Schilfrohr im Winde. Grazia Deledda

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Schilfrohr im Winde - Grazia Deledda

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Glück machen. Man sollte ihm ein Pferd kaufen. Aber ...«

      »Aber?«

      »Aber man darf ihm von Anfang an nicht zu viel Freiheit lassen. Die jungen Leute sind alle gleich. Ich erinnere mich noch: wenn mir in meiner Jugend jemand den kleinen Finger gab, nahm ich gleich die ganze Hand. Und dann – Sie wissen doch, Fräulein Esther – die Pintors sind ein herrisches Geschlecht ...«

      »Wenn mein Neffe kommt, Efix, werde ich zu ihm sagen wie zu einem Gast: Setz dich und tue so, als wärest du hier zu Hause. Trotzdem wird er merken, dass er nur ein Gast ist.«

      Da stand Efix auf und schüttelte die Späne des Pfahls von seinen Ärmeln. Alles ging gut, und trotzdem bewegte ihn ein Gefühl von Unruhe; er hatte noch etwas auf dem Herzen, wagte aber nicht zu sprechen.

      Langsam folgte er der Herrin, nahm die Mütze ab, um den Pfahl besser einrammen zu können, und wartete wieder geduldig, bis Fräulein Esther zurückkam, um Wasser am Brunnen zu schöpfen.

      »Kommen Sie, geben Sie her!« sagte er und nahm ihr den Eimer ab; und während er Wasser schöpfte, schaute er unverwandt in den Brunnen, um seiner Herrin nicht ins Gesicht blicken zu müssen; denn er schämte sich, den Lohn zu verlangen, den sie ihm noch schuldete.

      »Sagen Sie, Fräulein Esther – ich sehe die Schilfbündel gar nicht mehr. Haben Sie sie verkauft?«

       »Ja, ich habe sie zum Teil verkauft, an einen Händler aus Nuoro. Den Rest haben wir zum Ausbessern des Daches verwandt, und auch zur Bezahlung des Maurers. Du weist doch, der Sturm hat am letzten Fastentag die Schindeln entführt.«

      Und so drang er nicht weiter in sie. Es gibt so viele Wege, wie man seine Dinge ordnen kann, ohne den Leuten weh zu tun, die man gern hat. Deshalb machte er sich auf den Weg zur Wucherin Kallina und begrüßte unterwegs die Großmutter des jungen Burschen, der zur Bewachung des kleinen Gutes zurückgeblieben war. Groß und dürr, mit welkem, von einem schwarzen Tuche eingerahmtem Gesicht saß die Alte auf den Stufen vor ihrem verwitterten Häuschen und strickte. An ihrem langen, gelben, runzligen Hals hing eine Korallenkette, an ihren Ohren glitzerten zwei goldene Ohrringe wie leuchtende Wassertropfen, und es schien fast, als hätte sie im Altern ganz vergessen, diesen Schmuck ihrer Mädchenjahre abzulegen.

      »Gott zum Gruß, Muhme Pottoi! Wie geht's uns? Der Junge ist auf dem Gut geblieben, kommt aber heute Abend zurück.«

      »Ah – du bist es, Efix! Der Herr sei mit dir. Na, von wem war denn der Brief? Vom jungen Herrn Giacinto? Nehmt ihn gut auf, wenn er kommt. Schließlich kehrt er doch ins Haus seiner Väter heim, ist Don Zames Seele, denn die Seelen der Alten leben in den Jungen weiter. Sieh dir bloß Grixenda, meine Enkeltochter, an! Die ist vor sechzehn Jahren, an Christi Himmelfahrt, zur Welt gekommen, während ihre Mutter starb. Nun, schau sie doch an, ist sie der Mutter nicht wie aus dem Gesicht geschnitten? Dort kommt sie gerade ...«

       Und richtig kommt Grixenda dort vom Fluss herauf, mit einem Wäschekorb auf dem Kopf: groß, schlank, den Rock über die schimmernden Beine hochgestreift, die schmal und kerzengerade sind wie die eines Rehs. Und von einem Reh hat sie auch die länglich geschnittenen Augen, die feucht in dem blassen, ebenmäßigen Gesicht glänzen. Ein rotes Band presst den zarten Busen unter dem über dem Hemd ausgeschnittenen Mieder zusammen.

      »Ei – sieh an, Gevatter Efix!« rief sie freundlich und rauh zugleich, stellte den Korb auf seinen Kopf und wühlte in seinen Taschen. »O – wie garstig! Den ganzen Tag denke ich an Sie, und Sie haben mir nichts mitgebracht – nicht einmal eine Mandel.«

      Efix ließ sie gewähren und freute sich ihrer Anmut. Die Alte aber mit dem starren Gesicht und den gläsernen Augen sagte sanft:

      »Der gute Don Zame selig kehrt zurück.«

      Da erstarrte Grixenda plötzlich, und ihr hübsches Gesicht und ihre schönen Augen glichen nun fast denen ihrer Großmutter.

      »Don Zame kehrt zurück?«

      »Ach, genug mit diesem Unsinn«, sagte Efix und stellte den Korb vor die Füße des Mädchens; aber dieses lauschte wie gebannt den Worten der Alten, und auch er glaubte, als er weiter die Straße entlangschritt, die Vergangenheit aus jedem Mauerwinkel dräuen zu sehen. Dort hinten auf der Steinbank vor dem grauen Haus des Milese sitzt ein dicker Mann in einer Samtjoppe, deren helles Braun das rote Gesicht und den schwarzen Bart klar hervorhebt.

       Ist das nicht Don Zame? Wie er sich in die Brust wirft, die Daumen in den Westentaschen, die anderen roten Finger um die goldene Uhrkette gekrampft! Den ganzen Tag sitzt er dort, um die Vorübergehenden zu beobachten und zu verspotten. Aus Angst vor seiner bösen Zunge schlägt manch einer einen anderen Weg ein, so auch Efix, um unbemerkt das Haus der Wucherin zu erreichen.

      Eine Feigenhecke umgab wie eine mächtige Mauer den Hof der Muhme Kallina. Sie saß am Spinnrocken: klein, mit bloßen, in gestickten Filzschuhen steckenden Füßen, mit aschgrauem Gesicht und golden im Schatten des zurückgestreiften Kopftuches funkelnden Raubvogelaugen.

      »Ei, lieber Efix! Wie geht's? Was machen deine Damen? Und was führt dich zu mir? Komm, nimm Platz, verschnaufe dich ein wenig!«

      Schläfrige Hennen, die sich unter dem Gefieder krauten, muntere Katzen, die hinter ein paar rosigen Schweinchen herjagten, weiße und blaugraue Tauben, ein angepflockter Esel und die Schwalben in der Luft gaben dem Hof etwas von einer Arche Noah. Das Häuschen schmiegte sich an das alte, neu instand gesetzte Haus des Milese, das wohl ein neues Dach hatte, dessen Mauern aber da und dort zerbröckelt waren wie unter den Krallen der Zeit, die sich ihre Beute nicht ungestraft rauben lassen wollte.

      »Das Gut?« sagte Efix, der sich neben der Alten an die Wand lehnte. »Das blüht und gedeiht. Heuer werden wir mehr Mandeln haben als Blätter. Und dann werde ich dir alles bezahlen, Kallina. Sei unbesorgt ...«

      Sie runzelte die kahlen Brauen und folgte mit den Augen dem Garn ihrer Kunkel.

       »Sieh an, daran habe ich nicht einmal gedacht! Wären alle wie du, dann wären die sieben Taler, die du mir schuldest, im Nu hundert.«

      Der Kuckuck soll dich holen! Dachte Efix. Zu Weihnachten hast du mir vier Taler geborgt, und jetzt sind es schon sieben!

      »Nun, Kallina,« setzte er leise hinzu und senkte den Kopf, als wenn er mit den Schweinchen spräche, die zudringlich seine Füße beschnupperten, »gib mir noch einen Taler dazu. Dann sind es im Ganzen acht, und im Juli werde ich sie dir, so wahr die Sonne scheint, auf Heller und Pfennig zurückbezahlen ...«

      Die Wucherin gab ihm keine Antwort; aber sie musterte ihn vom Kopf bis zu den Füßen und ballte abwehrend die Faust gegen ihn.

      Efix zuckte zusammen und packte sie am Handgelenk, während die Schweinchen vor den Katzen flüchteten und die Hühner aufgeregt durcheinanderflatterten bei diesem Lärm.

      »Zum Teufel, Kallina! Wenn's nicht solche Käuze gäbe auf der Welt wie mich, könntest du dein Wuchergeschäft an den Nagel hängen und Blutegel fangen gehen.«

       »Lieber Blutegel fangen, als sich aussaugen lassen von einem solchen Tropf, wie du es bist! Ja, du Narr, ich borge dir den Taler. Meinetwegen auch gleich zehn oder hundert, wenn du willst. Borge ich sie doch auch anderen, angeseheneren Leuten als dir, deinen Herrinnen zum Beispiel. Aber verwünschen werde ich dich stets, solange du ein solcher Narr bleibst – mit anderen Worten, bis zu deinem Tode. Warte, ich hole jetzt das Geld ...«

      Und sie ging ins Haus und holte fünf Silberlire.

      Mit

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