn er als Premier ein längeres und auch ein leichteres Leben haben wollte. Das hing zwar nicht nur von der Queen ab, aber ihr Wohlwollen konnte dies und das aus dem Weg räumen. Der kluge Mann baute vor. Victoria hatte ursprünglich nicht einmal mit Peel reden wollen, weil sie ihn für einen Whig hielt, und nach dem sie bei einem Tory, also dem Gegenpart, das Einmaleins der Macht, gerade soweit sie es ausüben durfte, gelernt zu haben meinte. Sie hat immer mehr nach ihrem Gefühl geurteilt, als ihrem Verstand zu vertrauen, und ihr Gefühl riet ihr häufig richtig, was nicht ausschließt, andere Entscheidungen hätten bessere Früchte getragen. Übrigens schwammen weder die Königin, noch Prinz Albert im Geld. Letzterer war wie gesagt bloß ein armer Schlucker, dem das Parlament Ihrer Majestät die Apanage auch noch erheblich kürzte, zum Ärger der Queen, die ein höheres Jahresgehalt für ihren Gatten vorgeschlagen hatte, als dann wirklich bewilligt wurde. Allein solche Gelegenheiten, die Muskeln spielen zu lassen, ließ sich keine Regierung entgehen, keine englische wenigstens. Das Parlament strich also das Gehalt des Prinzgemahls unter dem Vorwand der Sparsamkeit erheblich zusammen. Bis heute ist freilich noch kein bankrotter Staat jemals durch Sparsamkeit saniert worden, sondern eher ruiniert. Immerhin konnte Albert jährlich etwa 30 Tsd. Pfund Sterling einkassieren. Queen Victoria, die eine haushälterische Königin, und keine ganz schlechte Geschäftsfrau gewesen ist, und erheblich besser bezahlt wurde als er, steckte mit all ihren Konten dennoch in den roten Zahlen. Sie hatte es sich in den Kopf gesetzt, die riesigen Schulden ihres verschwenderischen Vaters abzuzahlen, kam aber damit nicht so bald zu Rande, wie sie wohl gedacht haben mag. Andererseits aber wollte die Queen ein anzukaufendes Schloss, Landhaus oder was sich sonst passendes bot, selbst aus ihrer Schatulle bezahlen. Vielmehr blieb ihr kaum etwas anderes übrig. Seit ihrer Inthronisierung, die mit einem ungeheuren Aufwand inszeniert worden war, lag sie dem Staat mit Geldforderungen auf der Tasche. Aus guten Gründen vermied sie den neuerlichen Kraftakt mit ihrem Parlament. Stockmar, ein Deutscher, der englische Politik und Gewohnheiten seit langem sehr genau kannte, hatte schon dem Prinzgemahl Albert bei seinem Eintreffen in England dringend geraten, keine zu hohen Geldforderungen zu stellen. Das hat Albert auch nicht getan, es wäre nur eine nutzlose Plänkelei mit der Regierung Ihrer Majestät dabei herausgekommen, mit einer sicheren Niederlage für das königliche Paar. Auf dergleichen Entscheidungen hatte Victoria keinen Einfluss, sie konnte vorschlagen, aber nicht befehlen.

      Beinahe fünfzig Jahre später sehen wir die alte Queen nunmehr auf der Höhe ihrer Macht und ihres Reichtums die beschwerliche Reise nach Berlin antreten, um nichts geringeres, als ihrer Tochter zu raten, sich beim Tode ihres Gatten ein anständiges Witwengeld zusichern zu lassen. Sie war immer noch die genaue alte Buchhalterin, die streng nach dem verlorenen Pfennig ahndete, und ihre Tochter unterschied sich darin wenig von ihrer Mutter. Wir kommen darauf zurück, wenn wir das Jahr 1888 erreicht haben.

      Inzwischen war ein dem Paar zusagendes Objekt gefunden worden. Peel, der sich mit der Vermittlung des Ankaufes zweier Grundstücke auf der Insel Wight um die Königin und den Prinzgemahl verdient machen wollte, brachte das Wunder der Diskretion zustande, den Ankauf heimlich, ohne Spekulanten abwickeln zu lassen. Niemand, der Interesse an einem hohen Preis hätte haben können, erfuhr von den Besprechungen mit verschiedenen Eigentümern. Verhandelt wurde um Osborne House, auf der Kanalinsel Wight, die durch ein mildes, fast subtropisches Klima ausgezeichnet ist. Der Golfstrom aus der Karibik umspült die Insel im Süden, ehe er seinen Weg nach Norden, entlang der norwegischen Küste fortsetzt. Isle of Wight ist eigentlich nur ein

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