Brand und Mord. Die Britannien-Saga. Sven R. Kantelhardt

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Brand und Mord. Die Britannien-Saga - Sven R. Kantelhardt

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Herz tat einen Luftsprung. Horsa war ein umgänglicher Mann und Ceretic mochte ihn, aber vor allem würde es ihm nun vielleicht gelingen, Rowena wieder unter vier Augen zu sprechen. Um den jungen Oisc mochte sich dann Horsa kümmern.

      Am Abend nach Hengists Abreise, kurz bevor die Frauen loszogen, um Wasser aus dem nahen Fleet zu schöpfen, schlich sich Ceretic aus der Halle. Mit klopfendem Herzen lenkte er seine Schritte in Richtung des Tores in der kräftigen Palisade, die Hengists Hof und Wurt umgab. Kurz vor dem Tor bog er links ab und blieb hinter der alten Scheune unschlüssig stehen. Wie sollte er es anstellen, Rowena auf sich aufmerksam zu machen? Da hörte er bereits das Geplauder der Frauen vom Torweg herüberklingen. Ceretic zog sich in den Schatten des tief gezogenen Reetdachs der Scheune zurück. Die Frauen bemerkten ihn nicht und zogen an ihm vorbei zum nahegelegenen Fleet. Rowena war unter ihnen. Ceretic sah hilflos zu, wie sie mit ihren Kameradinnen durch das Tor verschwand. Etwas später tauchten alle wieder auf, weiterhin eifrig tratschend, schwere Wassereimer in den Händen. Ceretic hatte nur Augen für Rowena, aber allein mit seinen Blicken konnte er sie nicht von den übrigen Weibern trennen. Wütend und enttäuscht stampfte er auf. Er würde noch einige Augenblicke im Schatten verharren und dann unverrichteter Dinge wieder in die Halle zurückkehren.

      Plötzlich knarrte es hinter ihm. Ceretic fuhr herum und es verschlug ihm den Atem, als er eine weibliche Gestalt in einer Tür der Scheune stehen sah. Doch dann traf ihn die Enttäuschung wie ein Schlag. Vor ihm stand nicht Rowena, sondern eine kleine rothaarige Magd.

      „Wie kann ich Euch behilflich sein? Ich komme gerade von …“, begann er steif, aber das freche Ding unterbrach ihn.

      „Ja, ja, kann ich mir denken. Meine Herrin schickt mich. Morgen Nachmittag gehen wir zum Waschen an den Fleet. Am anderen Ufer gibt es eine gute, tiefe Stelle und eine Wiese, die wir zum Bleichen der Wäsche nutzen. Wir werden bei Ebbe hinüber gehen und du sollst dort im Gebüsch auf sie warten.“ Damit war sie wieder verschwunden.

      Ceretic schaute benommen auf die knorrige Eichentür in der alten Scheunenwand. Doch die alten Bohlen verrieten durch nichts, ob er tatsächlich gerade eine Botschaft von Rowena erhalten oder alles nur geträumt hatte. Er zog seinen Mantel dichter um die Schultern und ging gemessenen Schrittes zur Halle zurück.

      „Was ist dir denn widerfahren?“, begrüßte ihn Tavish erstaunt. „Du grinst ja, als habe dich der Hochkönig gerade in den Ritterstand erhoben.“

      Am nächsten Morgen bat Ceretic Horsa um ein Pferd. „Ich will den Nachmittag für einen Ausritt nutzen, mich etwas bewegen und die Gegend in Augenschein nehmen.“

      „Kannst du gern. Ich selbst habe noch auf dem Hof zu tun, aber ich gebe dir einen meiner Männer mit, damit sie dir das Land zeigen und dich beschützen“, schlug Horsa vor.

      „Das wird nicht nötig sein“, beeilte sich Ceretic zu widersprechen. „Ich beherrsche die sächsische Sprache schon ganz gut und wenn mich jemand fragt, sage ich ihm einfach, ich gehöre zu Hengist und dir. Dann wird es niemand wagen, sich an mir zu vergreifen.“

      Die Antwort brachte Horsa zum Schmunzeln. „Aber du kennst die Gegend doch gar nicht, also nimm mein Angebot schon an“, insistierte er dennoch.

      „Weißt du, Horsa, nach der langen Zeit auf See und dann dem untätigen Leben auf dem Hof … Ich fürchte, dass ich ein wenig eingerostet bin und nicht mehr ganz sicher im Sattel sitze. Ich würde lieber allein ein paar Stunden losziehen. Niemand soll später sagen, wir Britannier könnten nicht reiten.“

      Dagegen wusste auch der gutmütige Horsa nichts einzuwenden. So ließ er für Ceretic eine ziemlich gemütlich aussehende Mähre satteln. Ceretic verzog beim Anblick des Pferdes säuerlich den Mund. Eigentlich war er ein sicherer Reiter und liebend gern hätte er einen der feurigen Hengste gewählt. Die sächsischen Pferde waren allesamt viel größer und vermutlich auch schneller, als die britannischen Ponys. Doch er fügte sich schweigend und stieg in den Sattel. Das war angesichts der Größe des Rosses gar nicht so einfach. Ceretic musste sich ein zweites Mal mit viel Schwung hochstemmen, um es bis in den Sattel zu schaffen. Horsa sah ihm belustigt zu.

      „Wie macht ihr das denn sonst?“, fragte Ceretic mit unterdrücktem Ärger.

      „Dafür gibt es diese Schlaufen hier“, entgegnete Horsa gut gelaunt und hob eine der Lederschlaufen an, die in Höhe des Sattelgurtes neben dem Bauch des Tieres hingen und als Aufsteighilfe dienten. „Habt ihr die in Britannien etwa nicht?“

      „Brauch ich nicht“, erklärte Ceretic peinlich berührt. Rasch drückte er dem Pferd die Waden in die Flanken, woraufhin es sich gemächlich in Bewegung setzte. Ceretic lenkte das Tier dem Lauf des Beufleetes folgend nach Süden. Bald zweigte rechter Hand ein Pfad ab, der nach wenigen hundert Schritten in einem Bruchwald verschwand. Ceretic schauderte. Hengist hatte erwähnt, dass hinter dem Gehölz das Opfermoor lag. Die warme Sonne in seinem Gesicht vertrieb die düsteren Gedanken rasch und Ceretic folgte weiter dem festen Uferweg.

      Als er sich nach etwa einer halben Stunde ausreichend weit vom Hof entfernt wähnte, trieb er sein Reittier in einen langsamen Trab. Nachdem noch einmal dieselbe Zeitspanne verstrichen war, überquerte er den hier nur noch wenige Schritte breiten Fleet und kehrte in einem weiten Bogen nach Norden um. Dichtes Gebüsch bedeckte das unbebaute Land. Glücklicherweise durchschnitten kleinere Wildwechsel und Bachläufe das Dickicht, sodass Ceretic weiterhin gut vorankam. Doch mit zunehmender Entfernung von dem Wasser ziehenden Fleet, wurde auch auf dieser Seite der Boden immer morastiger. Schilf säumte besonders feuchte Stellen.

      Plötzlich brach sein Pferd mit der Vorderhand ein. Ceretic klammerte sich erschrocken an der Mähne fest. Beinahe wäre er in den Sumpf gestürzt. Dieses Moor war wirklich heimtückisch. Er konnte sich wahrhaftig gut vorstellen, dass die heidnischen Unholde sich solch einen Ort aussuchten, um armen Seelen aufzulauern und ihre schaurigen Opfer zu empfangen. Ceretic schickte ein leises Stoßgebet zum Himmel hinauf. Immerhin war sein Pferd nicht in Panik verfallen. Das ließ doch eigentlich darauf schließen, dass ihm solche Situationen nicht völlig fremd waren, überlegte er. Beklommen versuchte er, die in ihm selbst aufkeimende Panik zu unterdrücken und lehnte sich im Sattel nach hinten, um die Vorderhand der Stute zu entlasten. Tatsächlich zog das treue Pferd, begleitet vom kräftigen Schmatzen des Schlamms, erst den rechten, dann den linken Huf aus dem Morast. Ceretic verharrte reglos im Sattel und blickte prüfend in alle Himmelsrichtungen, doch es zeigte sich keine Menschenseele, die sein Ungeschick beobachtet hätte. Er beschloss, blind auf die Instinkte seines Reittiers zu vertrauen. Langsam, aber doch zielstrebig, setzte die Stute nun einen Huf vor den anderen, bis sie wieder den höher gelegenen Marschboden unter sich hatten.

      In einem kleinen Wäldchen ließ sich Ceretic erschöpft aus dem Sattel gleiten. Tief atmete er durch. Vielleicht war Horsas Rat, einen Führer mitzunehmen, doch nicht so überflüssig gewesen. Er nahm seiner Stute Sattel und Zaumzeug ab und band sie mit einer langen Schnur an einem der niedrigen Bäume in Schulterhöhe fest. So könnte sie zwar mit dem Maul den Boden erreichen, aber nicht mit den Beinen über die Leine steigen und sich darin verheddern. Zufrieden betrachtete Ceretic, wie das Pferd zu grasen begann. Dann blickte er sich nochmals prüfend um. Niemand störte die Ruhe des Nachmittags.

      Eilig wandte er sich zu Fuß zurück in Richtung des Beufleets. Anhand des Sonnenstandes schätzte er, dass ihm noch etwa zwei Stunden bis zu dem geplanten Treffen blieben, aber er wollte die besagte Stelle am Ufer des Fleets lieber noch in aller Ruhe in Augenschein nehmen, bevor Rowena mit ihren Gefährtinnen dort auftauchte.

      Bald ging der niedrige Bruchwald, in dem Ceretic sein Pferd versteckt hatte, in das dichte Buschwerk über, welches binnenwärts an die salzigen Marschen anschloss. Nun, bei Ebbe, waren die meisten der kleinen Wasserläufe hier trockengefallen. Ceretic versuchte sich anhand der Sonne zu orientieren und hoffte, dass ihn der gewundene Wildwechsel, dem

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