MICHAEL STUHRS FANTASY-DOPPELBAND. Michael Stuhr
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Nun war das Einfangen von Stimmungen nichts so Besonderes für die alte Kraan. Ständig war sie von den diffusen Strömungen fremder Gedanken umgeben. Es machte ihr keine Schwierigkeiten, einen Menschen seiner Ausstrahlung nach richtig einzuordnen. Oft schon hatte sie die Artistengruppe vor Nachteilen bewahren können, indem sie Diebe, betrügerische Herbergswirte oder Kapitäne frühzeitig entlarvte. Dank dieser Fähigkeit Askas geriet die Gruppe so gut wie nie in Streit mit Außenstehenden, da deren Absichten sofort durchschaut und vereitelt werden konnten.
Hatten diese Empfindungen aber immer nur weich und verwaschen Askas Geist gestreift wie treibender Seetang, der umschlingt, aber nicht verletzt, so schnitten Teris Gedanken geradezu schmerzhaft in das Bewußtsein der Alten. Teri konnte Bilder machen, Gefühle wecken, Angst und Freude vermitteln. Seit Aska im Fremdenhaus von Thedra zum ersten Mal den Geist des Kindes berührt hatte, stand sie in ständiger Verbindung mit ihm.
Es war eine Qual für die alte Frau, die Gedanken des Kindes auch nicht einen Augenblick lang abschütteln zu können. War Teri wach, mußte Aska all ihre kleinen Kinderabenteuer miterleben, schlief sie, träumte Aska all ihre Träume. Nur beim Lernen der Lieder schwangen ihre Seelen im gleichen Takt. Voller Hingabe konzentrierte Teri sich auf das Erlernen der alten Gesänge. Dies waren die einzigen Zeiten, in denen Aska vor dem Ansturm von Teris Gedanken einigermaßen sicher war.
Und noch etwas hatte Aska an Teri entdeckt, das sie sehr beunruhigte: Teri verstand die Sprache der Dinge! Die Planken unter Teris Füßen waren nicht tot. Es waren Teile von Stämmen, die einmal in einer schattigen Senke gestanden hatten. Berührte Teri ein Tau oder ein Segel, spürte sie zugleich die Kraft der lebenden Pflanzen, aus denen die einzelnen Fasern stammten. Das Meer, das sie alle in seiner endlosen Weite umgab, war für Teri Liebkosung und Bedrohung zugleich.
Für Aska war es, als habe sich durch Teri eine Tür in eine neue, gänzlich unbekannte Welt geöffnet. Wie erschreckt war sie gewesen, als Teri sich hier an Bord zum ersten Mal auf einer der Felldecken der Kraan niedergelassen hatte. Augenblicklich waren Bilder in ihrem Geist aufgetaucht. Bilder von einer so beängstigenden Intensität, dass Aska versucht hatte, sich diesen Eindrücken zu verschließen. Aber es war umsonst gewesen.
Eben noch hatte Aska lächelnd zugesehen, wie Teris Finger spielerisch im Fell der Decke spielten, da spürte sie auch schon eine dumpfe, satte, träumerische Trägheit, die nur durch das Verlangen nach Wasser ein wenig getrübt wurde.
- Weit war die Steppe, die sich im hellen Sonnenlicht vor der Herde ausbreitete. Aska schwebte sacht über die dürftigen Grasbüschel. Sie spürte den Wind, der heiß um ihre Nüstern wehte. Sie würde mit dem Wind zum Wasserloch gehen müssen. Das war nicht gut! Unruhig ließ sie ihre Ohren spielen, aber außer den Geräuschen der wandernden Herde war nichts zu hören.
Jetzt war es nicht mehr weit, und sie würde trinken können. träge schob sie sich in der lastenden Hitze auf das Wasserloch zu.
Plötzlich war sie hellwach. Der Leitbulle hatte warnend geschnaubt und war stehengeblieben. Auch Aska wartete nahe der Buschreihe, die den flachen Tümpel von der Steppe trennte.
Jetzt raschelte es heftig im Gebüsch. Aska warf sich herum und wollte fliehen. Aus den Augenwinkeln sah sie einen dunklen Schatten auf sich zukommen und spürte im selben Augenblick, wie sich etwas in ihre Flanke bohrte. Nach einigen schnellen Sätzen begann sie zu taumeln. Sie empfand keinen Schmerz und kein Entsetzen, als sie zu Boden stürzte, nur eine tiefe Verwunderung darüber, dass ihre Beine sie nicht mehr trugen. Dann war es dunkel geworden in der sonnendurchfluteten Steppe. Das Letzte, was Aska sah, war die fliehende Herde. Sie empfand ein tiefes Bedauern, nicht mit ihr laufen zu können, dann war der Schatten aus dem Busch über sie gekommen.
"Bringst du mir heute das Lied des Lachens bei?"
Plötzlich hatte Aska sich wieder auf dem Deck des Schiffes wiedergefunden, vor sich die erwartungsvolle Teri auf der Felldecke. Die Vision konnte nur einen Augenblick lang gedauert haben.
Aska war erschüttert. Eben hatten sie beide den Tod eines Tieres miterlebt - hatten in diesem Tier gelebt - waren mit ihm gestorben - und dieses Kind fragte sie nach dem Lied des Lachens!
Erst später kam Aska darauf, dass derartige Erlebnisse für Teri ganz normal waren. Dass sie schon tausend Tode gestorben war, mit Tieren, Bäumen und Gräsern. Was immer sie berührte, die Dinge begannen zu sprechen; erzählten lange und kurze, lustige und traurige Geschichten. Aska kannte nur ein einziges Volk auf dem Kontinent, das ähnliche Fähigkeiten besaß. Sie nahm sich vor, gelegentlich einen dieser Leute auf Teri aufmerksam zu machen.
Tage später offenbarte sich in einem verworrenen Traum Askas, dass Teri selbst es war, die auf diese toten Dinge einwirkte, so dass sie zu erzählen begannen. Der Grund war einfach: Teri selbst gehörte nicht wirklich zu den Lebenden. Ihre Existenz balancierte auf dem schmalen Grat zwischen Leben und Tod. Bei ihrer Geburt war etwas passiert. Etwas, das sie von allen Menschen unterschied. Sie hatte mit dem Tod im Mutterleib gelegen. Er war ihr unsichtbarer Zwilling. Teri, Tochter der Former Ael und Erin, hätte es nicht geben dürfen. Sie hätte tot sein sollen im Augenblick ihrer Geburt.
Am vierunddreißigsten Tag der Reise ließ der Kapitän in Sichteite der Küste die Segel reffen und die Kao-lad trieb unter der milden Nachmittagssonne träge im Wind. "Bei günstigem Wind ist es nur noch ein halber Tag bis Isco", erklärte er den Passagieren. "und ich kann nicht bei Nacht dort einlaufen."
"Wieso nicht?" Acon war seit der Opferfehde der geschworene Feind des Kapitäns. Jetzt sah er eine Gelegenheit aufzubegehren. "Mit Harmugeds Hilfe werden wir den Hafen auch in der Dunkelheit finden. Wir waren lange genug auf See!"
Beifälliges Gemurmel erhob sich unter den Pilgern.
"Leider kann ich euch den Gefallen nicht tun, obgleich auch ich meine, lange genug auf See gewesen zu sein", antwortete der Kapitän. "Allerdings wundert es mich doch sehr, dass weitgereiste Leute, die ihr Pilger doch seid, nicht wissen, dass die Einfahrt zum Hafen der Kaiserstadt jede Nacht mit einer bronzenen Kette versperrt wird. Wollt ihr Pilger wirklich, dass ich die Kao-lad bei Dunkelheit in diese Sperre treibe, damit alles auf Deck ein leichtes Ziel für die kaiserlichen Bogenschützen wird?"
"Ach!" Unwillig wandte sich der Pilger unter dem Gelächter der Umstehenden ab.
"Kommt", wurden Tana, Gerit und Teri von Bgobo eingeladen. "Lasst uns ein letztes Mal zusammen essen."
Gern folgten die drei der Aufforderung. Die gut gewürzten Speisen der Kraan hatten ihnen immer hervorragend gemundet.
Auf See hatte Aska an so manchem Tag nichts kochen können, weil Wind und Dünung zu stark gewesen waren. Heute lag das Schiff aber ruhig auf dem glatten Wasser, und so brodelte nun wieder ein köstliches Mahl in dem großen Topf über dem Holzkohlebecken.
Seltsam ruhig verlief dieses letzte gemeinsame Essen. Die fröhliche Stimmung, die sonst immer an der Tafel der Artisten geherrscht hatte, war einer stillen Melancholie gewichen, die sich sacht auf alle Anwesenden ausbreitete. Die Reisegesellschaft würde morgen auseinandergehen.
Viele Tage waren sie auf der Kao-lad zusammengewesen, hatten gemeinsam die Seekrankheit und die Gefahr der Finder ausgestanden, hatten sich gegenseitig geholfen, wo immer es ging, aber das würde morgen vorbei sein. Jeder würde seiner Wege gehen: Die Kraan wollten in die Steppe hinter der Wüste, heim nach Wajir, wo Bgobo wirklich ein Prinz war, wie er oft und gern versicherte. Dort würden die jungen Frauen Kinder bekommen und zu wirklichen Frauen werden. Dadurch würden auch sie die Kraft der Stimme erhalten, die ihnen Macht über andere Menschen verlieh. Damit sei dann auch ihre Reisezeit beendet, erklärte Bgobo. Nur wenigen Müttern war es