Crystal Fire. Jürgen Ruhr

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Crystal Fire - Jürgen Ruhr

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flüsternd miteinander. Daniel wusste, dass es nicht leicht sein würde, den Freund zu überzeugen. „Keine Drogen? Wie nennst du Lysergsäurediethylamid, Benzoylecgoninmethylester oder Tetrahydrocannabinol denn dann? Oder was du sonst so zusammenbraust?“, fügte der anschließend hinzu. Flo hörte ihm zwar immer aufmerksam zu, wenn er von seinen Forschungen sprach, lehnte sie aber grundsätzlich ab.

      „Es geht nicht um LSD, Kokain oder Haschisch“, erklärte Daniel. „Damit hat das überhaupt nichts zu tun. Das weißt du!“ Sein Ton wurde eine Spur schärfer. Flo war nicht der Freigeist, der er gemäß seinem schludrigen Aussehen hätte sein müssen. Ja, sie hatten in der Oberstufe den ein- oder anderen Joint geraucht, doch er war kein Junkie, der irgendwelche Drogen in sich hineinstopfte. Schließlich handelte es sich um wissenschaftliche Experimente, auch wenn solche Substanzen den Grundstock für seine ‚Medikamente‘ bildeten. Und außerdem nahm er die Substanzen ja nicht selber.

      „Ich bin kurz vor einem Durchbruch“, erklärte Daniel. Er brauchte Flos Hilfe und zwang sich, ruhig und sachlich zu bleiben. „Das hat nichts mit Drogen zu tun. Außerdem ist es immer eine Frage der Menge. Als angehender Mediziner solltest du das wissen.“

      Florian nickte.

      „Siehst du“, fuhr Daniel fort. „Und der Gefallen, um den ich dich bitten möchte, hat überhaupt nichts mit Drogen oder Drogenbeschaffung zu tun.“ Er fügte eine Lüge an, doch das Mittel heiligte schließlich den Zweck. „Ich verwende kein Lysergsäurediethylamid, Benzoylecgoninmethylester oder Tetrahydrocannabinol, das schwöre ich dir.“ Natürlich bildeten die Substanzen eine gewisse Basis seiner Forschungen, doch sein Freund brauchte das jetzt nicht zu wissen. Es genügte schon, dass der von Zeit zu Zeit die Pakete mit den Nachschublieferungen für ihn entgegennahm.

      Natürlich ohne zu wissen, was die Lieferungen beinhalteten.

      „Sag mir, was du von mir willst, dann entscheide ich, ob ich dir helfe oder nicht.“

      Daniel atmete auf. Wenigstens lehnte sein Freund seine Bitte nicht von vornherein ab. „Meine Katze ist fortgelaufen“, begann er. „Ich wollte dich lediglich bitten, mir aus dem Tierheim eine neue zu besorgen.“

      Flo zeigte sich skeptisch: „Fortgelaufen? Oder ist sie gestorben, wie all die anderen vor ihr auch? Wie viele Katzen hast du eigentlich durch deine ‚Experimente‘ ums Leben gebracht? Zehn, zwanzig?“

      Daniel seufzte leise. „Es waren lediglich vier. Und ich habe sie nicht ‚ums Leben gebracht‘. Für die Wissenschaft müssen alle gewisse Opfer bringen. Und die Katze ist wirklich weggelaufen. Sie lebt noch und es geht ihr verdammt gut.“

      „Wenn ich dir ein neues Tier besorgen soll, dann musst du mir schwören, dass dem nichts passiert. Warum holst du dir eigentlich nicht selbst so eine Katze?“

      „Weil man mich inzwischen überall kennt. Ich war schon in allen Tierheimen in der Umgegend und sogar zweimal bei der Katzenhilfe und beim letzten Mal verlangte man von mir, meine Wohnung zu besichtigen, um zu sehen, ob es den Tieren auch gut geht. Wenn ich jetzt dort auftauche, könnte das Ärger bedeuten.“

      „Dann solltest du deine ‚Forschungen‘ einstellen und die armen Tiere nicht alle mit Drogen vergiften.“ Florian schüttelte den Kopf. „Bring dein Studium doch erst einmal zu Ende, dann kannst du zu einem renommierten Forschungsinstitut gehen und dort weiterforschen. Mit einem guten Abschluss steht dir die ganze Welt offen. Außerdem werden üblicherweise Mäuse für diese Art von Experimenten benutzt. Warum also ausgerechnet Katzen?“

      „Florian“, benutzte Daniel jetzt den kompletten Vornamen seines Freundes und nicht die Kurzform. Sein Ton klang zunehmend gereizter und er rief sich erneut zur Ruhe, atmete tief durch und fuhr etwas gemäßigter fort: „Wie ich sagte, benutze ich keine Drogen. Außerdem stehe ich kurz vor einem Durchbruch. Die Katze hat jetzt schon zehn Tage länger durchgehalten, als jemals eine vor ihr. Ich brauche nur noch dieses eine Tier.“ Er verschwieg seinem Freund, dass inzwischen wesentlich mehr als die vier Katzen gestorben waren. Und auch Mäuse, mit denen er seine ‚Forschungen‘ begonnen hatte. Aber Mäuse waren nicht so einfach zu bekommen, wie Katzen und auch schwerer zu halten. So hatte er sich für eine Katze entschieden, deren Verhalten zudem auch noch wesentlich besser zu studieren war, als das der kleinen Nagetiere.

      Nach dem Tod der Katzen - es waren insgesamt fünfzehn gewesen, über die er penibel Buch führte - hatte er die Tiere in seiner kleinen Wohnung seziert und genauestens untersucht. Zu seiner Freude konnte er keinerlei Gewebeveränderungen im Gehirn feststellen. Der Tod ging immer auf multiples Organversagen zurück. Alle toten Tiere wurden von ihm nach seinen Untersuchungen sorgfältig in Beton eingegossen und im Rhein versenkt. An verschiedenen Stellen, immer mitten in der Nacht und stets darauf bedacht, nicht beobachtet zu werden.

      Daniel überlegte einen Moment und ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen. „Ich werde dir natürlich alle anfallenden Kosten großzügig ersetzen und ...“ Er machte eine kurze Pause, um die Spannung zu erhöhen und seinen folgenden Worten mehr Gewicht zu verleihen: „Du darfst meinen Wagen benutzen, wann immer du willst. Natürlich nur, wenn ich ihn nicht selbst brauche, aber denke einmal daran, welchen Eindruck du auf diese Sylvia machen könntest ...“

      Flos Blick wanderte zum Tisch hinter seinem Freund, doch die Mädchen dort waren verschwunden. „Den MX-5? Wirklich? Du würdest mir den Wagen leihen? Bald haben wir Semesterferien, gilt dein Angebot dann auch noch?“

      Daniel lehnte sich grinsend in seinem Stuhl zurück. Er wusste, dass er gewonnen hatte. „Auf jeden Fall. So habe ich es dir versprochen. Wenn du mir heute Nachmittag eine neue Katze bringst.“

      2. Versuchsmaterial

      Daniel Bossheimer saß in seiner Zweizimmerwohnung in der Düsseldorfer Altstadt und las die Protokolle seiner letzten Versuche mit der entlaufenen Katze. Er ärgerte sich, dass das Tier entkommen war, denn das bedeutete, dass er nun wieder bei Tag eins seiner Experimente beginnen musste. Aber wenigstens schien die Zusammensetzung der Substanz die Katze nicht geschädigt zu haben. Im Gegenteil: Nachdem er die richtige Dosis gefunden hatte, zeigte der kleine Stubentiger sensationelle Fortschritte. Die Reflexe waren eindeutig schneller geworden und die Intelligenz steigerte sich merklich. Dabei zeigte das Tier niemals Anzeichen irgendeiner physischen oder psychischen Abhängigkeit. Natürlich war das schwer zu beurteilen, doch Daniel hatte keinerlei Entzugserscheinungen bei seinem Versuchstier bemerken können. Das Pulver, das er aus einer Reihe von Zutaten zusammenmixte und selbstverständlich Anteile von LSD enthielt, schien dem Körper aber in keiner Weise zu schaden.

      Daniel lächelte und klickte auf ein Symbol am Bildschirm. Eine komplizierte chemische Formel erschien und als er diese erneut mit dem Mauszeiger anklickte, wurden die Molekülketten der Formel grafisch dargestellt. ‚Lysergsäurediethylamid‘, überlegte er und sah sich die Verbindung mit den anderen chemischen Mitteln an, ‚das ist der eigentliche Katalysator‘. Seine Versuche mit Kokain und einem Haschischderivat hatten in der Kombination mit den Tabletten, die er mühsam in einem Mörser zerkleinerte, und den anderen chemischen Mitteln zum Versagen der Organe im Katzenkörper geführt. Mit Lysergsäurediethylamid lag die Sache ganz anders und Daniel war sich sicher, endlich den großen Treffer gelandet zu haben. Seit ihm seine Eltern mit zwölf Jahren einen Chemiebaukasten schenkten, arbeitete er schon darauf hin. Er lachte leise und murmelte zu sich selbst: „Wenn die wüssten, was ich damals schon zusammengebraut habe ...“

      Daniel kehrte zu seinen Aufzeichnungen über die Experimente mit den verschiedenen Mitteln zurück. Anfänglich versagte der Kreislauf der kleinen Tiere, als er aber die Dosis verringerte, die er ihnen ins Futter mischte, zeigte sich gar keine Wirkung mehr. Oder eine zu geringe und vernachlässigbare Veränderung des Verhaltens der Katzen. Teilweise schienen

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