Die Colonie. Gerstäcker Friedrich

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Die Colonie - Gerstäcker Friedrich

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Seele, daß Sie ein außergewöhnlich günstiges Resultat erzielen werden, aber -"

      „Aber?"

      „Aber," fuhr der Baron, sich verlegen die Hände reibend, fort, - „ich besitze kein Capital, um mich dabei zu betheiligen."

      „Sie besitzen kein Capital?" sagte die Gräfin erstaunt.

      „Ich besitze allerdings ein kleines," verbesserte sich der Baron, „was ich aus dem Verkaufe meiner Chagra und meines Viehes, besonders meiner Pferde, gelöst habe, aber ich brauche das nothwendig zu meinem unmittelbaren Leben, und wenn ich dasselbe angreife, bin ich am Ende genöthigt, mir noch auf meine alten Tage mein Brod mit Handarbeit zu verdienen."

      „Und glauben Sie nicht, daß Sie das Drei-, ja vielleicht Vierfache Ihrer jetzigen Zinsen bei einem solchen Unternehmen herausschlagen könnten?" lächelte die Gräfin.

      Der Baron hätte um sein Leben gern „Nein" gesagt, aber er riskirte es nicht; die etwas hitzige Gräfin hätte sich beleidigt fühlen können, und er erwiderte nur achselzuckend:

      „Ich bin zu alt zur Speculation, meine Gnädigste, und - außerdem ist mir die Sache auch wirklich noch zu neu - zu fremd - es kam mir zu überraschend. Gestatten Sie mir, daß ich mich vorher ein wenig informire, und wir können ja dann später mit Muße darüber sprechen."

      „Aber die Zeit drängt, mein bester Baron," versicherte die Gräfin; „ich habe die nicht unbegründete Vermuthung, daß sich Andere mit einer ähnlichen Idee tragen, und es ist in der That seltsam, daß ein solches auf der Hand liegendes Unternehmen nicht schon lange mit Begierde aufgegriffen ist. Was also geschehen soll, muß rasch geschehen. Ich habe dabei /54/ von Anfang an auf Sie gerechnet, da ich Sie als alten, lieben Freund meines Hauses kannte, und ich hoffe nicht, daß Sie mich jetzt im Stiche lassen werden."

      Dem Baron kam es allerdings etwas wunderlich vor, daß die Frau Gräfin gerade auf ihn von Anfang an gerechnet haben sollte, während sie ihn erst im letzten entscheidenden Augen- blicke davon in Kenntniß setzte. So groß seine Höflichkeit aber auch sein mochte, der Trieb zur Selbsterhaltung war doch noch größer, und mit viel mehr Entschiedenheit, als er bis jetzt gezeigt und überhaupt der Gräfin gegenüber für möglich gehalten hätte, sagte er, indem er seine Tabaksdose in allen Taschen suchte:

      „Man soll eine Dame nie im Stiche lassen, meine Gnädigste, aber - ich bitte tausendmal meiner Hartnäckigkeit wegen um Entschuldigung - ich muß doch darauf bestehen, vor allen Dingen mir eine größere Kenntniß über den Betrieb dieser Angelegenheit zu verschaffen. Apropos - sollte sich der Director Sarno nicht am Ende bewogen finden, ein so gemeinnütziges Unternehmen aus Regierungsmitteln zu fördern?"

      Ein ganz eigener Ausdruck von Zorn und Verachtung zuckte um die Lippen der Dame, als sie erwiderte:

      „Ja, wenn ihm einer der Bauern den Vorschlag gemacht hätte."

      „So haben Sie schon mit ihm darüber gesprochen?" rief der Baron, von dieser Wendung sichtlich überrascht.

      Die Gräfin hatte sich in ihrem Unmuthe verleiten lassen, mehr zu sagen als sie eigentlich wollte. Was noch gut zu machen war, that sie.

      „Fällt mir nicht ein," sagte sie wegwerfend; „der Herr Director und ich stehen nicht auf einem so freundschaftlichen Fuße zusammen, ihm eine solche Mittheilung zu machen, und ich werde mich hüten, mit der brasilianischen Regierung etwas Derartiges zu beginnen, die mir vielleicht fünfzehn oder zwanzig Procent für meine Mühe ließe. Doch Sie verlangen Zeit, mein lieber, ängstlicher Freund, und seien Sie versichert, daß ich Sie nicht drängen möchte. Ueberlegen Sie sich also die Sache, sagen Sie mir aber bis spätestens morgen /55/ früh Antwort, oder" - setzte sie hinzu, indem sie lächelnd mit dem Finger drohte - „ich halte mich an kein Versprechen mehr gebunden und sehe mich nach einem andern Compagnon um."

      Der Baron machte eine stumme, dankende Verbeugung, schien aber von dieser directen Drohung keineswegs so eingeschüchtert, wie es die Wichtigkeit der Sache hätte sollen vermuthen lassen. In diesem Augenblicke bekam er aber auch Succurs, denn ihr Gespräch wurde durch jenes wunderliche Individuum, Jeremias, unterbrochen, der plötzlich in den Garten kam, ohne Weiteres auf die Frau Gräfin und den Baron zuging, und Beiden, ehe sie es verhindern konnten, auf das Cordialste die Hand schüttelte. Oskar, der Zeuge dieser Scene war, lag noch immer in der Laube auf der Bank und wollte sich jetzt ausschütten vor Lachen.

      Oskar war auch in der That die eigentliche Ursache dieser plötzlichen Begrüßung gewesen, denn während er in der Laube seine Siesta hielt, da ihn die Projecte der Frau Mutter wenig interessirten, hatte er nur über seinen heutigen Verlust, den Pferdejungen, nachgedacht, der sich auf so grobe Weise empfohlen, und dabei hin und her überlegt, wie er denselben wohl ersetzen könne. Da ging Jeremias, ebenfalls auf einem Sonntag-Nachmittag-Spaziergange begriffen, an der Laube vorüber, und Oskar, der den sonderbaren Burschen schon kannte und sich oft über ihn amüsirt hatte, glaubte in ihm einen passenden Ersatz gefunden zu haben und rief ihn auch ohne Weiteres an und herein.

      „Guten Tag, Frau Gräfin," sagte Jeremias indessen, durch das etwas erstaunte Zurückfahren der Dame nicht im Mindesten beirrt - „schönen guten Tag, Herr Baron - prächtiges Wetter heute - wie bei uns im Sommer - nur ein bischen heiß - Herr Gott, wie man schwitzt!"

      „Und was wollen Sie?" fragte die Gräfin, wie in Gedanken die eben erfaßte Hand mit ihrem Batisttuche abwischend. Jeremias war das auch nicht entgangen; er betrachtete ebenfalls seine eigenen arbeitharten Fäuste, und sein Gesicht verzog sich zu einem breiten Grinsen. Aber er nahm /56/ weiter keine Notiz davon, sondern sagte nur, freundlich ihr zunickend:

      „Der junge Herr da hinten hat mich gerufen; will einmal zu ihm gehen und sehen, was er wünscht - amüsiren Sie sich gut" - und mit einer Art von Kratzfuß drückte er den Hut wieder in die Stirn und wandte sich dorthin, wo Oskar schon wieder sein: „Jeremias, hierher!" herüberrief.

      „Hat ihm schon," antwortete Jeremias, als er in die Laube trat, sich ohne Weiteres auf die andere Bank setzte und vergnügt mit den kurzen Beinen schlenkerte; „hier ist's hübsch kühl; wenn man jetzt hier ein Maß baierisch Bier und einen Handkäs hätte, könnte man's eine ganze lange Weile aushalten."

      Oskar hatte sich das Benehmen seines künftigen Pferdejungen wahrscheinlich anders gedacht; mit den Sonderbarkeiten des Burschen aber schon bekannt, beachtete er es nicht weiter und fragte ohne Umschweife:

      „Willst Du Geld verdienen, Jeremias?"

      „Immer," lautete die kurze, bündige Antwort.

      „Kannst Du Pferde warten?"

      „Kann ich?" sagte Jeremias in Selbstvertrauen.

      „Und wie viel verlangst Du monatlich?"

      „Hm," meinte der Bursche, den brennend rothen Schopf kratzend, der sich jetzt, als er dazu den Hut abnahm, als eine alte, ziemlich abgetragene Perrücke auswies, „je mehr, je besser - was lohnt's denn eigentlich?"

      „Sechs Milreis."

      „Und sonst noch 'was?"

      „Stiefelputzen -"

      „Ne, so mein' ich's nicht," sagte Jeremias, „ob noch sonst etwas bei den sechs Milreis wäre, wie Schnaps, Frühstück, Trinkgeld oder dergleichen."

      „Wenn Du Dich gut hältst, gewiß," sagte der junge Graf.

      Jeremias schob beide Hände, so tief er sie bekommen konnte, in seine Hosentaschen

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