Schilfrohr im Winde. Grazia Deledda

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Schilfrohr im Winde - Grazia Deledda

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deinen Damen einen schönen Gruß und sag, ich wünschte ihnen ewige Jugend.«

      Aber er war gewillt, allen Spott zu ertragen, um bei Ankunft des jungen Herrn Giacinto schmuck und sauber auszusehen. Ihm zu Ehren wollte er sich eine neue Mütze kaufen, und so stieg er denn in Mileses Laden hinab und ließ sich sogar herbei, den Mann zu grüßen, der auf der Bank saß. Es war Don Predu, der reiche Verwandte seiner Herrinnen.

      Don Predu würdigte ihn nur eines verächtlichen Kopfnickens, spitzte aber neugierig die Ohren, um zu hören, was der Knecht wohl kaufe.

      »Ich möchte eine Zipfelmütze, Antonio. Aber hübsch lang muß sie sein und nicht voll Mottenlöcher.«

      »Ich habe sie doch nicht aus dem Haus deiner Damen geholt«, erwiderte Milese, der berüchtigt war wegen seiner scharfen Zunge. Und Don Predu räusperte sich draußen zum Zeichen seiner Zustimmung, während der Kaufmann eine kleine Leiter emporkletterte.

      »Alles altert und alles kann sich erneuern – so wie das Jahr«, entgegnete Efix, der mit den Blicken der ausgemergelten Gestalt Mileses folgte, der nach altem Brauch noch eine Ziegenfellweste trug.

       Das Lädchen war klein, aber gedrängt voll. Auf den Regalen leuchteten scharlachrote Stoffballen, und daneben schimmerte giftgrün der Minzenlikör in bauchigen Flaschen; die Mehlsäcke machten sich mit ihren weißen Leibern über den schwarzen Höckern der Heringsfäßchen breit, und in dem kleinen Schaufenster lächelten die nackten Frauen aus den Ansichtskarten gnädig auf das ranzige Backwerk in den Blechbüchsen und auf die bunten Seidenbänder herab.

      Indes Milese die langen schwarzen Tuchmützen aus einer Schachtel nahm und Efix mit gespreizter Hand ihre Weite maß, öffnete jemand die kleine Tür zum Hof; und in ihrem von Weinlaub umrankten Rahmen wurde eine stattliche Frauengestalt sichtbar, die auf einer breiten Truhe thronte und mit sanften Bewegungen Flachs spann, fast wie eine Königin der Vorzeit.

      »Dort sitzt meine Schwiegermutter. Frag sie doch, ob diese Mützen mich nicht selbst neun Peseten kosten,« sagte Milese, während Efix eine von ihnen aufsetzte, sie tief in die Stirn zog und die Quaste fein säuberlich auf den Scheitel legte. »Du hast dir gleich die feinste ausgesucht; du bist gar nicht so bescheiden, wie es immer heißt.«

      »Die ist zu eng.«

      »Weil sie noch neu ist. Mann Gottes! Nimm sie ruhig. Neun Peseten – das ist so gut wie nachgeworfen.«

      Efix nahm sie ab und zog sie nachdenklich glatt; schließlich legte er das Geld der Wucherin auf den Tisch.

       Don Predu sah zur Tür herein, und der Umstand, daß Efix eine so prächtige Mütze kaufte, machte auch Mileses Schwiegermutter stutzig. Mit einer stummen Kopfbewegung winkte sie den Knecht zu sich und fragte ihn feierlich, wie es seinen Herrinnen gehe. Letzten Endes waren sie doch aus adligem Hause, und nur ein Emporkömmling, ein reichgewordener Hausierer wie ihr Schwiegersohn Milese konnte es an der schuldigen Achtung vor ihnen fehlen lassen.

      »Grüße sie herzlich von mir und sage Fräulein Ruth, ich würde sie bald einmal besuchen. Wir waren doch stets gute Freundinnen, obwohl ich nicht von altem Adel bin wie sie.«

      »Herzensadel ist auch ein Adel«, erwiderte Efix höflich; doch sie drehte nur die Kunkel flüchtig in der Hand, als wollte sie sagen: Sprechen wir nicht davon!

      »Auch mein Bruder, der Pfarrer, schätzt deine Herrinnen sehr. Er fragt mich immer: ›Wann werden wir wieder einmal mit den Damen zum Marienfest pilgern?‹«

      »Ja«, fuhr sie fast wehmütig fort, »früher, als wir noch jung waren, da gingen wir immer alle zusammen zum Fest. Damals freute man sich noch über jede Kleinigkeit. Heutzutage aber scheinen die Leute sich des Lachens geradezu zu schämen.«

      Efix legte sorgfältig seine Mütze zusammen.

      »So Gott will, werden meine Herrinnen dieses Jahr auch wieder zu dem Fest pilgern – um zu beten, nicht zum Vergnügen ...«

      »Das freut mich. Und sag mal, wenn ich fragen darf: Ist es wahr, dass Lias Sohn herkommt? Man erzählte es sich heute Morgen im Laden.«

       Da Milese an die Tür gegangen war und über irgendetwas lachte, was Don Predu ihm zuraunte, rief Efix mit betonter Würde: »Ja, es ist wahr. Deshalb bin ich ja im Dorf; ich soll ein Pferd für ihn kaufen.«

      »Ein Schaukelpferd?« fragte nunmehr Don Predu und lachte dröhnend. »Ach so, deshalb sah ich dich auch vorhin aus der Höhle der alten Kallina kommen.«

      »Und was kümmert Sie das? Sie haben wir doch noch nie um etwas gebeten.«

      »Das walte Gott, du alter Narr. Ich würde euch auch nichts geben. Aber einen guten Rat hab' ich für euch: Lasst den Jungen, wo er ist!«

      Aber Efix hatte den Laden schon stolzen Hauptes verlassen und eilte, ohne etwas zu erwidern, mit der Mütze unterm Arm davon.

      III.

      Vergebens warteten die Damen Pintor in den nächsten Tagen und Wochen auf ihren Neffen.

      Esther ließ besonderes Brot backen: Weißbrot, locker und zart wie eine Hostie, wie man es nur an hohen Festtagen bäckt; und ohne Wissen ihrer Schwestern kaufte sie insgeheim auch noch einen kleinen Korb Backwerk. Schließlich kam doch ein Gast zu Besuch, und die Gastfreundschaft ist heilig. Ruth aber träumte Nacht für Nacht von der Ankunft des Neffen und hielt jeden Tag um drei Uhr – der Stunde, wo die Postkutsche ankam – vom Hoftor Ausschau. Aber die Zeit verging, und ringsum blieb alles still und unverändert.

       In den ersten Tagen des Mai blieb Noemi allein im Hause, weil die Schwestern zum Feste Unserer Lieben Frau pilgerten, wie jedes Jahr, schon seit undenklicher Zeit. Zur Buße, wie sie sagten, doch auch zum Vergnügen.

      Noemi fand weder an dem einen noch an dem anderen Gefallen; aber als sie an jenem langen, leuchtenden Nachmittag im warmen Schatten des Hauses saß, begleitete sie in wehmütigem Sinnen die Schwestern auf ihrem Weg. Sie sah das graue, runde Kirchlein wieder, das an ein großes, im Gras des weiten Hofes verstecktes Nest erinnerte; sah die steinernen Hütten in der weiten Runde, zwischen denen sich eine bunte, malerische Menge wie ein Zigeunerstamm tummelte; sah die rohgezimmerte Aussichtswarte über der dem Pfarrer zugedachten Hütte, die blaudunstige Ferne, die rauschenden Bäume und das zwischen den silbernen Dünen schimmernde Meer. Und während sie an all diese Dinge dachte, hätte sie am liebsten geweint; aber sie biß sich auf die Zunge und schämte sich ihrer Rührung.

      Jedes Jahr erfüllte der Frühling sie mit dieser seltsamen Unruhe. Aber sie spürte, dass es nur eine vorübergehende Stimmung war, eine Anwandlung von Schwäche, die sich mit der ersten Sommerschwüle wieder verlor. Sehnsüchtig ließ sie ihre Gedanken schweifen, ganz der einschläfernden Stille hingegeben, die in der Runde lagerte: über den roten Mohnblumen im Hof, über der Berglehne, über die dann und wann der Schatten einer Wolke glitt, über dem ganzen Dörfchen, dessen Bewohner fast alle auf dem Fest waren.

      Und wieder weilte sie in Gedanken dort.

       Ihr dünkt, sie sei noch ein junges Mädchen und stehe auf der Warte über der Hütte des Pfarrers, an einem sanften Abend im Mai. Kupferrot taucht die Mondscheibe aus dem Meer. Klagend und seufzend tönen die Klänge der Ziehharmonika durch den Hof, in dem ein helles Reisigfeuer flackert, und sein rötlicher Schein hebt von dem Grau der Mauer klar die schlanke, braune Gestalt des Musikanten und die bläulichen Gesichter der jungen Mädchen und Burschen ab, die den sardischen Reigen tanzen. Gespenstisch wirbeln

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