Mississippi-Bilder. Gerstäcker Friedrich

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Mississippi-Bilder - Gerstäcker Friedrich

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Kaum hatte Tessakeh diese Worte beendet, als er täuschend den Ruf des Hirschkalbes nachahmte. Hochaufhorchend richtete sich der Bär, als er den schrillen, unerwarteten Laut hörte, empor, und in demselben Moment donnerte auch das massive Gewölbe den Krach der Büchse nach. Wie von einem elektrischen Schlage aber getroffen und ehe noch der Rauch von der Mündung des Rohres fortziehen konnte, stürzte sich der Bär auf den Schützen, dem nicht einmal Zeit blieb, die Büchse hinzuwerfen und sein breites Messer zu ziehen, sondern, zurückgeschleudert durch die fürchterliche Gewalt und Kraft des Untieres, traf er mit dem Kopf an die Felsenwand neben sich und brach bewusstlos zusammen.

       Tessakeh jedoch, der, auf dem Bauche liegend, die scharfe Klinge in der Hand, unter dem Rauch hinweg das Anprallen des Verwundeten noch zur rechten Zeit bemerkte und wohl vermutete, dass der Bär weniger eine feindliche Absicht, als den Wunsch, das Freie zu erreichen habe, schmiegte sich dicht an den Boden, und stieß mit dem scharfen gezückten Stahl nach der über hin hinwegsetzenden und gleich darauf im Dunkel der Höhle verschwindenden Bestie.

       Werner war zwar durch den Schlag betäubt worden, erholte sich aber augenblicklich wieder; doch konnte er sich nicht gleich besinnen, wo er war, denn rabenschwarze Nacht umgab ihn. Da hörte er das Anschlagen eines Messers an den Feuerstein und das Bewusstsein seiner Lage kehrte zu ihm zurück.

Bärenjagd-3

       „Tessakeh“, rief er, „wo sind unsere Lichter?“

       „Wenn sie der Bär nicht mitgenommen hat, müssen sie neben uns liegen“, antwortete lakonisch der Indianer, „aber mein Gesicht ist nass und ich schmecke Blut. Tessakehs Stoß ist sicher und der Bär wird nicht zurückkehren, um zu sehen, ob der Feind in seinem Lager ruhe.“

       Er hatte unterdessen etwas Schwamm entzündet, riss ein Stück von seinem Jagdhemd herunter und bald leuchtete ihnen wieder eine freundliche Flamme entgegen. Sie untersuchten nun den Platz, wo er gelegen hatte und fanden dicke, schwarze Blutstropfen bis zu der Stelle, wo ihn Tessakeh verwundete, und von dort aus das Blut überall in der Höhle umher gespritzt; der Indianer war ganz bedeckt davon. Werner wollte jetzt erst die Büchse wieder laden, Tessakeh verhinderte ihn aber daran.

       „Der Schuss war gut“, sagte er, „und wenn das Blut nicht gleich floss, so öffnete ihm mein Messer den Weg; wir werden nicht weit zu suchen brauchen um den Bären verendet zu finden; wozu die Büchse wieder laden?“

       „Warum hattest Du aber Dein Licht ausgeblasen, Tessakeh? Die übermäßige Helle wird Dir doch wahrhaftig nicht die Augen geblendet haben?“

       „Weiß mein Bruder, wie lange wir noch in der Höhle zubringen werden? Wenn der Bär in dem engen Gange liegen geblieben ist, der sich zwischen hier und der Schlucht hin dehnt, so wird der schlanke Mann am Feuer draußen die Sonne auf- und untergehen sehen, ehe wir zu ihm zurückkehren können.“

       „Verwünscht!“, rief Werner. „An das habe ich gar nicht gedacht – wenn er dort steckt, so sind wir eingesperrt hier. Ha! Mir ist’s jetzt schon, als ob die Luft dichter würde – komm, Tessakeh, lass uns eilen, mir ist nicht wohl, bis ich weiß, was wir zu fürchten haben.“

       Lautlos krochen die beiden Männer nun den Weg, den sie gekommen waren, zurück und erreichten, ohne auf den Bär gestoßen zu sein, die Schlucht, immer aber bewies das dicke, geronnene Blut in ihrem Wege, dass er, schwer verwundet, nicht mehr weit konnte geflohen sein.

       „Es wäre doch schändlich“, murmelte Werner, der jetzt hinter dem Indianer zurückkroch, „wenn er unten in der Schlucht läge, da hätten wir den ganzen Spaß umsonst gehabt, denn der Henker soll mich holen, wenn ich ihm freiwillig da hinunter folge!“

       „Wah!“, rief Tessakeh, der mit Werners Licht in der Hand, da er das seinige, als das kürzeste, noch aufsparen wollte, einen Augenblick in die Schlucht hinunter geleuchtet hatte und jetzt gegenüber dahin sah, von wo sie mit Lebensgefahr herübergekommen waren.

       „Liegt er unten?“, frug der Deutsche hastig.

       „Ich wollte, er läge“, murmelte der Indianer vor sich hin, „unsere Lichter werden niederbrennen und wir werden hungern und dursten, aber nicht die andere Seite der Schlucht erreichen.“

       „Aber, Tessakeh, was ist denn im Weg? Warum sollten wir nicht die andere Seite erreichen?“, frug Werner ängstlich, indem er sich bemühte, an des Indianers Seite heran zu kriechen und die Ursache seiner Furcht zu sehen. Dieser schmiegte sich dicht an den Felsen an und sein Licht über die Schlucht haltend, dass sich die Strahlen an der anderen Seite brachen, rief er: „Hier ist die Schlucht, aber wo ist der Ausgang?“

       Einen Schreckensruf stieß jetzt aber selbst der ruhigere Deutsche aus, als er den gegenüberliegenden Gang so mit dem Körper des wahrscheinlich verendeten Bären ausgefüllt sah, dass auch nicht die geringste Aussicht blieb, hinüber zu kommen, ohne in die Schlucht zu stürzen, da nicht ein Zoll breit fester Boden dort war, auf den sich Hand oder Arm hätte stützen können.

       „Tessakeh“, brach endlich Werner das peinlich werdende Stillschweigen, „hier können wir nicht liegen bleiben, und von Redham dürfen wir auch keine Hilfe erwarten, da er kein Licht weiter hat und nie im Dunkeln den Weg durch das Wasser finden oder, wenn er ihn wirklich fände, antreten würde, wären auch sechs Menschenleben damit zu retten – was ich ihm übrigens gar nicht verdenken kann, denn mir hat es mit dem Lichte gegraut. – Da aber hier unsere Lage mit jedem Augenblick schwieriger wird, denn unsere Lichter brennen nieder, so will ich mit Gott den Versuch wagen. Kann ich mich neben den Bären nicht in die Höhle zwängen und stürze ich in die Schlucht, dann sieht es freilich traurig aus und wir sind ein Paar lebendig Begrabene, gelingt es mir aber, dann will ich den alten Burschen schon aus dem Wege rücken.“

       Der Indianer erwiderte kein Wort, und Werner legte seine Büchse und Pulverhorn ab, zog die noch immer nassen und schweren Leggins aus, um nichts zu haben, was seine Bewegung hindern konnte, und wieder wie früher, Ellbogen und Knie gegen beide Seitenwände der Höhle pressend, schwebte er über der dunklen Schlucht und erreichte in wenigen Minuten die andere Seite. Vergebens aber suchte er hier den schweren, unbehilflichen Leichnam des erlegten Bären zu bewegen und sich Eingang zu verschaffen; regungslos lag das Ungetüm da, noch im Tode seinen Mördern schrecklich.

       Mit aller Kraft, die ihm die Natur verliehen und die die Todesangst noch steigerte, machte er jetzt mit dem rechten Arm einen letzten Versuch, weil er den linken nicht von dem Felsen wegnehmen durfte, indem er fürchten musste, den Anhaltepunkt zu verlieren. Da glitt sein rechter Fuß von einem der hervorstehenden Tropfsteinzacken ab; die Stütze vermissend, rutschte der Körper nach, und unfehlbar wäre er in die Tiefe gestürzt, hätte er nicht noch zur rechten Zeit mit beiden Händen den Felsen gefasst und sich am Rande der Höhle gehalten.

       Wenig Trost bot ihm das freilich und schien nur den gewissen Sturz um wenige Minuten zu verzögern, denn lange hätte er es in der Lage nicht aushalten können, da seine Kräfte schon von Hunger und Anstrengung erschöpft waren. Tessakeh aber, seine Gefahr mit schnellem Blick übersehend, rief ihm zu, sich nur noch wenige Minuten zu halten, er hoffe, ihn zu retten – und dann das Licht auf die Erde, an den Rand der Schlucht setzend, dass es nicht ausgehe und sie in völlige Finsternis begrabe, begann er den Übergang über die Kluft, jedoch – durch Werners Unfall gewarnt – rückwärts. Es gelang ihm auch, an der Seite des Bären seine beiden Beine hineinzupressen. Hierdurch war er wenigstens vor dem Hinunterstürzen gesichert und arbeitete nun mit der Kraft der Verzweiflung, seinen Körper, der bei weitem schlanker und geschmeidiger als der des Deutschen war, neben den des Bären einzuzwängen.

       Die Höhle war fürchterlich eng und die verendete Bestie stark und dick, dennoch gelang es ihm, nach mehreren Minuten fast übermenschlicher

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