In Amerika. Gerstäcker Friedrich
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Der General war äußerst streng in allem, was die Disziplin betraf, denn er wusste, dass er nur durch diese seine Leute zusammenhalten und zum Sieg führen könnte; bei allem anderen aber drückte er ein Auge zu, und die Offiziere behielten da ziemlich freie Hand.
Das Gebäude selber hatte nach dem Hof zu eine ganz ähnliche Front wie nach der Straße, nur ohne Veranda. Links daran hin lag die Küche, das Waschhaus und ein weit ausgedehnter Vorratsraum, rechts lagen die Ställe, und quervor befand sich ein langes, den ganzen inneren Raum abschließendes Gebäude, in welchem die das Haus bedienenden Sklaven, besonders die Mädchen, einquartiert wurden, und immer zwei und zwei ihre Zimmer hatten. Hinter der Küche und den daran stoßenden Gebäuden lag noch ein kleiner Gemüsegarten.
Auf diesem glatt und hart getretenen Raum, der auch keinen Grashalm mehr hervorbrachte, hatte sich die nordische Truppe für den Augenblick einquartiert. Mit Hilfe der willigen Neger war schon ein mächtiges Feuer gerade in ihrer Mitte entzündet, und auf Befehl des Offiziers durch die Hausdiener selber ein Tisch herausgetragen, wie ein weißes Leintuch darüber gedeckt worden, und jetzt brachten die bisherigen Sklaven auch noch Gläser und Teller herzu, um die – wenigstens ihnen – willkommenen Gäste zu bedienen.
Mrs. Taylgrove wollte allerdings in ihrer heftigen Weise dagegen Einspruch tun, aber Lucie, die sich in dem Entsetzen über das entschiedene und strenge Auftreten der Fremden auf einmal scheu und eingeschüchtert fühlte, bat die Mutter dringend, nur jetzt nicht auf ihrem starren Sinn zu beharren, wenigstens so lange nicht, bis der Vater zurückkehrte, und ordnete dann selber an, dass der befohlene Wein hinausgebracht wurde, um den „schrecklichen Menschen“ wenigstens keine Ursache zur Unzufriedenheit zu geben.
Der junge Offizier hatte ihr imponiert. Bis jetzt waren ihr alle jungen Leute, die nur den geringsten Anspruch auf Bildung machen konnten und eine Stellung im Leben hatten, mit der größten Bewunderung und Ehrerbietung genaht. Nur ein Wink ihrer Augen war für sie Befehl und Gesetz gewesen, und jeder kaum ausgesprochene Wunsch wurde, wie er nur die Lippen verlassen, erfüllt – und jetzt? – Der junge Offizier, der seinem ganzen Äußeren nach unzweifelhaft den besseren Ständen angehörte, beachtete weder sie noch Jenny. Die jungen, wunderhübschen Mädchen, die ihm anfangs allerdings auch nur verächtliche Blicke zugeworfen hatten, schienen für ihn gar nicht auf der Welt, während er dagegen auf das Entschiedenste der Dienerschaft seine Befehle mitteilte und von ihr auch auf das Eifrigste und Schnellste bedient wurde.
Im Nu war da draußen auf dem Hofraum unter ein paar mächtigen Orangenbäumen nicht allein ein Tisch gedeckt (Hauptmann Helldorn, wie der Offizier hieß, hatte es abgelehnt, das Haus zu betreten), sondern auch alles mögliche an Wein und Getränken aufgetragen, und die Herren begannen eben zuzulangen, als Mr. Taylgrove selber, der schon dem Hauptzug begegnet und dadurch aufgehalten war, in seinen Hof einritt, staunend aber sein Pferd einzügelte, als er die Szene betrachtete, die sich seinen Blicken bot.
Den Mittelpunkt bildete ein Teil der Unionssoldaten, die sich Bänke, Stühle und was sie bekommen konnten, zu dem Tisch gerückt hatten und sich zum Zulangen wahrlich nicht nötigen ließen. Einige von diesen kamen auch schon aus dem benachbarten Zuckerrohrfeld zurück, von wo sie tüchtige Schulterladungen des noch grünen Zuckerrohrs herbeischleppten und von den Plantagennegern so willig dabei unterstützt wurden, dass die Tiere bald in Futter schwelgten, während andere wieder die Zisterne abzapften, um ihnen auch Wasser zu geben.
Links, auf der inneren Veranda, stand die Lady mit ihren beiden Töchtern, keiner Bewegung mehr fähig, ja die feindlichen Soldaten kaum mehr beachtend, denn unweit von ihnen saß ein Unteroffizier auf einem umgedrehten hohen Zuckerfass, hielt ein gedrucktes Papier in der Hand und las den Inhalt den ihn umdrängenden Negern vor.
Und wie horchten ihm diese zu, wie blitzte bei ihnen das Weiße in den großen, rollenden Augen, wie zeigte jeder Zug ihrer dunklen Gesichter die Spannung, in der sie sich befanden, und wie sie jetzt nur noch mit Mühe den Jubel zurückhielten, der jeden Moment unaufhaltsam auszubrechen drohte.
Und dort stand es gedruckt – gedruckt von den weißen Männern selber, die ihre Armee hier zu ihnen gesandt hatte – dort stand es: Sie sollten von jetzt an f r e i sein, so frei, wie es die Weißen bis jetzt gewesen – sie sollten nicht mehr verkauft werden dürfen, und keine Arbeit zu tun brauchen, für die sie nicht, wie freie Arbeiter, bezahlt würden. Kein Weißer hätte dabei das Recht mehr, sie zu peitschen oder einzukerkern, sobald sie sich nicht gegen die Gesetze des Staates vergingen; und wer jetzt von ihnen, wie die Proklamation schloss, in das Heer der Union als Soldat eintreten wollte, um die letzten Reste der Rebellen und Sklavenhalter zu vernichten, der konnte nicht mehr von irgendeinem „Master“ daran gehindert werden. Und das Dokument war von dem Präsidenten Abraham Lincoln selber unterzeichnet worden, und wie der Unteroffizier geendet und es jetzt zusammenfaltete, da brach der Jubel los; da schrien und jauchzten die Männer vor Lust und Seligkeit, da standen den Frauen, die ihre Kinder fester an sich drückten, zum ersten Mal in ihrem Leben F r e u d e n t r ä n e n in den Augen, da kreischten und lachten die Kinder, und ein Hurra donnerte durch die Plantage, dass die Blätter an den Bäumen rings erzitterten.
Auf seinem braunen Hengst, die Unterlippe fest mit den Zähnen gepackt, die Augen in Hass und ohnmächtiger Wut auf seinen Negern haftend, hielt Taylgrove, der alte Pflanzer, und was er noch immer für unmöglich, nur für die Ausgeburt furchtsamer Phantasien gehalten, das geschah hier vor seinen eigenen Augen.
Ruiniert – verloren – zu Boden getreten der ganze Süden, und da vor ihm die Räuber, während ihnen hier unten die Kraft fehlte, sie zu vernichten und von der Erde wegzufegen. – Und wo war Lee mit seiner riesigen Armee – wo waren alle die tapferen Generale des Südens, dass eine Handvoll frecher Yankees wagen durfte, ihren Boden zu betreten, ihre Wohnungen zu brandschatzen und ihre heiligen Gesetze umzustoßen?
Sobald nun der erste Jubel unter den Negern vorüber war – und so lange der dauerte, hatten sie allerdings für weiter nichts Sinn – entdeckten einige der frühen Sklaven „Massa“, wie er noch immer von ihnen genannt wurde – und dicht hinter ihm jetzt Hall, den gefürchteten Aufseher. Die Kinder waren zuerst in ihrem wilden Umhertollen seinem Pferd fast zwischen die Hufen gelaufen, und scheu flüchteten sie zu den Müttern. Ein Flüstern zischelte im Nu durch den ganzen Hof – „Massa“, und unwillkürlich drängten die ihm zunächst Stehenden von ihm fort. Die alte Furcht und Scheu lag noch in ihnen und konnte natürlich so rasch nicht abgeschüttelt werden.
Die mit dem nördlichen Corps gekommenen Neger, die rasch erfuhren, wer der Weiße sei, kannten aber diese Scheu nicht mehr. Einer von ihnen nahm ein eben gefülltes Glas vom Tisch und schritt mit diesem auf den Weißen, der noch immer regungslos und einer Statue gleich dort hielt, zu:
„Hallo, Massa – trinken Sie einmal ein Glas Wein mit uns?“, rief er ihm lachend entgegen. Da aber hielt sich der alte Herr auch nicht länger; mit Blitzesschnelle hob sich der mit der schweren Peitsche bewehrte Arm – aber der Neger war auf seiner Hut. – Im Zurückspringen warf er das Glas von sich, riss aber auch zugleich einen Revolver aus der Jacke und ihn trotzig vorhaltend schrie er:
„Haut zu! Aber das wäre der letzte Schlag, den Ihr führtet.“
Die Frauen auf der Veranda kreischten laut auf vor Entsetzen, denn wer hinderte jetzt die Neger, über sie alle herzufallen und in ihrem Blut die lange Knechtschaft abzuwaschen – aber Hauptmann Helldorn, dem die kleine Zwischenszene nicht entgangen war, mochte selber