In Amerika. Gerstäcker Friedrich

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       „Ich bin ein Nigger, Sir“, sagte das arme Wesen, mit schwerer Bitterkeit im Ton, „lassen Sie mich, ich m u s s meinen Weg ja doch fortan allein finden.“

       „Ob Sie sich selber Nigger nennen oder nicht“, lachte aber der Fremde gutmütig, „Sie machen dadurch auf mich keinen Eindruck, und ich werde Sie jetzt nicht verlassen, bis ich Sie sicher in Ihrer Heimat weiß – wo ist sie?“

       „M e i n e Heimat?“, sagte das arme Kind wehmütig. „Als Onkel Pitt noch lebte, hatte ich sie bei ihm, aber seine Frau ist arm und alt - e r konnte verdienen, aber sie kann es nicht mehr, und ich muss sehen, wo ich jetzt eine Zufluchtsstätte finde – am liebsten auf Pottersfield66 draußen, neben Onkel Pitt“, setzte sie leise und scheu hinzu.

       „Und wäre es Ihnen recht, eine Stelle in einer f r e m d e n Familie anzunehmen; bei Leuten“, setzte er rasch hinzu, als er sah, wie sie den Blick scheu und fast erschreckt zu ihm aufschlug, „welche die hiesigen Vorurteile nicht kennen und Sie freundlich behandeln und gut mit Ihnen sein werden?“

       Hebe wandte sich langsam ab; es war, als ob sie sich den gemachten Vorschlag überlege, aber mit scheuer, leiser Stimmte sagte sie endlich:

       „Wer wird m i c h haben wollen, aber – ich helfe mir schon durch. Wenn ich auch keine schwere Arbeit gewohnt bin, kann ich sie doch verrichten, und Arbeit finde ich schon in der Stadt – ich will nichts geschenkt, nichts umsonst haben.“

       „Das sollen Sie auch nicht“, sagte der junge Fremde. „Aber haben Sie gar kein Eigentum? Gar keine Kleider oder Wäsche?“

       „Eigentum!“, seufzte das Mädchen bitter. „Noch vor wenigen Wochen fast war ich selber Eigentum und durfte nichts mein nennen. Was hätte ich mitnehmen dürfen, als ich das Haus meines bisherigen Herrn verließ – was ich bisher brauchte, borgte mir Onkel Pitt von der armen Frau.“

       „Armes Kind“, sagte der junge Mann, „also förmlich hinausgestoßen in die Welt in so jungen Jahren! Aber ich will doch sehen, ob sich nicht gute Menschen Ihrer annehmen. Lassen Sie mich jetzt mit zu Ihrem Hause gehen, zum Hause des alten, unglücklichen Mannes. Es liegt Ihnen dort ja doch noch die schwere Pflicht ob, der armen Frau die traurige Kunde mitzuteilen und sie zu trösten.“

       Das Mädchen sah immer noch scheu zu ihm auf.

       „Sie sind kein Amerikaner?“, sagte sie endlich. „Ihre Sprache klingt anders.“

       „Nein, ich bin ein Deutscher.“

       „Onkel Pitt hat mir immer gesagt, die Deutschen wären viel besser mit den Negern als die Amerikaner. Ach, wenn Sie sich nicht vor den Negern scheuen und mit zu der alten, armen Frau kommen wollten. Ich fürchte mich so sehr, allein zu ihr zu gehen und ihr das Schreckliche zu erzählen.“

       „Ich gehe mit Ihnen, liebes Kind.“

       „Und Onkel Pitt? Oh, was wird aus dem armen, alten Mann?“

       „Sie kannten ihn auf der Polizei und werden dort das Nötige verfügen. Ich verspreche Ihnen, dass er ein anständiges Begräbnis haben soll. Wohnte der Ermordete weit von hier?“

       „Nein, nicht weit – aber geschieht dem Mörder so gar nichts? Darf er so ungestraft um ein Menschenleben entkommen?“

       Der junge Deutsche zuckte mit den Achseln. „Ich fürchte fast, die Polizei wird sich keine übergroße Mühe geben, ihn herauszufinden“, sagte er, „es sind noch ungeregelte Zustände hier, mein armes Kind; aber eine bessere Zeit bricht für Euch an. Wie der Norden jetzt Eure Freiheit erkämpft und gesichert hat, so müsst Ihr nun selber daran fortbauen. Die Kinder Eurer Rasse dürfen jetzt Schulen besuchen und sich zu tüchtigen Leuten heranbilden. Der Fluch Eures Stammes wird mit der Zeit schwinden und ein neues Leben für Euch beginnen.“

       „Wenn wir im Grabe liegen...“, sagte das junge Mädchen düster. „Aber hier sind wir an des armen Onkel Pitt Haus. Ach, dass die nächste Stunde erst vorüber wäre!“

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