Fälschung. Ole R. Börgdahl

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Fälschung - Ole R. Börgdahl

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es echt sei.«

      »Wie sieht es mit unseren Kosten aus?«, fragte Heinz Kühler.

      Simon spitzte die Lippen. »Noch hält sich das Ganze in Grenzen«, antwortete er, »das müssen Sie doch auch zugeben, oder?«

      »Gut, was haben das Labor und der Gutachter zusammen gekostet, vielleicht Zweitausend.« Heinz Kühler überlegte. »Die Reise, die ich nach London machen soll, wird auch noch einmal einen Tausender kosten. Das ist in der Tat soweit noch überschaubar.«

      *

      In den letzten anderthalb Wochen hatte Florence ihr Büro nur selten betreten. Sie war viel unterwegs. Bei den Inventurvorbereitungen hatte sie von der Krankenhausverwaltung den Auftrag erhalten, alle Bestände an Medikamenten und medizinischen Geräten, auch in den beiden anderen Hospitälern auf Hiva Oa und Ua Pou zu erfassen. Hierfür war sie allein drei Tage unterwegs. Sie hatten insgesamt nur eine Woche zur Vorbereitung des Termins, an dem der Wirtschaftsprüfer aus Tahiti eine Inspektion des Krankenhausbetriebs durchführen wollte. Die Apotheke hatte zwar ihre Eigenständigkeit, war aber eng mit dem Krankenhaus verbunden. Eine gegenseitige Unterstützung war hier unumgänglich. Alles war gut verlaufen. Das Krankenhaus war zufrieden und auch der Wirtschaftsprüfer hatte nichts auszusetzen. Am Morgen hatte Florence noch mit den Ärzten und der Verwaltung zusammengestanden und den positiven Bescheid aus Tahiti gefeiert. Sie hatte heute Vormittag tatsächlich wieder das erste Mal die Ruhe, ihre Mails am Computer zu lesen. Während das Gerät noch hochfuhr, holte sie sich einen Kaffee. Als sie zurückkam, musste sie feststellen, dass sie ihr Passwort für den Zugriff auf das Netz und auf ihre eigenen Daten, vergessen hatte. Für diesen Fall, der bei ihr immer wieder einmal vorkam, hatte sie in einem Aktenordner, einem richtigen Aktenordner aus Pappe und Papier, unter dem Buchstaben C, ihr Passwort aufgeschrieben. Beim weiteren Hochfahren des Rechners wurden einige Programme aufgerufen, die sie sich in die Autostartdatei gelegt hatte. So wurde gleich das Mailprogramm gestartet und sie hatte sofort Zugriff auf alle neuen Nachrichten, die in der Zwischenzeit eingegangen waren. Es waren über hundert Einträge. Sie begann zu sortieren. Vieles hatte sich bereits erledigt. Es gab sogar schon Mails von den Firmen, deren Stände sie auf der Messe in Paris besucht hatte. Ein Firmenvertreter hatte ihr sogar eine recht persönliche Nachricht geschrieben, in der er sich noch einmal für das Interesse an seinem Unternehmen bedankte. Florence musste an die Bemerkung ihres Bruders denken, obwohl sie sich an den Mann kaum erinnern konnte. Sie ging die Mails weiter durch. Ziemlich zum Schluss entdeckte sie dann eine Nachricht von ihrer Freundin Colette aus München. Sie öffnete die Mail sofort und las sich den Text durch. Colette hatte ihr die Fotografien geschickt. Es waren die Bilder von den beiden Tagen in München. Florence begann eines nach dem anderen zu öffnen. Die Bilder waren sehr schön geworden. Nach der zweiten Aufnahme stellte sie das Anzeigeprogramm auf Vollbild und ließ die Fotos automatisch durchlaufen. Bei einem machte sie halt. Es war die Szene im Restaurant, als sie den Fotoapparat auf den Nachbartisch gestellt hatten und Colette wegen des Selbstauslösers schnell auf ihren Platz zurückmusste. Florence erinnerte sich, dass Colette gestolpert und fast hingefallen wäre. Als sie es gerade noch an den Tisch geschafft hatte, schaute sie ganz verdutzt und blinzelte in das aufflackernde Blitzlicht. Colette hatte anscheinend keine Zensur vorgenommen und ihr auch dieses Bild geschickt. Florence ging zum nächsten Foto und zum übernächsten. Der Torbogen am Sendlingplatz und der Hamburger Fischmarkt mitten in München. Sie konnte sich an die eine oder andere Situation noch gut erinnern. Als sie die achte Datei öffnete, begriff sie nicht gleich. Die Aufnahme zeigte weder sie noch Colette. Sie dachte erst, es sei das Foto eines Buchdeckels, bis sie erkannte, dass es sich um ein gemaltes Bild handelte, um ein Ölgemälde. Sie betrachtete es ausgiebig. Sie dachte erst, dass es ein Spaß sei. Sie schaute das Bild lange an, nicht so sehr das kleine Mädchen mit dem Sonnenhut, sondern mehr die Umgebung im Hintergrund, den Strand und die Palmen. Die Form des Bootes kam ihr bekannt vor. Auf den Marquesas gab es nicht mehr viele dieser Fischerboote. Sie kannte sie aber noch von alten Fotos. Und dann das kleine Mädchen, dieses Gesicht, der Hut, der einen kurzen Schatten auf die glatte Stirn warf. Es konnte jeder Strand auf der Welt sein, jeder mit Palmen gesäumte Strand. Sie wusste nicht, ob es diese Boote auch woanders gegeben hatte oder noch gab. Dann sah sie die Signatur. Es war ihr erst gar nicht aufgefallen. Der berühmte Paul Gauguin hatte auf den Marquesas gemalt und dies war eines seiner Bilder. Warum auch immer Colette ihr dieses Foto geschickt hatte, sie fand das Bild schön und freute sich darüber. Sie überlegte kurz, ob es möglich war, davon einen größeren Abzug zu machen und es ins Büro zu hängen. Es gab in Taiohae mehrere Drogerien, die solche Aufnahmen auf Fotopapier drucken konnten. Sie wollte schon weiterblättern, sah aber noch einmal in das Gesicht des Mädchens. Die Kleine mochte fünf oder sechs Jahre alt sein. Sie schaute so, als habe sie eine Frage gestellt und wartete nun auf eine Antwort. Erst jetzt sah Florence, dass sie den Arm leicht angehoben hatte und etwas in der Hand hielt, etwas, das sie dem Betrachter anscheinend zeigen wollte.

      Nach einigen Sekunden blätterte Florence weiter. Das nächste Foto zeigte Colette lachend. Sie selbst hatte diese Aufnahme gemacht. Es folgten noch einige solcher Fotografien, abwechselnd mit ihr oder Colette. Auf dem letzten Foto stand der kleine Marc neben ihr. Er lächelte nicht, sondern sah nur erwartungsvoll in Richtung Kamera. Florence schmunzelte über die Aufnahme, dieser Gesichtsausdruck. Dann fiel ihr plötzlich etwas ein. Sie blätterte über die Tastatur in der Bildershow zurück, bis sie wieder die Aufnahme des Gauguin-Gemäldes fand. Hier stoppte sie. Sie ging mit dem Gesicht näher an den Monitor, nur ein kleines Stück, es war fast unbewusst. Sie kannte das Mädchen. Sie hatte das Kind schon einmal gesehen. Nicht als lebende Person, nein, auch als Bild, auf einer Fotografie, auf irgendeiner Fotografie.

      *

      Es kam eher selten vor, dass Heinz Kühler zu einer Dienstreise außerhalb Deutschlands geschickt wurde. Sein Ziel für die nächsten Tage war London. Als stellvertretender Geschäftsführer des Kunst- und Auktionshauses Blammer durfte er sich immerhin einen Flug in der Business Class und ein Vier-Sterne-Hotel leisten. Dieser Luxus war der Ausgleich für die anstrengende Arbeit, die ihm bevorstand. Noch am Tage seiner Ankunft war sein erstes Ziel die Tate Britain, eine der vier Tate Galleries, die sich in Millbank am Londoner Themseufer befand. Er konnte an diesem Tag noch nicht in die Archive. Er musste sich zunächst eine Benutzerberechtigung besorgen. Das Haus Blammer war Mitglied im Tate-Verein. Seine Mitarbeiter konnten sich daher zeitlich befristet in den Archiven aufhalten, um Recherchen in den umfangreichen Katalogmaterialien durchzuführen. Heinz Kühler füllte im Büro der Tate-Verwaltung den Antrag aus und gab ihn bei einer älteren Dame ab, die nach seinem Pass und dem Firmenausweis fragte. Er übergab ihr die Dokumente und sie notierte sorgfältig seine persönlichen Daten. Die Dame gab ihm schließlich die Ausweise zurück und unterrichtete ihn, dass er am nächsten Tag ab 9:00 Uhr seine Benutzerberechtigung abholen könnte, wenn die Angaben stimmten und die Genehmigung erteilt wurde. Er nahm die bürokratische Hürde gelassen und fand sich tags darauf pünktlich wieder in der Verwaltung ein. Die Berechtigung wurde ihm selbstverständlich erteilt, immerhin zahlte Blammer jährlich mehrere Hundert Pfund Gebühren für die Mitgliedschaft im Tate-Club. Die Archive befanden sich abseits der Ausstellungsräume. Die Tate Gallery war vornehmlich eine Kunstsammlung, mit regem Publikumsverkehr. Bis er in das Heiligtum gelangte, musste er noch dreimal seinen neuen Ausweis vorzeigen. Dafür boten ihm die einzelnen Archivräume und der Lesesaal eine angenehme Ruhe. Es gab einen Instruktor, den er um Rat fragen konnte. Er hatte sich verschiedene Stichpunkte notiert. Das Foto des Ölgemäldes hatte er selbstverständlich nicht dabei. Die gesamte Recherche sollte bis auf weiteres sehr diskret ablaufen. Sein erstes Interesse richtete sich nach Ausstelllungen, in denen Paul Gauguins Werke in den letzten hundert Jahren präsentiert wurden. Der Instruktor brauchte eine halbe Stunde, bis er die ersten Bände vorbeibrachte. Heinz Kühler hatte sich inzwischen eine Ecke des Lesesaales ausgesucht und dort lediglich sein Jackett über den Stuhl gehängt. Andere Besitztümer durfte er nicht in das Archiv mit hineinnehmen, er musste sie vorne im Eingangsbereich, in den dafür vorgesehenen Schließfächern verstauen. Im Eingangsbereich gab es auch eine Kaffeemaschine und einen Sandwichautomaten. Das Getränk und die Speisen durften allerdings auch nicht mit an den Arbeitsplatz genommen werden und mussten vor Ort im Stehen gegessen und getrunken werden.

      Der

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