Die Missionäre. Gerstäcker Friedrich
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Damit mußte Clans abziehen, und daß ihn der Verweis nicht günstiger gegen den Geistlichen stimmte, läßt sich denken. So sehr er aber auch von da ab aufpaßte, um irgend etwas /11/ gegen ihn aufzufinden und seinem Herrn einen Beweis bringen zu können, es war nicht möglich; denn Kästner, wenn auch wohl ohne Ahnung, daß er so scharf beobachtet wurde, that ruhig seine Pflicht, verkehrte mit dem Baron und dem gnädigen Fräulein nach wie vor, und zeigte sich dabei in seiner Gemeinde, besonders gegen die ärmeren Familien, stets so teilnehmend und freundlich, und suchte, wo er das irgend konnte, ihre Noth zu lindern oder ihnen wenigstens Trost zuzusprechen, daß er schon lange der Liebling des ganzen Städtchens geworden war. Die Leute sprachen es auch ganz offen und unumwunden aus, daß sie einen besseren Geistlichen in ihrem ganzen Leben nicht verlangten.
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Der Missionsprediger.
In diese Zeit fiel es, daß ein protestantischer Missionsprediger jenen Theil Deutschlands bereiste. Dieser hielt nicht allein in den größeren Städten seine Vorträge über das Missionswesen und dessen Erfolge, sondern suchte selbst kleinsten Ortschaften auf, ja sprach sogar von größeren Dorfkanzeln herab zu den aufmerksam lauschenden Zuhörern und forderte sie zur Unterstützung des großen Werkes auf, das den Heiden und Götzenanbetern in fernen Welten den Segen des Christenthums und der Civilisation bringen sollte.
Schon viele Wochen vorher hatten sich die Zeitungen mit dem merkwürdigen Manne beschäftigt und von seiner glühenden Beredsamkeit sowohl, wie von den Schicksalen gesprochen, die ihn selber in jenen wilden Ländern und unter den noch wilderen Stämmen betroffen. Wie oft war er in Lebensgefahr gewesen, wie unzählige Male hatte schon die Kriegskeule des Wilden oder das Opfermesser über seinem Haupt geschwebt! /12/
Aber allen den Gefahren bot er ruhig, von Gott beschützt, die Stirn, allen war er entgangen, und kühn und unerschrocken schmetterte er dem Racheschrei der Feinde gegenüber die Götzenbilder zur Erde nieder, und pflanzte an deren Statt das Kreuz des Erlösers auf. So wenigstens lauteten die Berichte.
Der alte Baron von Schölfe hatte die Artikel auch gelesen und sich dadurch in eine ganz eigene Aufregung versetzt gefühlt. Das war einer der alten Kreuzfahrer, wie er sich selber sagte; das war ein Mann, wie sie nur vorige Jahrhunderte gesehen, voll Muth und Ausdauer, allen Ent-behrungen, allen Gefahren trotzend und stets bereit, sein Leben dem zu weihen, dem er seine ganze Seele schon so lange zu eigen gegeben. Es gewährte ihm deshalb eine ganz entschiedene Befriedigung, als er noch an dem nämlichen Abend von dem Diakonus erfuhr, daß der ehrwürdige Mr. Johnson, ein Engländer von Geburt, der aber auch einen ganz vortrefflichen deutschen Brief schrieb, dem Geistlichen in Rothenkirchen die Meldung gemacht habe, daß er selber in den nächsten Tagen dorthin kommen und einen Vortrag über das Missionswesen halten würde. Gastfrei überhaupt im höchsten Grade, erklärte er dem Diakonus denn auch augenblicklich, daß der Mann hier bei ihm auf dem Schlosse wohnen müsse.
Ganz gegen sein Erwarten schien sich aber Kästner keineswegs über das Eintreffen des Geistlichen so zu freuen, wie er nach seinen früheren Reden erwartet haben mochte. Ja er machte sogar einige Einwendungen: man wisse doch nicht, mit was für einem Mann man es zu thun bekomme. In den Zeitungen würde viel geschrieben - es wäre vielleicht besser, ihn vorher kennen zu lernen, und anderes Derartiges mehr. Wenn sich aber der alte Baron einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, so war er auch nicht so leicht wieder davon abzubringen.
Und was konnte der Mann nicht Alles von seinen Reisen erzählen; was hatte er nicht erlebt, und welchen tiefen Einblick mußte er durch ihn in das Missionswesen selber bekommen! Es blieb unfehlbar dabei, was er gesagt, und er setzte sich sogar augenblicklich hin, um einen Brief an den ehr-/13/würdigen Mr. Johnson zu schreiben, in welchem er ihn auf das Freundlichste und Herzlichste einlud, für die Dauer seines Aufenthaltes in Rothenkirchen den Scholfenstein zu seinem Absteigequartier zu benutzen; ja der Diakonus mußte versprechen, den Brief gleich am nächsten Morgen mit der richtigen Adresse zu versehen und zu befördern.
Der Baron erhielt allerdings keine directe Antwort auf sein Einladungsschreiben; aber vier Tage später kam plötzlich ein Junge aus dem Dorf heraufgelaufen und brachte eine Karte von dem indessen eingetroffenen Missionär. Auf dieser zeigte ihm Mr. Johnson nur mit wenigen Worten an, daß er Rothenkirchen erreicht, noch Einiges mit dem Geistlichen unten im Ort zu besprechen habe und dann unverzüglich dem Boten nachfolgen werde.
Der alte Herr fand das auch ganz in der Ordnung. Es gefiel ihm sogar, daß der Fremde keine weiteren Umstände machte und das freundliche Anerbieten eben so unumwunden annahm, wie es geboten worden. Er war selber kein Freund von langen Weitläufigkeiten, und dieser Herr Johnson hatte draußen in anderen Welttheilen auch wohl eben so oft Gastfreundschaft geboten, wie sie von Anderen empfangen. Dann betrachtet mau etwas Derartiges eben als selbstverständlich, ohne weiter ein Aufheben davon zu machen. Was wußte der Missionär, der vielleicht die Stammbäume von zahllosen indianischen Königen im Kopfe hatte, auch von dem uralten Geschlecht derer von Schölfe - er hätte sonst seinen kurzen Brief jedenfalls etwas anders abgefaßt.
So vergingen noch mehrere Stunden, und der alte Baron hatte allerdings schon nach einem vorfahrenden Wagen ausgehorcht, als es plötzlich an seine Thür klopfte und diese sich auf sein etwas erstauntes „Herein" auch unmittelbar öffnete. Auf der Schwelle aber stand Mr. Johnson, eine lange, hagere Gestalt mit vorstehenden Backenknochen, kleinen, grauen, aber lebendig umherfahrenden Augen, etwas bleicher Farbe und fest zusammengekniffenen Lippen, aber mit einem unzweifelhaft ausdrucksvollen und intelligenten Gesicht, einfach, aber natürlich schwarz gekleidet, den runden Hut in der Hand, und sagte mit tiefer, klangvoller Stimme: /14/
„Ich weiß nicht, ob ich die Ehre habe, den Freiherrn von Schölfe in Ihnen zu begrüßen?"
„Mein Name ist von Schölfe," sagte der Baron, sich unwillkürlich von seinem Stuhl erhebend.
„Dann erlauben Sie mir," erwiderte der Fremde, „mich Ihnen als Josua Johnson, den Missionsprediger, vorzustellen, den Sie so freundlich waren in Ihr gastliches Haus zu laden. Ich hoffe, ich falle Ihnen hier nicht zur Last -"
„Mein lieber Herr," sagte der Baron herzlich, „Sie sind uns so willkommen, wie die Blumen im Mai. Wo haben Sie Ihre Sachen? Die Zimmer für Sie stehen schon seit einigen Tagen bereit."
„Es ist sehr wenig, was ich bei mir führe," lächelte der Fremde, „denn immer auf Reisen, gewöhnt man sich an Einschränkungen und betrachtet eigentlich jedes Haus nur als ein flüchtiges Bivouak. Ich werde Ihnen auch nicht lange beschwerlich fallen, denn mein Weg ist noch weit, und ich darf darauf nicht rasten."
„Von Beschwerlichfallen kann gar keine Rede sein," lächelte der alte Herr, „wir haben sehr viel Raum im Schlosse und genügend in Küche und Keller, also bitte, thun Sie, als ob Sie zu Hause wären."
Damit reichte er ihm in seiner offenen Weise die Hand, die der Missionsprediger auch nahm und herzlich schüttelte. Er hatte Menschenkenntniß genug, um im Augenblick zu sehen, daß der alte Baron jedes Wort, das er sprach, auch ebenso meinte. Das Weitere nahm auch keine lange Zeit in Anspruch; ein Diener wurde gerufen, um den Gast in sein Zimmer zu führen; sein Gepäck - ein einziger kleiner Lederkoffer - war schon hinübergeschafft worden, und er wurde dort sich selber überlassen, um erst wieder gerufen zu werden, wenn das Mittagessen bereit sein würde. Aber er brauchte, wie es schien, zu seiner Toilette nicht besonders lange Zeit, denn kaum eine Viertelstunde später zeigte er sich schon wieder unten im Garten, wo er sich auf das Eifrigste mit den dort blühenden Pflanzen beschäftigte und den Gärtner auch nach Manchem in einer Weise fragte, die deutlich verrieth, daß er selber etwas davon verstand. /15/
Noch war er damit beschäftigt, als er Schritte auf dem Kies hörte und, aufschauend, sich einer allerdings ungewöhnlichen, wenn auch sehr lieblichen Erscheinung gegenübersah. Es war Berchta, die eben mit Claus,