Schilfrohr im Winde. Grazia Deledda

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Schilfrohr im Winde - Grazia Deledda

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»Richtig«, bekräftigte Efix sinnend. »Wer adligen Geblütes ist, der bleibt es auch, Fräulein Ruth. Sie finden eine alte Münze auf dem Boden, glauben zunächst, sie sei aus Eisen, weil sie ganz schwarz angelaufen ist; doch reiben Sie sie dann blank, so sehen Sie, daß sie aus lauterem Gold ist ... Gold bleibt Gold ...«

      Ruth erkannte, dass sie Noemis verwerflichen Stolz nicht zu entschuldigen brauchte vor Efix, und da sie sich stets willig der Meinung der anderen anschloss, heiterte sich ihr Gesicht wieder auf.

      »Weißt du noch, wie stolz mein Vater war?« sagte sie und wühlte die roten, blaugeäderten Hände wieder in den blassen Teig. »Er sprach genauso. Er hätte Giacinto sicher nicht einmal erlaubt, an Land zu gehen. Was meinst du, Efix?«

      »Ich? Nun, ich bin zwar nur ein armer Knecht, aber ich meine, Don Giacinto wäre trotzdem an Land gegangen.«

      »Du meinst, er ist der Sohn seiner Mutter«, seufzte Ruth, und auch der Knecht seufzte leise. Immer und immer wieder umhüllte sie der Schatten der Vergangenheit.

      Aber der Alte machte eine abwehrende Geste, wie um diesen Schatten zu verscheuchen, und während er mit aufmerksamen Augen die Bewegungen der roten Hände verfolgte, die den weißen Teig walkten, kneteten und schlugen, fuhr er ruhig fort:

       »Er ist ein guter Junge, und der Himmel wird ihm helfen. Aber man muss darauf achten, dass er sich nicht das Sumpffieber holt. Ferner sollte man ein Pferd für ihn kaufen, weil die Leute dort – auf dem Festland nicht gewohnt sind, zu Fuß zu gehen. Aber das lasst meine Sorge sein. Das Wichtigste ist, dass die Herrinnen untereinander einig sind.«

      »Und sind wir das nicht? Hast du uns vielleicht streiten hören? Willst du jetzt nicht lieber zur Messe gehen, Efix?«

      Da begriff er, dass sie ihn verabschiedete, und ging in den Hof. Aber er blickte um sich, ob er nicht auch noch gleich mit Fräulein Noemi sprechen könnte. Ah – dort steht sie ja auf der Veranda und holt gerade die Decke herein. Sie herunterzubitten, ist wohl zwecklos; nein, er muss schon selbst zu ihr hinaufgehen.

      »Fräulein Noemi, dürfte ich Sie etwas fragen? Freuen Sie sich eigentlich?«

      Erstaunt, mit der Decke unterm Arm, sah Noemi ihn an.

      »Über was denn?«

      »Nun, dass Don Giacinto kommt. Sie werden sehen, er ist ein guter Junge.«

      »So? Wo hast du ihn denn kennengelernt?«

      »Das sieht man doch schon aus seinen Briefen. Er wird es bestimmt zu etwas bringen. Man muss ihm ein Pferd kaufen ...«

      »Und auch die Sporen dazu, natürlich ...«

      »Hauptsache ist, dass die Herrinnen untereinander einig sind. Ja, das ist das Wichtigste.«

      Sie zupfte ein Fäserchen von der Decke und warf es in den Hof; ihr Gesicht hatte sich verdüstert.

      »Wann sind wir schon einmal nicht einig gewesen? Ich denke, bisher doch immer.«

       »Ja – aber – mir scheint, Sie freuen sich nicht über die Ankunft Don Giacintos.«

      »Soll ich vielleicht einen Freudengesang anstimmen? Er ist doch kein Messias«, sagte sie und verschwand in der Tür, durch die man in ein helles Zimmer sah, mit einem alten Bett, einem alten Kleiderspind und einem scheibenlosen Fensterchen, das auf die grüne Berglehne ging.

      Efix stieg die Treppe hinunter, pflückte eine kleine rötliche Goldlackblüte, hielt sie zwischen den auf dem Rücken verschränkten Händen und ging so nach der Basilika.

      Die Stille und Kühle des ragenden Berges lagerte über allen Dingen. Nur das Gezwitscher der Drosseln in den Brombeersträuchern belebte die Gegend und mischte sich mit dem eintönigen Beten der Frauen in der Kirche. Auf den Zehenspitzen, mit der Goldlackblüte in der Hand, trat Efix ein und kniete hinter der Kanzelsäule nieder.

       Die Basilika zerfiel von Jahr zu Jahr mehr; alles war dort grau von Feuchtigkeit und Moder. Durch die Ritzen im Holzdach fluteten die schrägen Sonnenstrahlen silbrig flimmernd über die Köpfe der knienden Frauen, und die Heiligenfiguren, die sich bräunlich vom schwarzen, rissigen Grund der noch die Wände schmückenden Bilder abhoben, glichen diesen schwarz und blau gekleideten Frauengestalten, die alle gelblichblasse Gesichter hatten, eine eingefallene Brust und einen schweren, vom Sumpffieber aufgetriebenen Leib. Auch ihr Gebet hatte einen schweren, eintönigen Klang, der wie aus weiter Ferne, wie aus einer längst versunkenen Zeit herüber zu zittern schien. Jetzt drehte sich der Priester im schwarzen, weißverzierten Chorgewand langsam mit erhobenen Händen um; ein Strahlenbündel spielte um sein bleiches Haupt wie um das eines Propheten. Und hätte der kleine Mesner nicht dann und wann das silberne, helltönige Glöckchen in der Luft geschwenkt, wie um den Spuk ringsum zu bannen, so hätte Efix trotz der blendenden Lichtflut, trotz des Gezwitschers der Vögel geglaubt, einer Geistermesse beizuwohnen. Dort sind sie alle noch, genau wie früher: Don Zame, der in seinem Betstuhl kniet, und etwas abseits Fräulein Lia, die so blaß in ihrem schwarzen Tuch aussieht, fast wie die Gestalt auf dem alten Gemälde dort, zu dem die Frauen ab und zu emporschauen. Es ist das Bild der Büßerin Magdalena, das nach der Wirklichkeit gemalt sein soll. Liebe und Trauer, Hoffnung und Reue lachen und weinen aus ihren unergründlichen Augen, spielen um ihren schmerzlichen Mund.

      Da verstummte der Gesang der Frauen plötzlich, und einige rüsteten sich zum Aufbruch. Efix, der die ganze Zeit sein Haupt an die Säule der Kanzel gelehnt hatte, schreckte aus seinen Träumen auf und folgte Fräulein Esther, die nach Hause ging, ins Freie.

       Die schon hoch am Himmel stehende Sonne glühte auf das Dörfchen herab, das verlassener als je in der blendenden Helle des heißen Mittags dalag. Die aus der Kirche strömenden Frauen verschwanden da und dort, lautlos wie Gespenster, und wieder hüllten tiefe Einsamkeit und Stille das Haus der Damen Pintor ein. Fräulein Esther trat an den Brunnen, um ein Nelkenpflänzchen mit einem kleinen Brett vor der Sonne zu schützen, eilte dann flink die Treppe hinauf und schloss Türen und Fenster. Der Boden der Veranda knarrte unter ihren Schritten, und von der Mauer und dem morschen Holz rieselte grauer Staub wie Asche herab.

      Efix wartete, dass sie wieder herunterkommen sollte. In der Sonne auf den Stufen sitzend, die Mütze tief in die Stirn gezogen, um sein Gesicht ein wenig zu beschatten, schnitzte er mit seinem Taschenmesser einen Pfahl zurecht, den Fräulein Ruth vor dem Eingang anbringen wollte. Aber die im Sonnenlicht blitzende Klinge blendete seine Augen, und die welke Goldlackblüte zitterte auf seinen Knien. Er fühlte seine Gedanken verworren kreisen und dachte an das Sumpffieber, das ihm im vorigen Jahre schwer zugesetzt hatte.

      Sollte es mich schon wieder am Kragen haben?

      Da kam Fräulein Esther mit einem Blumentopf in der Hand wieder herunter; er rückte zur Seite, um sie vorbeizulassen, und hob das von der Mütze beschattete Gesicht.

      »Sie gehen doch nicht mehr fort, Herrin?«

      »Wohin soll ich denn gehen um diese Zeit? Zum Mittagbrot hat mich doch niemand eingeladen.«

      »Ich möchte Ihnen gern etwas sagen. Freuen Sie sich eigentlich?«

      »Über was denn, mein Lieber?«

      Sie war wie eine Mutter zu ihm, aber ziemlich stolz; sie hatte stets nur den Knecht in ihm gesehen.

      »Nun – nun, dass ihre Schwestern beide damit einverstanden sind, daß Don Giacinto herkommt.«

      »Freilich freue ich

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