Brand und Mord. Die Britannien-Saga. Sven R. Kantelhardt
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Brand und Mord. Die Britannien-Saga - Sven R. Kantelhardt страница 8
„Ganz und gar nicht. Ich habe nur keine … Ich weiß gerade gar nicht mehr, wo wir uns zuletzt, äh, begegnet sind“, stammelte er.
Die junge Frau lachte leise. Sie war schön, eine wahre Schönheit sogar. Hochgewachsen und schlank mit strahlend blauen Augen und goldenem Haar.
„Entschuldigt. Eigentlich kennt Ihr mich auch noch gar nicht. Ich bin Rowena, Hengists Tochter“, fuhr die Sächsin fort.
Irrte Ceretic oder flog eine zarte Röte über ihr Gesicht? Nein, er musste sich in der dunklen Halle geirrt haben.
„Wir haben uns in Feddersen getroffen, aber da wart Ihr viel zu beschäftigt, um mich zu bemerken. Ihr habt ein Lied aus Eurer Heimat vorgetragen – so eine klare Stimme wie Eure und solche Musik habe ich noch nie gehört. Auch etliche noble Männer, die etwas von diesen Dingen verstehen, bestätigten später öffentlich, sie hätten nie ein besseres Lied vernommen.“
Ceretic bemühte sich um eine passende Erwiderung, damit er nicht wie ein ungalanter Trottel dastand. „Verdammt“, murmelte er.
Das Mädchen schien nicht sicher, ob es ihn richtig verstanden hatte und hob erstaunt die Augenbrauen. Ceretic schluckte hart. Er hätte sich ohrfeigen können.
„Ich bin Euch schon begegnet und habe Euch nicht bemerkt?“, fragte er schließlich. „Wenn meine Aufgaben mich so in Beschlag nehmen, dass mir solche Anmut wie die Eure nicht auffällt, dann bin ich pflichtbewusster als ich mir je vorstellen konnte.“ Und definitiv pflichtbewusster als ich dachte, fügte er in Gedanken hinzu. Ziemlich plump, aber die junge Sächsin errötete schon wieder, demnach war sein Gestammel wohl doch nicht so übel gewesen.
Dann legte sie die Stirn in Falten und richtete sich kerzengerade auf. „Ihr seid ein Dichter, der sich auf Worte versteht“, bemerkte sie kühl, drehte sie sich um und stolzierte aus der Halle. Ceretic blickte ihr noch eine ganze Weile verwirrt hinterher.
Dithmarschen, Mai 441
Ordulf
„Kommst du mit? Wolderich hat einen Gast, der allen freien Sachsen etwas mitzuteilen hat. Heute Nachmittag wird er in Fahrstedt sprechen.“ Aufgeregt lief Ordulf über den Hof. Nach der schlimmen Flut vor einer Woche, bei der sie drei volle Tage vom Meer eingeschlossen auf ihrer Wurt hatten ausharren müssen, war er nun voller Tatendrang.
„Kümmere dich erst um die Schafe“, rief sein ältester Bruder, der wie sein Vater und Großvater Swæn hieß, missbilligend. „Oder hilf mir.“ Er mühte sich gerade mit einem großen Ast ab, den die Sturmflut auf ihrer Weide zurückgelassen hatte. Aus dem Treibholz sollte ein neuer Türpfosten entstehen. Aber Ordulf war schon fort, um nach Agill, seinem nächst älteren Bruder, zu suchen.
Am Nachmittag schlossen sich ihm dann aber doch beide Brüder an. Ordulf hatte seine besten Kleider angelegt und schritt eilig voraus. Es war kein weiter Weg und in der flachen Marsch konnten sie die hoch aufragende Wurt der Wolderichsmannen nicht verfehlen. Auf dem großen Hof angekommen, schaute Ordulf sich gespannt um. Zwischen dem Langhaus mit den Stallungen und den dicht gedrängten Katen der Knechte und entfernteren Verwandten Wolderichs, blieb ein runder Platz frei, der zum Zusammentreiben des Viehs oder für Versammlungen genutzt wurde. Darauf befand sich bereits eine ansehnliche Schar meist junger Männer.
„Seht nur“, raunte Ordulf seinen Brüdern zu. „Der dort drüben mit der Lederkappe kommt doch aus der Nordermarsch. Und sogar Leute von der Geest sind da!“
Swæn stieß ihn als Antwort nur stumm in die Seite und winkte mit dem Kopf noch weiter nach rechts hinüber. Ordulf blickte in die angedeutete Richtung und kniff die Augen zusammen, um schärfer zu sehen. Dann erkannte er ihn auch: Hoger, einer der Führer des Ebbingemannengeschlechts.
Unwillkürlich tastete Ordulf nach seinem Sax. Zwischen den Geschlechtern der Swænen und Ebbingemannen schwelte eine Blutfehde. Erst auf dem letzten Thing hatte Vater Swæn einen Ebbingemannen wegen Viehdiebstahls und dem Mord an einem seiner Kleinknechte angeklagt. Aus der Klage war nichts geworden, die Sippe der Ebbingemannen stellte mehr Eideshelfer als die Swænen und wurde zudem noch von den Rodbellingern unterstützt. Der alte Swæn hatte getobt und an eine Versöhnung war nicht zu denken.
Ordulf schaute mit zusammengekniffenen Augen zu Hoger hinüber, aber da trat der alte Wolderich in die Tür seines Hauses.
Das Gemurmel erstarb und alle Augen richteten sich gespannt auf den Greis. Er war immer noch eine imposante Erscheinung, doch der Mann, der ihm folgte, überragte ihn fast um Haupteslänge.
„Gut, dass die Dithmarscher aus dem ganzen Gau zusammen gekommen sind“, begann Wolderich. „Ich will euch jemanden vorstellen, von dem ihr sicher schon viel gehört habt. Das hier ist Hengist Witgissunu. Von seinen Abenteuern im Dienste des Dänenkönig Hnæf brauche ich nicht zu berichten. Aber ich lasse ihn für sich selbst reden, denn ich bin kein Mann großer Worte.“
Nach dieser für ihn ungewöhnlich langen Rede trat Wolderich einen Schritt zurück und ließ den angekündigten Recken in der Mitte des Kreises. Neugierig drängten sich die Männer heran.
Hengist prangte in voller Rüstung. Er trug einen Eisenhelm mit breitem Kamm und Nasenschutz. Stilisierte buschige Brauen aus vergoldeter Bronze beschatteten die zusätzlich durch Eisenringe geschützten Augen und verliehen dem Helden ein wildes und verwegenes Aussehen. Über einem schweren Lederwams und hochgeschnürten Bundschuhen trug er eine Brünne, die ebenfalls aus Eisenringen bestand. Da die meisten Sachsen ihre heimischen Händel mit dem Sax austrugen und nur im Krieg zu dem langen Schwert und runden Schilden griffen, beeindruckte diese komplette Rüstung Ordulf tief.
Unwillkürlich hielt er die Luft an. Das also war der berühmte See-Sachse, von dessen Abenteuern man sich im Winter am prasselnden Herdfeuer erzählte!
Hengists Blick glitt kalt und hart über die Versammlung hinweg. Dann rief er laut: „Ihr Männer von Dithmarschen, sächsische Stammesbrüder und Schwertgenossen! Ich habe euch etwas zu sagen. Von Abenteuern, roten Ringen und gutem britannischen Silber. Ihr alle könnt Heldentaten vollbringen, von denen man noch länger berichten wird, als von meiner Fahrt nach Finnsburg. Und reich beladen mit Schätzen sollt ihr heimkehren.“ Er blickte wieder mit seinen kalten Augen in die Runde. Dann, als die ersten Männer unruhig wurden, fuhr er fort: „Ja, es gibt güldene Kleinode zu gewinnen. Für jeden, der sein Schwert tapfer zu führen weiß, wird es wahrlich nicht schwer Reichtümer zu bergen. Genau wie ich mit Hnæf dem Dänen zog, so ruft nun ein anderer König unsere Dienste. Brave Kriegsmannen sucht er, denn in seinem eigenen Land findet er keine und die Feinde bedrängen ihn hart. Gutes Silber verspricht er denen, die ihm zu Hilfe eilen.“
Vereinzelte Rufe wie „Wenn der König richtige Männer sucht, dann soll er die Willichsmannen fragen!“, „Ich bin der Stärkste, nimm mich mit!“ oder „Halts Maul, du Angeber, lass ihn ausreden“ wurden laut. Hengist hielt noch ein paar Atemzüge inne und Ordulf fühlte ein Prickeln in seinem Nacken. Was der Haduloher da versprach, entsprach seinen innersten Wünschen. Vielleicht könnte er von dieser einen Fahrt genug Silber heimbringen um ein Mädchen zu heiraten! Er errötete bei dem Gedanken, aber zum Glück achtete niemand auf ihn.
„Wo finden wir diesen edlen König, der tapfere Recken sucht?“, rief ein Mann in der ersten Reihe. Ordulf glaubte, einen der Vogdemannen zu erkennen, der auch auf dem letzten Thing viele Worte gemacht hatte.
Hengist sah ihn fest an. „Wenn ihr tapfer und zu allem entschlossen seid, aber auch nur dann, kann ich euch zu ihm führen.