Schilfrohr im Winde. Grazia Deledda

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Schilfrohr im Winde - Grazia Deledda страница 4

Автор:
Серия:
Издательство:
Schilfrohr im Winde - Grazia Deledda

Скачать книгу

mit eintönigem Rauschen das Land in den Schlummer wiegt.

      II.

      Im Morgengrauen machte er sich auf den Weg und ließ den jungen Burschen zur Bewachung des Gutes zurück.

       Die Straße führte bis zum Dorf ständig bergauf, und er wanderte langsam auf ihr dahin, weil er im vorigen Jahr das Sumpffieber gehabt und eine große Schwäche in den Beinen zurückbehalten hatte. Hin und wieder blieb er stehen und blickte auf das Gut zurück, das leuchtendgrün zwischen den beiden Feigenhecken ruhte; und die Hütte dort oben, die schwarz zwischen dem Blaugrün des Schilfrohrs und dem Weiß des Felsgesteins nistete, erschien ihm wie ein Nest – ein wirkliches Vogelnest. Jedes Mal, wenn er fortging, betrachtete er sie so, halb zärtlich und halb traurig, ganz wie ein Vogel, der in die Ferne zieht. Ihm war fast, als ließe er dort sein besseres Ich zurück, die Kraft, welche die Einsamkeit, die Abgeschiedenheit von der Welt verleiht; und während er die Straße emporstieg, durch die blühende Heide, vorbei an den Binsen und dem niedrigen Erlengestrüpp am Fluss, kam er sich wie ein Pilger vor, der mit einem kleinen härenen Sacke auf der Schulter und einem Holunderstabe in der Hand auf einen Ort der Buße zustrebt: die Welt.

      Doch des Herrn Wille geschehe immerdar! Und plötzlich öffnete sich das Tal vor seinen Blicken, und wie auf einem gewaltigen Schutthaufen taucht auf der Kuppe eines Hügels die alte Schlossruine auf. Aus einem schwarzen Gemäuer blickt ein blaues, leeres Fenster wie das Auge der Vergangenheit auf die schwermütige, rötlich im Schein der aufgehenden Sonne erglühende Landschaft herab, auf die sanft gewellte, grau und gelb gefleckte Ebene, auf das silbergrüne Band des Flusses, auf die weißen Dörfchen, die langgeschwungenen Höhen und die blaugoldene Wolke der Nuoreser Berge in der Ferne.

       Klein und schwarz schreitet Efix in die strahlende Helle hinein. Die schrägen Sonnenstrahlen fluten leuchtend über das Land; jede Binse trägt ein Silbergespinst, aus jedem Wolfsmilchgebüsch steigt ein Vogelruf; und dort winkt auch schon der grün und weiß gescheckte, von Schatten und Sonnenstreifen durchfurchte Kegel des Galteberges, und an seinem Fuße ruht das kleine Dorf, das nur aus Schutt und Trümmern zu bestehen scheint: aus den Resten der alten Römerstadt.

      Lange geborstene Mauern, eingestürzte Häuser ohne Dach, zerfallene Höfe und verwilderte Gärten, noch ziemlich gut erhaltene Hütten, die aber fast noch trauriger anmuten als all die Trümmer, säumen die steilen, in der Mitte mit mächtigen Sandsteinquadern gepflasterten Straßen ein; Lavabrocken liegen umher und erwecken den Anschein, dass ein Erdbeben die alte Stadt zerstört und die Bewohner in alle Winde zerstreut habe; da und dort taucht auch ein neues Haus fast schüchtern in der trostlosen Öde auf, und Granatapfel- und Johannisbrotbäume, etliche Feigensträucher und Palmen verleihen der traurigen Stätte ein freundlicheres Gepräge.

      Aber je höher Efix stieg, desto öder und verlassener wurde es um ihn her, und zu allem Überfluss ragten dort am Straßenrand, im Schatten des Berges, zwischen dichtem Brombeer- und Wolfsmilchgestrüpp, auch noch die Überreste eines alten Kirchhofs und die zerfallene Basilika düster in den Himmel. Die Straßen waren wie ausgestorben, und die Felsen auf der Bergkuppe schimmerten wie Leichensteine ins Land.

       Efix machte vor einem großen, an den alten Friedhof grenzenden Tor halt. Die beiden Tore waren fast gleich; drei verwitterte, grasüberwucherte Stufen führten zu ihnen empor. Aber während das Tor des alten Kirchhofs nur von wurmstichigem Gebälk überdacht war, wölbte sich über dem der Damen Pintor ein steinerner Rundbogen, und auf dem Pfeiler war ein verblasstes Wappen angedeutet: ein Ritterkopf mit einem Helm und ein mit einem Schwert gewappneter Arm. Darunter stand als Wahlspruch: Quis resistit hujas?

      Efix schritt durch den weiten, viereckigen Hof, durch den sich ein breiter, wie das Straßenpflaster aus Sandsteinquadern zusammengefügter Rinnstein zog, nahm den Sack von den Schultern und blickte um sich, ob nicht eine seiner Herrinnen zu sehen sei. Das einstöckige Haus erhob sich am Ende des Hofes, im Schutz des Berges, der wie eine riesige, weiß und grün gescheckte Haube auf ihm zu ruhen schien.

      Drei kleine Türen gähnten unter einer Holzveranda, die um das ganze Haus lief und zu der außen eine morsche Stiege emporführte. Ein schwärzliches Seil, das um die in der untersten und obersten Stufe eingerammten Nägel geknotet war, ersetzte das abgebrochene Geländer. Die Türen, die Stützen und das Geländer der Veranda waren zierlich geschnitzt, aber alles drohte einzustürzen, und es sah aus, als wenn das schwarzverwitterte, wurmstichige Holz beim geringsten Lufthauch zu Staub zerfallen müsste.

       Eine kleine, beleibte, schwarzgekleidete Frau, die ein weißes Tuch um das dunkle, eckige Gesicht trug, trat auf die Veranda; sie beugte sich über das Geländer, erblickte den Knecht, und ihre schwarzen, mandelförmigen Augen leuchteten freudig auf.

      »Ah – Fräulein Ruth! Guten Morgen, Herrin!«

      Hurtig kam Fräulein Ruth die Treppe herab, mit dicken Beinen, die in dunkelblauen Strümpfen steckten. Sie lächelte ihn freundlich an und ließ die schneeweißen Zähne unter der von einem zarten Flaum beschatteten Lippe sehen.

      »Und Fräulein Esther? Und Fräulein Noemi?«

      »Esther ist zur Messe gegangen, Noemi steht eben auf. Herrliches Wetter, Efix! Und wie steht es mit dem Gut? «

      »Gut, gut – Gott sei Dank, sehr gut. «

      Auch die Küche hatte einen mittelalterlichen Einschlag: groß, niedrig, mit einer rußgeschwärzten Balkendecke. Zu beiden Seiten des gewaltigen Herdes lief eine geschnitzte Holzbank an der Wand entlang; durch das Gitter des Fensters sah die grüne Berglehne herein. An den kahlen, rötlichgrauen Wänden waren noch die Spuren der nach und nach verschwundenen Kupferpfannen zu bemerken; und die verrosteten Nägel, an denen einst die Sättel, Harnische und Waffen hingen, waren wie zur Erinnerung dort geblieben.

      »Nun, Fräulein Ruth? « fragte Efix, während die Herrin einen kleinen kupfernen Kaffeekessel auf das Feuer setzte. Aber sie wandte ihm nur das breite, dunkle, weißumrahmte Gesicht zu und bedeutete ihn durch ein Blinzeln, sich noch eine Weile zu gedulden.

      »Hol mir doch einen Eimer Wasser, bis Noemi herunterkommt!«

       Efix holte den Eimer unter der Bank hervor, ging auf die Tür zu, schaute sich aber auf der Schwelle noch einmal scheu und fragend um und betrachtete sinnend den schwankenden Eimer.

      »Der Brief war wohl von Don Giacinto? «

      »Der Brief? Es ist ein Telegramm ...«

      »Barmherziger Gott! Es ist ihm doch nichts zugestoßen? «

      »Nein, gar nichts. Geh jetzt ...«

      Es war zwecklos, weitere Fragen zu stellen, bevor Fräulein Noemi herunterkam; denn obwohl Fräulein Ruth die älteste der drei Schwestern war und die Hausschlüssel verwahrte – viel zu verwahren gab es allerdings nicht mehr –, tat sie doch nie etwas aus freien Stücken und wies jede Verantwortung von sich.

      Er ging auf den Brunnen zu, der wie ein riesiges, in einem Winkel des Hofes aufgeworfenes Hünengrab aussah und eingefasst war von mächtigen Sandsteinblöcken, auf denen in alten zerbrochenen Töpfen Goldlack und Jasmin blühten. Ein Jasminzweig rankte sich an der Mauer empor und lugte über sie hinweg, wie um zu sehen, was es dort draußen gäbe in der Welt.

      Wie viele Erinnerungen weckte dieser düstere, moosbewachsene Winkel mit dem hellen Braun des Goldlacks und dem zarten Grün des Jasmins im Herzen des Knechts!

       Er glaubte Fräulein Lia wieder bleich und schmal wie eine Binse auf der Veranda stehen zu sehen, die Augen starr in die Ferne gerichtet, als wollte auch sie ergründen, was

Скачать книгу