Fälschung. Ole R. Börgdahl

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Fälschung - Ole R. Börgdahl

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höchsten Punkt am Himmel verlassen, strahlte ihr aber immer noch warm und wohlig ins Gesicht. Sie schloss die Augen und musste sich beherrschen, nicht einzuschlafen. Sie hörte das sanfte Rauschen der Wellen, die vor ihr auf den Strand rollten. Jedes Mal, wenn die Gischt schäumte, kroch ihr der salzige Geruch angenehm in die Nase. Sie streckte sich schließlich ganz aus und ließ ihrer Müdigkeit freien Lauf.

      Sie wusste nicht, wie lange sie am Strand gelegen hatte und ob sie wirklich eingeschlafen war. Die Zeit war ihr heute nicht wichtig. Als sie die Holztreppe wieder nach oben stieg, stand die Sonne schon dicht über dem Horizont. Sie ging durch den Garten zu ihrem Haus. Sie hatte noch immer keine Lust ihre Koffer auszupacken. Sie setzte sich in einen der Korbsessel auf der hinteren Veranda und trank ein Glas Wein. Es war nicht der Wein, den sie im Flugzeug erhalten hatte. Es war ein Bordeaux, der von einer früheren Reise stammte. Die Sonne ging langsam unter und Florence sah das Meer durch die Bäume glitzern. Die Sonnenstrahlen reflektierten in den sanften Wellen, weit draußen.

      *

      Das Krankenhaus lag am Rande von Taiohae, etwa fünf Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Die Straßen waren innerhalb Taiohaes gut ausgebaut, aber auch in den näheren Randbezirken mit seinen Wohngebieten, gab es geteerte Straßen und Wege. Das typische Bild auf Nuku Hiva und den anderen bewohnten Inseln der Marquesas waren aber unbefestigte Trassen, zumeist nur mit Sand oder Steingeröll aufgeschüttet. Das tropische Klima in diesen Breiten des Pazifiks, mit seinen zum Teil heftigen Regenfällen, konnte die Wege und Straßen leicht zu Schlammpisten verwandeln, die auch mit einem geländegängigen Fahrzeug nur schwer befahren werden konnten.

      Das Krankenhaus auf Nuku Hiva bestand aus einem zweistöckigen Hauptgebäude, an das ein langgestreckter Flachbau angesetzt war. Vor dem Gebäudekomplex befand sich außen ein überdachter Weg, der zu den Eingängen der Stationen führte. Im Krankenhaus gab es alle wichtigen Abteilungen und medizinischen Einrichtungen. Eine gynäkologische Station, die Innere Medizin, Röntgenlabor, Augenklinik, Orthopädie. Die Apotheke der Familie Uzar war im Hauptgebäude, unmittelbar im Eingangsbereich des Krankenhauses untergebracht. Für die Menschen auf den Marquesas war eine medizinische Versorgung direkt hier auf den Inseln notwendig und wurde auch hervorragend geleistet. Tahiti als nächstgrößere Metropole lag zu weit entfernt, um im Notfall schnelle Hilfe zu gewährleisten. Die Apotheke bestand nicht nur aus dem Verkaufsraum mit seinen Regalen und Schränken und dem breiten Tresen. Direkt hinter dem Verkaufsraum befanden sich noch Büros, Lagerräume und ein gut eingerichtetes Labor. Seit dem Ausscheiden ihres Vaters führte Florence die Apotheke zusammen mit ihrem Bruder Noël. Florence betrat den Verkaufsraum. Betty Fallon hatte sie bereits gesehen, als Florence ihren Wagen auf dem Parkplatz abstellte. Sie kam ihr entgegen.

      »Ich habe Noël gestern noch gefragt, ob du heute zurückkommst und er hat es doch tatsächlich nicht genau gewusst«, begrüßte Betty sie fröhlich.

      »Stand es denn nicht im Terminkalender? Außerdem habe ich doch letzte Woche mit ihm telefoniert«, sagte Florence und umarmte Betty.

      »Er wusste schon, dass du die Tage zurück bist, aber eben nicht genau wann.« Betty hielt Florence an den Händen und sah sie ausgiebig an. »Wie geht es dir? Wie ist das mit dem Jetlag?«

      Florence prustete. »Es geht, noch. Ich fürchte der Jetlag macht sich erst in ein oder zwei Tagen richtig bemerkbar. Auf dem Hinflug war es zumindest so. Wo hast du meinen Bruder gelassen, Betty?«

      »Er ist in eurem Büro. Du kannst ihn ja mal aufwecken«, lachte Betty.

      Florence ging hinter den Verkaufstresen durch eine Tür, die auf einen Flur führte. Links ging es in das Labor, rechts zu den Lagerräumen. Am Ende des Ganges befanden sich die Büros. Es war ein großer Vorraum mit drei Arbeitsplätzen. Gori Toonon und Yves Clary standen auf und begrüßten Florence. In der kleinen Gemeinschaft ihrer Apotheke ging es freundschaftlich zu. Florence umarmte die beiden Männer und küsste sie auf die Wangen.

      »Bei euch alles in Ordnung?«, fragte sie schließlich.

      »Bis jetzt ging es noch, bis jetzt«, sagte Gori lachend.

      Gori Toonon war der Sohn eines einheimischen Fischers. Seine Familie lebte bereits auf den Marquesas, noch bevor es die Meuterei auf der Bounty gab, wie er selbst immer sagte. Sein Vater hatte mittlerweile ein Lobster-Restaurant und fischte nicht mehr selbst. Das Restaurant war bei Touristen sehr beliebt. Gori hatte auf Tahiti eine Handelsschule besucht und arbeitete als Buchhalter in der Apotheke. Außer ihm hatten Florence und ihr Bruder fast nur Angestellte, die aus den Ureinwohnerfamilien der Marquesas stammten. Eine Ausnahme war Yves Clary. Er stammte aus Marseille und lebte erst seit einigen Jahren auf Nuku Hiva. Er war der älteste Mitarbeiter und überlegte sich ständig, ob er noch in der Südsee bleiben oder wieder nach Frankreich zurückkehren sollte. Yves machte das Controlling und war für die Lagerbestände zuständig. Um den Einkauf kümmerten sich Florence und ihr Bruder selbst.

      »Übrigens, Stella hat nach dir gefragt«, kündigte Gori an.

      »Hat sie gesagt, was sie von mir will?«, fragte Florence.

      »Das soll sie dir lieber selber sagen, aber ich glaube es ist nichts Wichtiges, also Ruhe bewahren«, meinte Gori.

      Die Worte: »Also Ruhe bewahren«, verwendete Gori als Standardspruch zu allem und zu jedem. Florence sah sich um. Die Türen zu ihrem Büro und zum Büro ihres Bruders standen wie gewöhnlich offen. Sie konnte sehen, dass ihr Bruder nicht am Platz war.

      »Dann habt ihr also auch nichts Neues für mich?«, wandte sie sich wieder an ihre beiden Mitarbeiter.

      »Liegt alles auf deinem Schreibtisch, wenn es dein Bruder nicht schon weggefischt hat«, sagte Yves.

      »Und wo ist Noël denn nun, in seinem Büro wohl nicht?« Florence sah noch einmal hinüber.

      »Hast du schon dem Labor einen Besuch abgestattet?«, antwortete Gori achselzuckend.

      Florence schüttelte den Kopf. »Ich wollte zuerst meine Lieblingskollegen begrüßen.« Sie lachte zu ihrer Bemerkung.

      »Hey Gori, darauf brauchst du dir nichts einzubilden, ich habe gehört, dass sie das zu jedem hier sagt.«

      Florence klopfte Gori zustimmend auf die Schulter. »So Jungs, dann will ich mal nachsehen, ob Ihr mir hier kein Chaos veranstaltet habt.«

      Sie ging in ihr Büro, ließ aber die Tür offen. Auf ihrem Schreibtisch lagen tatsächlich nur wenige Unterlagen, einige Zeitschriften und die Post. Die meisten Briefe waren bereits geöffnet. Es waren geschäftliche Sachen, die ihr Bruder oder die anderen Mitarbeiter während ihrer Abwesenheit erledigt hatten. Sie setzte sich in ihren Schreibtischstuhl und blätterte eine Apothekerinformation durch. Sie überlegte schon, sofort im Labor vorbeizusehen, als ihr Bruder das große Büro betrat. Sie reckte den Hals und winkte ihm zu. Noël kam sofort zu ihr. Sie blieb in ihrem Stuhl sitzen und er beugte sich zu ihr herunter und gab ihr einen Kuss.

      »Schön, dass du dich auch mal wieder blicken lässt, aber ich rate dir, heute noch nicht mit der Arbeit zu beginnen. Das Krankenhaus will Inventur machen und wir müssen mithelfen, die Bestände auf den Stationen zu prüfen. Das gibt wieder ewige Diskussionen.«

      Florence verzog das Gesicht. »Es kommt jetzt also doch ein Wirtschaftsprüfer. Wissen die schon wann?«

      »Heute Nachmittag gibt es ein Meeting und dann erfahren wir alles von Dr. Clemens. Bis dahin will er zumindest ungefähr wissen, was im letzten Jahr alles an das Krankenhaus geliefert wurde und natürlich auch wofür.«

      »Da soll er seine Ärzte fragen«, sagte Florence gleichgültig.

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