Fälschung. Ole R. Börgdahl
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»Kennen Sie Professor Lehner aus Augsburg?«, fragte Edmund Linz, ohne zu zögern. »Ich habe zusammen mit dem Bild eine Expertise von ihm erhalten. Sein Fazit war eindeutig. Stil und die Maltechnik sind authentisch. Wenn ich dann noch meine Laborergebnisse nehme, denke ich, dass es Beweise genug sind, um die Echtheit des Bildes zu garantieren.«
»Professor Lehner ist mir in der Tat bekannt. Er hat früher mehrfach für unser Haus gearbeitet. Er ist allerdings vor zwei oder drei Jahren verstorben. Seine Expertise ist natürlich über jeden Zweifel erhaben. Hat er das Bild gekannt, ich meine hat er in seiner Expertise auch auf Ausstellungen und Galerien hingewiesen, in denen das Bild früher ausgestellt war.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte Edmund Linz.
»Für jede Expertise wird immer auch eine Recherche vorgenommen. Zum Beispiel gehört es zum Steckbrief der Mona Lisa, wann es im Schloss Amboise, in Fontainebleau, in Versailles und schließlich im Louvre zu sehen war und wie es im Laufe der Zeit an diese Orte gekommen ist. Sie verstehen, was ich meine, hat Professor Lehner auch einen Herkunftsnachweis erstellt oder vorgelegt?«
»Einen Herkunftsnachweis?«, wiederholte Edmund Linz. »Professor Lehner hat in seinem Gutachten über die Ausführung des Bildes geschrieben. Er hat Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen mit anderen Werken des Künstlers festgestellt. Ich habe ihn später einmal getroffen und mit ihm das Gutachten durchgesprochen aber wir haben nicht darüber geredet, ob das Gemälde jemals irgendwo ausgestellt war. Damals konnte ich ihm übrigens auch den Laborbericht zeigen und er war zufrieden.« Edmund Linz stutzte. Dann besann er sich wieder und fuhr fort. »Die Mona Lisa ist fast vierhundert Jahre alt, da kommt einiges an Historie zusammen.« Er zeigte auf die Signatur des Gemäldes im Holzkoffer. »Wer weiß denn heute noch, an wen er alles seine Bilder verschenkt hat. Professor Lehner und ich haben zwar darüber gesprochen, woher das Bild stammen könnte, aber ich glaube wir waren uns einig, dass es schon immer in Privatbesitz war und daher nicht zu den ganz berühmten Werken zählt, die jeder gleich erkennt. Professor Lehner hatte zumindest keine Probleme damit.«
»Es war van Gogh«, sagte Simon.
»Bitte?« Edmund Linz hatte nicht verstanden.
»Van Gogh hat seine Bilder verschenkt«, erklärte Simon. »Van Gogh hat in seinem Leben, wenn überhaupt, höchsten zwei oder drei Bilder verkaufen können.«
Edmund Linz nickte zustimmend. »Wie ich Ihnen gesagt habe, das Gemälde hier stammt aus Privatbesitz. Ich war selbst Sammler. Ein Sammler zeigt zwar gerne seine Schätze, manchmal will er sie aber auch ganz für sich selbst haben und scheut die Öffentlichkeit.«
Simon stand auf, um die Jalousie wieder zu öffnen und die Deckenstrahler auszuschalten. Es wurde bereits recht warm am Besprechungstisch, eine Wärme, die auch für das Ölgemälde nicht gut sein konnte. Als er sich wieder gesetzt hatte, faltete er die Hände und stützte sein Kinn ab. Er sah seinen Gast einige Sekunden lang schweigend an.
»Gut«, sagte er schließlich und atmete dabei bedächtig aus. »Professor Lehner hat wahrscheinlich angenommen, dass die Recherche nach einem Herkunftsnachweis für Sie nicht relevant ist. Sie sagten ja selbst, dass Sie Sammler sind.«
Edmund Linz schüttelte mit dem Kopf. »Natürlich hat mich die Herkunft des Gemäldes in gewisser Weise interessiert. Ich habe selbst nach dem Bild gesucht, nicht professionell. Ich habe vor allem in Kunstbüchern und Zeitschriften nachgesehen, aber nichts gefunden, was ja nichts heißen muss. Mir ist das Ölgemälde aus Privatbesitz angeboten worden, darum denke ich, dass es wohl niemals in einer Ausstellung oder Galerie zu sehen war.«
»Schade, wirklich schade«, bedauerte Simon. »Ich hoffe nicht, dass Sie recht haben. Ein Herkunftsnachweis findet sich leider zumeist in Ausstellungs- und Galeriekatalogen. Sicherlich ist das keine grundsätzliche Bedingung, um die Herkunft zu beweisen. Es gibt natürlich auch andere Quellen, zum Beispiel in Aufzeichnungen, die der Künstler selbst hinterlassen hat oder in Briefen, in denen die Vorbesitzer über ihre Sammlungen schreiben und das Bild erwähnen und es Zeugen gibt. Hier finden sich dann Hinweise, die zu weiteren Indizien für die Herkunft führen. Zeitzeugen sind da natürlich der beste Beweis, sofern sie noch leben.« Simon überlegte kurz. »Von wem haben Sie das Gemälde denn erworben, vielleicht kenne ich den Sammler, vielleicht besitzt er noch Unterlagen, von denen Sie nichts wissen?«
»Ich kenne weder den Vorbesitzer noch den Verkäufer. Es klingt vielleicht etwas ungewöhnlich, aber ich habe das Bild anonym erworben. Alle Beteiligten, einschließlich mir, hatten damals kein Interesse daran, dass der Kauf öffentlich wird, Sie verstehen.«
Simon sah Edmund Linz jetzt eindringlich an. »Das ist gefährlich«, sagte er schließlich. »Das Bild kann ja auch aus einem Diebstahl stammen, haben Sie das wenigstens überprüft?«
Edmund Linz lachte auf. »Natürlich habe ich mich umgehört, bevor ich gekauft habe«, erklärte er. »Damals konnte ich aber keinen Hinweis finden, dass dieses Bild irgendwo gestohlen wurde. Wenn es die Mona Lisa wäre, hätte ich es nicht genommen, ich hätte vielleicht sogar die Polizei verständigt oder einfach nicht geglaubt, dass es echt ist.«
»Es gibt auch Leute, die die Mona Lisa nehmen würden«, sagte Simon. »Das war dem Louvre bewusst, als das Bild 1911 gestohlen wurde und darum haben sie es ein Jahr später sogar aus ihrem Katalog genommen.«
»Der Louvre?«, wiederholte Edmund Linz, als wenn er nicht verstanden hätte. Dann schüttelte er den Kopf. »Nein, mein Bild ist kein Diebesgut, ich bin mir sicher, ich habe es geprüft.«
»Ich glaube kaum, dass Sie die richtigen Quellen hatten, um hundertprozentig auszuschließen, dass es nicht doch gestohlen ist.«
Edmund Linz sah ihn an und zuckte mit den Schultern.
»Wir haben die Möglichkeit«, sagte Simon. »Wir müssen sie haben, um zu verhindern, dass wir zum Hehler werden. Sie sagten, dass Sie das Bild seit sieben Jahren besitzen?«
Edmund Linz nickte. »Ich muss überlegen, es können jetzt auch schon acht Jahre sein, ja im April werden es acht Jahre.«
»Und haben Sie es in dieser Zeit nie versichert?«, fragte Simon nachdenklich.
Edmund Linz schüttelte den Kopf. »Ich hatte noch drei weitere Kunstwerke, müssen Sie wissen. Zwei Bilder von Paula Becker-Modersohn und eines von Heinrich Vogeler. Für die hatte ich schon Policen und die Versicherung hat sich natürlich vergewissert, dass ich alles unternommen habe, damit den Bildern in meinem Haus nichts passiert. Sie verstehen, Diebstahl und Brandschutz. Dieses Gemälde habe ich nicht mehr versichern lassen, es kam erst später dazu. Ich habe es mit den anderen Bildern in meinem Salon hängen gehabt. Für mich war das Sicherheit genug.«
»Bei meiner Frage ging es nicht um den Schutz des Gemäldes. Die Versicherung hätte das Bild bestimmt genau auf seinen Wert hin überprüft, bevor Sie eine Police bekommen hätten. Unter Umständen hätte die Versicherung nach einer Echtheitsbestätigung recherchieren lassen, wo Sie doch selbst keine richtigen Unterlagen besitzen. So etwas hätte uns die Sache jetzt einfacher und auch billiger machen können.«
»Und ich wäre das Bild jetzt bestimmt schon los«, sagte Edmund Linz gereizt. »Ich bin derzeit in einer finanziell misslichen Lage. Ich kann von Glück reden, dass meine Gläubiger nichts von diesem Schatz hier wissen. Es ist nicht so, dass ich jemandem etwas schuldig bleiben wollte, aber meine anderen Bilder sind bei der Auflösung meines Haushalts und der anschließenden Zwangsversteigerung weit unter Wert verkauft worden. Diesen Fehler möchte ich nicht noch einmal machen. Das Gemälde hier konnte ich vorerst noch retten, um es jetzt richtig