Felix Morak / Meschkas Enkel. Helmut H. Schulz

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Felix Morak / Meschkas Enkel - Helmut H. Schulz

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ich begreife, daß es dir schwerfällt, Hanna zurückzubringen. Da gibt es ja auch diese Pietät, wie man so sagt. Bitte, mag sie auch einen Teil aus dem Erbe bekommen. Aber alles? Nein! Ich sage dreimal nein! Gut, daß ich gekommen bin, als du mich gerufen hast. Konnte ich das denn ahnen? Ich will dir helfen, sonst bliebe alles bei dem, was meine Schwester gewollt hat, ich meine, soweit es Hanna betrifft.«

      Morak traute seiner Schwägerin nichts Schlechtes oder Boshaftes zu. Für ihn war Isolde immer noch die Schwägerin, obwohl der Tod der Schwester ihre Beziehungen womöglich verändern würde.

      »Nun, was sagst du?« drängte sie.

      »Nichts, bin nur der Vormund Hannas. Da reden noch ein paar andere mit; die Klinik, der olle Professor, der sie behandelt hat, die Tunte von der Heimerziehung, das Vormundschaftsgericht, na, und so weiter. Übrigens weiß ich nicht einmal, was genau in dem Testament steht, also es gibt gar keinen Grund sich aufzuregen.« Er unterbrach sich. »Was in Hannas Kopf vor sich geht, das weiß keiner. Und übrigens, ich werde vielleicht bald wieder heiraten; wer kann schon allein leben? Kannst du es?«

      »Natürlich«, sagte sie forsch, »ich tue es ja, und fühle mich sehr wohl dabei.«

      Die Nachricht, daß er so kurz nach dem Tode seiner Frau schon wieder heiraten wollte, brachte aber doch einen neuen Gesichtspunkt in die Sache. Und das angebliche Wohlbefinden in ihren einsamen vier Wänden aufrecht zu erhalten, wäre ihr auch schwer gefallen; sie wiegte unschlüssig den Kopf hin und her. Sie lebte ja allein, aber lebte sie wirklich und lebte sie gut? Das heißt, war sie glücklich, glücklicher als dieser Halbmensch Hanna?

      »Sie hat über zehn Jahre bei uns gelebt, und die Klinik oder eine Gärtnerei will jetzt mit ihr so was wie einen Lehrvertrag schließen. Gartenarbeit, kann sie gut machen. Hanna ist willig, und sie ist angenehm, angenehmer als manch ein sogenannter Gesunder. Leben kann sie bei mir oder bei uns, mal sehen, wie es sich ergibt.«

      »Weshalb soll sie denn nicht ins Heim zurück, wenn die ihr einen Lehrvertrag geben?«

      »Weil sie es nicht will«, sagte er mit Nachdruck.

      »Ach? Die hat auch einen Willen? Der du alles sagen musst? Na, weißt du! «

      »Das wird sich alles demnächst finden«, erklärte er, das Thema wechselnd. »Du könntest mich bei meiner Neuen ein bisschen herausstreichen. Wer bin ich denn? Hätte ich keine Papiere, besser gesagt, keine Vergangenheit, wüsste keiner, daß ich überhaupt auf der Welt bin.«

      »So ein Unsinn«, warf sie entschlossen ein, »ein Kerl wie du!

      Nun, wir werden ja sehen!« Nach diesem Gerede gingen sie weiter auf der Hauptstraße in Richtung Hotel.

      Kapitel 3

      Nach dem Regen war die Kleinstadt um die Mittagsstunde recht belebt. Die schmalen Gehsteige reichten nicht hin, um drei Personen nebeneinander gehen zu lassen. Plötzlich drängte sich Hanna zwischen Morak und seiner Schwägerin; sie tat es so energisch, daß die beiseitegeschobene kleine Frau verblüfft stehenblieb.

      »Na, ist dieses Luder dreist!«

      »Hör auf zu sticheln«, sagte Morak. »Wirst dich daran gewöhnen müssen, daß sie da ist. Du erfährst es ja doch; ich treffe sie morgen zum ersten Mal.«

      Ob dieser Mitteilung verschlug es der Schwägerin die Rede.

      Als sie sich gesammelt hatte, fand sie die Sprache wieder. »Kaum daß meine Schwester unter der Erde ist? Weshalb denn das?«

      »Jetzt ist es genug«, entfuhr es ihm. »Was mischst du dich in meine Angelegenheiten ein? Tot ist tot.« Er steigerte sich noch: »Und was hast du vorhin alles gequatscht? Nimm dich in acht, Isolde!«

      Er atmete tief, rüttelte ärgerlich die Schultern und beruhigte sich wieder. Ahnend, daß ihn diese alte Geschichte, die Mär vom Totschlag, anlässlich dieser Erbschaftsgeschichte wieder einholen könnte, beschloss er der Schwägerin Rede und Antwort zu stehen. Sie würde wohl nicht locker lassen. Mit der Schwester Isoldes hatte er einen gut Teil seines Lebens bereits verbracht, als er für drei Jahre hinter Gitter wanderte, viel mehr wandern sollte. Es kam anders, aber die Tote hätte auch ohne das unbeirrbar zu ihm gehalten. Immerhin entsann er sich auch heute noch mit Scham seines Verbrechens, nein, seiner Feigheit, einem Fehler, von dem er zuvor nichts gewusst hatte.

      Hinter der juristischen Formulierung, fahrlässige Körperverletzung mit Todesfolge, steckte nichts anderes als ein vermeidbarer, also doch tatsächlich fahrlässig herbeigeführter Autounfall. Damals Mitglied der Kampfgruppe seines Betriebes, war er eines Nachts aus dem Bett zu einer Übung gerufen worden, hatte immerhin so viel Verstand besessen, sich mit dem Hinweis zu weigern, schwer berauscht nach einer Familienfeier gerade nach Hause gekommen zu sein. Schließlich war ihm vom Kommandeur der Truppe die Wahl gelassen worden, ein Parteiverfahren mit nicht abzusehenden Folgen hinzunehmen, oder die Fahrt anzutreten, zwei andere zur Übung abzuholen. Daß er nach zwei Tassen starken Kaffee nüchtern und fähig wäre, das Auto zu beherrschen, erwies sich als Fehlentscheidung. In einer Kurve verlor er die Herrschaft über den Wagen, prallte gegen das Wartehäuschen einer Buslinie und riss eine junge Frau in den Tod, er schleifte sie mit, ohne es überhaupt zu bemerken, und wurde erst aufmerksam, als ihn der Beifahrer anschrie und ins Lenkrad griff.

      Bei der Voruntersuchung war dies alles festgestellt worden; inzwischen aber kannte jedermann im Kreis den haarsträubenden Fall. Aber auch die Justiz war in der Klemme; sie konnte sich nicht dumm stellen, musste aber ein klares Urteil vor der Öffentlichkeit begründen.

      Von der Staatsanwaltschaft war Morak zugesichert worden, daß in dieser Strafsache ein Scheinurteil ergehen werde, falls er kooperativ sei und nicht auf der Version beharre, ihm sei keine Wahl geblieben. Zwischen Strafrecht und Parteidisziplin bestehe kein Unterschied, es gäbe also nicht etwa zweierlei Recht; er gab nach. So kam es zunächst auch, in der Hauptverhandlung bekannte er sich schuldig, erhielt drei Jahre Haft ohne Bewährung, was automatisch den Parteiausschluss nach sich zog und natürlich Ehrverlust und die Entlassung von einem leitenden Ingenieurposten. Immerhin saß er wirklich nur einige Monate ab, wurde begnadigt, die Strafe wurde außer Vollzug gesetzt. Im Knast hatte Morak Zeit genug gehabt, über sich nachzudenken, und war zu dem Schluss gekommen, daß es ihm an moralischen Mut mangelte, zumal ihn die durch sein menschliches Versagen Getötete bedrückte. Sein Fall hatte einen exemplarischen Charakter, jeder handelt für sich allein verantwortlich. Jetzt wollte er frei sein, die ganze Freiheit haben, um nach seiner Einsicht zu handeln. Man akzeptierte, um nicht noch mehr Staub aufzuwirbeln, und ermöglichte Morak die unauffällige Existenz eines kleinen Selbständigen.

      Bei dieser Gelegenheit war es also zur ehelichen Gütertrennung gekommen. Zwar ging der Fall Morak dem öffentlichen Gedächtnis schließlich verloren, hatte aber Folgen ganz anderer Art. Seine Frau übernahm als Wiedergutmachung zuerst eine Pflegschaft über Hanna und holte sie bald mit Zustimmung des Arztes und dem Vormundschaftsgericht zu sich. Das Kind hatte bei der Geburt einen Hirnschaden erlitten, der Nachlässigkeit oder der Unwissenheit eines Arztes geschuldet, der den Kaiserschnitt zu spät eingeleitet hatte, als der Kopf des Kindes schon längere Zeit, jedenfalls zulange, im Geburtskanal stecken geblieben war und Sauerstoffmangel eintrat. Die Mutter überlebte die zu spät vorgenommene Operation nicht, und ihr Kind behielt einen Hirnschaden, dessen Folgen im Laufe der Jahre zwar gebessert werden konnten, aber ein vollwertiges Leben, kaum ein Erwerbsleben, würde das Mädchen führen können, es war also auf Hilfe angewiesen. Dies lag mehr als zehn Jahre zurück und hatte das Leben der beiden Eheleute bestimmt.

      Mit dem Tode der Frau und Pflegemutter, als der Nachlass der Verstorbenen geordnet wurde, fand sich

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