Mutterschmerz. J.P. Conrad
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»Wir? Nö«, antwortete einer der drei Jungen, während er den Ball seinem Kollegen zupasste. Er war der größte von ihnen, trug eine schwarze Lederjacke mit vielen Riemen, eine Jeanshose und hatte eine von Pomade glänzende Elvis-Tolle.
Genau diese Antwort hatte ich erwartet. »Könnt ihr dann bitte woanders weiterspielen?«
»Sind Sie Polizist?«, kam die Gegenfrage.
»Allerdings.« Ich erntete einen kritischen Blick, der mich von oben bis unten musterte. Da es erst Viertel vor neun Uhr morgens war, fragte ich: »Habt ihr keine Schule?«
»Ist ausgefallen«, kam die gleichgültige Antwort; sicher eine Lüge. »Sie sehen gar nicht aus, wie von der Polizei.«
»Muss ich auch nicht.« Ich öffnete meine Jacke und ließ die Burschen einen Blick auf den Pistolenholster mit der meiner Dienstwaffe erhaschen. »Aber ich hab die hier. Und wenn ihr damit keine nähere Bekanntschaft machen wollt, rate ich euch, jetzt zu verduften.«
Das saß. Die beiden anderen, ein schmächtiger Junge mit Akne und ein leicht kräftiger mit erstem Bartflaum unter der Nase, zerrten ihren Rädelsführer an der Jacke. »Komm, lass uns abhauen.« Murrend folgte der er seinen Freunden. Sie liefen, sich den Ball gegenseitig zupassend, an der Straße entlang und entfernten sich von Rod am Berg.
Ich kam zu Blume zurück, den mein Auftritt sichtlich amüsiert hatte. »Gut gemacht«, lobte er. »Fast wie John Wayne.«
Ich winkte ab. »Ach, hören Sie bloß auf!«
»Die wollten bestimmt zum Bolzplatz«, mutmaßte er und sah ihnen hinterher.
Jetzt gingen wir zu dem tannengrünen Polizeibus, dessen Seitentür offen stand. Auf der Sitzbank im Heck hockte ein stämmiger Mann in Anzug und Mantel. Er hatte ein ausgeprägtes Doppelkinn, fast keinen Hals und trug eine Brille mit breitem, schwarzem Gestell auf seiner dicken Nase. Er schien mir, nicht zuletzt aufgrund seiner Kleidung, gut situiert zu sein; ein Fremdkörper in dieser ländlichen Umgebung. Ihm gegenüber saß ein junger, uniformierter Beamter. Beide tranken dampfenden Kaffee aus Metallbechern. Auf dem schmalen Tisch zwischen ihnen stand eine Thermoskanne.
Der Polizist nahm eine steife Haltung an, setzte seine Dienstmütze auf und grüßte uns. »Guten Morgen.«
Ich erwiderte den Gruß und zeigte meine Marke. »Kampmann, Kripo Bad Homburg. Das ist mein Kollege Blume.«
»Polizeimeister Werner von der Wache in Usingen«, stellte sich der blondgelockte Beamte, er konnte nicht älter als fünfundzwanzig sein, vor. »Die Leute von der SpuSi und ein Krankenwagen sind schon am Fundort«, erklärte er.
Ich nickte registrierend, sah zu dem Mann im Anzug und dann wieder zu Werner.
»Das ist Herr Schott«, stellte dieser sofort klar. »Er hat die Tote gefunden und uns dann telefonisch verständigt.«
Wir gaben uns die Hand; die von Herrn Schott war, entgegnen seiner kräftigen Statur, ziemlich schlaff, was aber an seiner aktuellen Gemütsverfassung liegen konnte. Sicher hatte ihm der Anblick der Toten einen Schock versetzt.
Auch Blume schüttelte ihm die Hand. »Guten Tag. Wie geht es Ihnen?«
Herr Schott verzog die Mundwinkel. »Etwas flau im Magen.« Seine Stimme hatte einen tiefen Bass.
»Danke, dass Sie sich nochmals herbemüht haben«, sagte ich. »Wir hätten Sie auch Zuhause aufsuchen können.« Das wäre mir wesentlich lieber gewesen.
Der Mann winkte ab. »Kein Problem. Sind doch nur ein paar Meter.«
»Demnach wohnen Sie hier in der Nähe?«
Er zeigte grob in die Richtung des Dorfes. »Direkt hier in Rod am Berg, im Bergweg.«
Ich deutete dem Polizisten Werner, aufzustehen. Wir tauschten die Plätze, er stellte sich neben Gerd.
»Was haben Sie im Wald gemacht?«, wollte ich wissen. Blume zückte sofort Notizblock und Bleistift.
»Meinen Morgenspaziergang mit dem Hund«, antwortete Herr Schott.
»Gehen Sie jeden Morgen diese Strecke?«
»Ja, fast immer. Eine halbe Stunde laufen, dann frühstücken.«
»Klingt gesund«, kommentierte ich wertfrei. Und schaden konnte es ihm bei seiner Leibesfülle sicher auch nicht. Er passte gerade so in die Sitzbank hinter dem Klapptischchen.
»Man tut, was man kann, nicht?«, erwiderte er schulterzuckend.
»Was machen sie beruflich?«
»Ich bin Rechtsanwalt. Für Familienrecht.«
»So? Wo haben Sie Ihre Praxis?«
»In Usingen.«
»Ist Ihnen heute Morgen bei Ihrem Spaziergang irgendjemand begegnet?«
Schott schüttelte den Kopf. »Nur zwei Rehe.«
Aus den Augenwinkeln kontrollierte ich, dass Blume auch alles schön mitnotierte, was er natürlich tat. »Wann genau haben Sie das Mädchen gefunden?«, fragte ich Schott als Nächstes.
»Es war kurz vor acht, als ich Zuhause ankam, um die Polizei zu rufen«, antwortete er sofort, ohne zu überlegen. »Davon müssen Sie noch die etwa fünfzehn Minuten abziehen, die ich vom Fundort nach Hause gebraucht habe.«
»Also circa zwanzig vor acht?«, rechnete ich aus. Zudem überlegte ich mir, was das für ein bequemes Leben als Rechtsanwalt sein musste, wenn man erst so spät zur Arbeit gehen brauchte. Aber ich enthielt mich eines Kommentars dazu.
Schott nickte. »Ja, das dürfte hinkommen.«
Ich bat ihn nun, zu erzählen, wie er das Mädchen vorgefunden hatte.
Er schluckte, seine Miene wurde ernst. Mit den Fingern fuhr er sich angestrengt durch die dünnen Haarsträhnen, die über den beinahe kahlen Schädel gekämmt lagen. »Kein schöner Anblick«, erklärte er. »Ein Glück, dass ich noch nicht gefrühstückt hatte. Bin ja jetzt noch nüchtern, bekomme wohl heute sicher keinen Bissen runter. Wenn ich daran nur denke. Ich habe selbst eine Tochter, wissen Sie. Sie ist achtzehn und verlobt sich kommendes Wochenende.« Er erzählte mir das mit einem gewissen Stolz, allerdings vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen.
»Herzlichen Glückwunsch«, entgegnete ich, während meine Ungeduld wuchs. Ich wollte zum Tatort. Es war wie bei einer Cocktailparty, auf der sich schon alle amüsierten, während man selbst als letzter eintrudelte. »Aber bitte, Sie waren dabei, uns zu erzählen, wie Sie das Opfer gefunden haben.
»Natürlich, Verzeihung.« Schott machte eine entschuldigende Geste. »Ich lief ganz normal den Weg entlang, wie immer. Wir gehen jeden Morgen die gleiche Strecke.«
»Wir?«
»Na, ich und Bravo, mein Schäferhund«, klärte er mich auf. »Jedenfalls waren wir unterwegs, als ich auf der Lichtung, bei der Bank, jemanden liegen sah. Ein junges Mädchen. Überall war Blut. Und der Kopf…«
Ich nickte verstehend. »Es war sonst niemand