MICHAEL STUHRS FANTASY-DOPPELBAND. Michael Stuhr
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Der Kapitän der Kao-lad gab ein paar schnelle Kommandos. Träge legte sich das schwere Schiff auf die andere Seite. Wieder blieb der Finder ein gutes Stück zurück.
"Teri, komm jetzt!" Tana war schon seit der Abreise aus Thedra seekrank. Sie hatte sich in der Nähe des Zeltes hinter das niedrige Schanzkleid des Frachters gehockt und streckte jetzt schwach die Hand aus. Teri dachte nicht daran, sich feige zu verstecken, andererseits war es hier auf Deck tatsächlich nicht ganz sicher. Ungeachtet der Rufe Tanas flitzte Teri zum Hauptmast und brachte sich schnell aus Gerits Reichweite, der auf dem Deck umherhüpfte und nach ihren Knöcheln haschte.
Je höher Teri in den Mast stieg, desto wohler fühlte sie sich. Das vielfach verstärkte Schwanken des Schiffs, die Kraft des Windes, die bessere Übersicht - das alles gefiel ihr.
"Hau ab, Kleine. Du störst hier!" Das war ein Matrose, der vom Ende einer Rahe mit der Faust drohte. - `Lächerlich!' - Teri kletterte weiter.
Nachdem sich der Abstand zwischen den beiden Schiffen kurzfristig vergrößert hatte, nahm der Finder nach einer Wende schon wieder Fahrt auf. Seine Absicht war klar: Er wollte längsseits der Kao-lad gehen, um ihr den Wind aus den Segeln zu nehmen und sie so zu stoppen. - Wie das Manöver auch immer ausging, das Finderschiff würde nahe herankommen, dieses Mal. Sehr nahe sogar.
Geschmeidig erhoben sich aus der Gruppe der Kraan zwei der jüngsten Frauen und gingen zur Reling. Gleichzeitig begann Aska, die Mutter Bgobos, mit einem ängstlichen, dünnen Gesang, der schlagartig allen, die an Bord waren, den Mut nahm. Sie waren allein auf hoher See den schnellen und brutalen Attacken eines rücksichtslosen Angreifers ausgesetzt. Sie waren verloren! Die Matrosen in den Rahen, die sich für den nächsten Befehl des Kapitäns bereithielten, ließen die Hände sinken. Die ganze Flucht hatte doch keinen Sinn, das wußte plötzlich jeder an Bord. Warum also das Ende hinauszögern? Das Beste war doch, einfach aufzugeben und sich den Findern auszuliefern. Selbst der Kapitän auf dem Achterdeck schaute resignierend auf die Planken und ließ dem Schiff seinen Lauf. Was war seine seemännische Kunst im Vergleich zu der Überlegenheit der Finder? Früher oder später würde ein Feuerpfeil die Segel der Kao-lad in Brand setzen, und dann war die Fahrt ohnehin zu Ende.
Das Finderschiff hatte inzwischen stark aufgeholt. Es würde sich etwa dreißig Mannslängen von der Seidenprinzessin entfernt vor den Wind legen. Hatte die plumpe Kao-lad erst einmal Fahrt verloren, war der Rest ein Kinderspiel. In weniger als vier Sonnenhöhen würde an Bord des Frachters niemand mehr leben, und die Finder würden wieder einmal einen guten `Fund' zu feiern haben. Jedermann an Bord der Kao-lad hatte in diesem Moment mit dem Leben abgeschlossen.
Plötzlich änderte sich das Lied der Alten dramatisch. Lauter werdend, ließ sie Melodie und Rhythmus schneller und härter klingen. Innerhalb weniger Takte war aus dem klagenden Jammergesang einer ängstlichen Seele ein kraftvolles Kampflied geworden.
Die Wirkung war erstaunlich. Wie eine Windböe in einen schlafenden Wald, so fuhr das Lied in Mannschaft und Passagiere der Kao-lad. Überall fand das Fünkchen aufflackernden Mutes reichliche Nahrung. Muskeln strafften sich und Hände ballten sich zu Fäusten. Was immer als Waffe dienen konnte, wurde aufgenommen. - Sollten die Finder doch kommen. Die Menschen auf der Kao-lad würden ihnen eine Lektion erteilen, dass ihnen die Lust am Finden für immer verging!
Wie ein Waldbrand mit rasender Geschwindigkeit von Baum zu Baum springt, so brauste die Stichflamme des Mutes über die Kao-lad hinweg und setzte die Herzen in Brand. Mochten die Finder nur kommen! Hier an Bord war jeder bereit, für jeden anderen mit seinem Leben einzutreten. Mochten die Finder nur kommen! Wie schwach war doch ihre Gier nach den Reichtümern der Seidenprinzessin gegen die Liebe, die die Menschen hier an Bord plötzlich füreinander empfanden. Hier würde man nicht für Fracht und Geld kämpfen! Tiere mußten abgewehrt werden! Wilde Tiere! Hier würde jeder jeden beschützen! Die Menschen der Kao-lad konnten nicht verlieren, denn sie waren in diesem Augenblick wie ein einziger Leib und eine einzige Seele.
In diesem Moment höchster Einigkeit und Zuversicht schob sich das gewaltige Segel des Finderschiffs vor den Wind.
Augenblicklich richtete die Kao-lad sich auf und lag manövrierunfähig im Wasser.
Genau in diesem Moment beugten sich die beiden Kraan-Frauen an der Reling weit zurück und warfen mit mächtigem Schwung ihre Flughölzer in flachem Bogen über das Wasser.
Atemlos verfolgte Teri hoch oben im Mast die Bahn der wirbelnden Krummhölzer, die sich in genau berechnetem Bogen rasend schnell auf das Finderschiff zu bewegten. Es schien ihr, als strahle das Holz einen besonderen Glanz aus, fast wie Metall. - Aber das konnte natürlich nicht sein.
Die Männer des Finderschiffs waren vollständig überrascht von der Attacke. Nahezu bewegungslos standen sie da und beobachteten die Flugbahn der Hölzer. Sogar der Bogenschütze mit dem Brandpfeil vergaß für einen Augenblick seine Absicht.
Sirrend, metallischen Glanz ausstrahlend, kamen die seltsamen Waffen flach über das Wasser gewirbelt und hoben sich erst kurz vor der Bordwand über die Reling hinweg. Erschreckt zogen die Finder in der Nähe des Hauptmastes die Köpfe ein und manche ließen sich sogar auf das Deck fallen, um nicht getroffen zu werden, aber da waren die wirbelnden Krummhölzer schon zwischen ihnen hindurchgeflogen.
Erste Lacher wurden laut über diesen wunderlichen, vergeblichen Angriff, als urplötzlich das Verhängnis über den Dreimaster hereinbrach.
Ein lauter Knall hinter ihrem Rücken ließ die Finder herumfahren. Jetzt erst sahen sie, was das Ziel der Wurfhölzer gewesen war. Nicht auf die Männer der Besatzung hatten die Werferinnen gezielt, das Schiff selbst hatten sie verwunden wollen. Die Flughölzer hatten die Abspannungen des Hauptmastes auf der Windseite des Finderschiffs glatt durchschlagen. Mit einem Geräusch wie Peitschenknall waren die Wanten hoch in den Himmel gestiegen und hatten auf ihrem Weg eine Schneise der Zerstörung in Rahen und Segel gerissen. - Aber das war nicht das Schlimmste. Da die seitliche Abspannung plötzlich fehlte, konnte der riesige Hauptmast dem enormen Winddruck nicht mehr standhalten. Zwar war er fest im Deck verkeilt und reichte bis zum Kiel hinunter, aber ein voll aufgetakelter Hauptmast kann sich unmöglich aus eigener Kraft vor dem Wind behaupten.
Das erste Krachen reißender Holzfasern wurde zu einem immer lauter werdenden Prasseln. Immer weiter neigte sich der Mast des Finderschiffs der Kao-lad zu. Die Männer in den Rahen versuchten schon, sich mit verzweifelten Sprüngen in Sicherheit zu bringen und die Matrosen an Deck liefen wild durcheinander. Vergessen war der Angriff auf die Kao-lad. Jetzt hieß es nur noch "Rettet das Schiff!" Mit einem Geräusch wie qualvolles Stöhnen gab das Innerste, die Seele des Mastes, nach. Immer schneller neigte sich das Takelwerk dem Wasser zu und schlug klatschend auf die Wellen.
In gefährlicher Schräglage trieb das eben noch so bedrohliche Finderschiff hilflos vor dem Wind.
Langsam nahm die Kao-lad wieder Fahrt auf. Der Gesang der alten Aska war zu einer ruhigen, friedlichen Weise geworden und die jungen Frauen kehrten von der Reling zurück.
Aska nickte zufrieden. Der eigentliche Text des Liedes handelte von einer Mutter, die mit ihrem Kind in der Steppe unterwegs ist. Die beiden werden von wilden Tieren verfolgt, und die Mutter nimmt den Kampf auf. Ihrem Kind zuliebe trotzt sie der tödlichen Gefahr und findet am Ende eine sichere Zuflucht. Das `Lied des einsamen Kampfes' hatte noch nie seine Wirkung verfehlt.