Noras Tod. Michael Wagner J.

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Noras Tod - Michael Wagner J.

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an. Ruud und Gerd hielten ihre Gläser in der Hand und man sah ihnen an, dass sie noch nicht in dieser neuen Situation angekommen waren. Keine Warnsignale. Plötzlich.

      „Ja sicher suchen wir“, sagte ich spontan, „Aber ist es nicht besser die Polizei zu holen?“ Die Zunge war bleischwer.

      Diese plötzlich auf mich einstürmenden Neuigkeiten kämpften sich träge durch den Alkoholschleier. Was war passiert? Ein Kind wurde vermisst, wir sollten helfen zu suchen. Von einer Sekunde zur nächsten waren wir in eine Situation geraten, die man schon in Filmen verfolgt hatte. Menschen, die nach jemand suchen. Die Szenen, die sich in den nächsten Stunden abspielen sollten, habe ich nie vergessen.

      Die Polizei war wohl schon informiert, aber sie sagten, sie würden noch einige Stunden benötigen, bis die Hundestaffel hier sein würde. Bis dahin wollte der Vater noch einmal suchen gehen, in der Hoffnung seine Tochter irgendwo, womöglich unverletzt, zu finden.

      Ich schmeckte den Alkohol auf meiner Zunge. Er schmeckte plötzlich nach Furcht. Wieder versuchte ich, mir die Situation zu vergegenwärtigen. Ich war zu betrunken. Wie sollte das denn gehen? Eine Horde Betrunkener torkelt durch den Wald und sucht nach einem kleinen Mädchen. Wir alle waren eigentlich nicht in der Lage, so eine Aufgabe zu bewältigen.

      Sonja kam zu mir. „Micha, stell dir das mal vor. Die Kleine ist einfach verschwunden. Und was ist, wenn sie nicht verletzt ist? Wenn sie jemand entführt hat?“

      Ihre Worte drangen wie durch Watte zu mir. Sie schien mit einem Schlag nüchtern geworden zu sein. Vor nicht einmal fünf Minuten hatte sie auf einer imaginären Linie balanciert, um ihre Nüchternheit zu beweisen und nun schien sie total nüchtern zu sein.

      Ich fühlte mich dagegen sehr betrunken und verspürte das Bedürfnis nach Ruhe und Schlaf.

      Nein, ich fühlte mich nicht in der Lage, in den Wald zu gehen und ein Kind zu suchen. Was für eine Situation. In meinem Kopf fuhren die Gedanken genauso schnell Karussell wie der Wein konträr mein Gehirn benebelte. Was würde Sonja dann denken? Sie würde mich für einen elenden Feigling halten. Reiß dich zusammen, sagte ich zu mir. Reiß dich zusammen!

      Simona und Gerd packten unsere Sachen zusammen und trugen sie zum Zelt herüber. Sonja und ich warteten auf sie, und dann gingen wir gemeinsam zum Vorzelt der Eltern. Wir hielten uns im Hintergrund. Der Vater berichtete gerade in Kurzform über die Geschehnisse. Er machte einen gefassten Eindruck auf mich. Wir kamen dazu, als er die Anwesenden informierte, dass seine Tochter Nora hieß, und sie einen roten Sandeimer dabei gehabt habe, als sie losging.

      Nora. So hieß die Kleine.

      Nora.

      Ich beobachtete den Vater und versuchte zu ergründen, wie ich mich wohl in so einer Situation verhalten würde. Wie verhält sich jemand, dessen Kind verschwunden ist? Angst. Bestürzung. Fassungslosigkeit. Wie groß war noch der Platz für Zuversicht und Hoffnung?

      Kann man in so einer Situation eine Messlatte für ein Verhalten anlegen? Wäre er vor Verzweiflung nicht in der Lage gewesen, zu sprechen, dann hätte man das verstanden. Dieser Mann hier machte eher den Eindruck auf mich, als funktioniere er und würde gerade generalstabsmäßig einen Schlachtplan mit seinen Untergebenen besprechen. Er wolle uns zu der Stelle führen, wo sie nachmittags Beeren gesammelt hatten. Dort sollten wir im Abstand von fünfzig Metern den Wald absuchen. Er sprach ruhig und bedacht, fast teilnahmslos. Es hätte sich auch um ein verletztes Tier handeln können, auf dessen Suche wir uns nun begeben sollten.

      Im Nachhinein denke ich, dass er einfach nur versucht hat sein Bestes zu geben, um seine Tochter zu finden und die maßlose Furcht in seiner Kehle zu unterdrücken.

      Wir zogen los, um Nora zu suchen.

      Intelligenz ist die Fähigkeit seine Umgebung zu akzeptieren. Dieses Zitat des Amerikaners William Faulkner schoss mir in den Kopf. Warum weiß ich auch nicht. Absurd. Wer weiß, was der Verstand alles für Wege gehen konnte.

      Unsere Umgebung war traumhaft, eine laue Nacht, der harzige Duft von Pinien, der Vollmond tauchte das gesamte Land in ein mildes, silbernes Licht.

      Doch unsere Mission war alptraumhaft. Eine Mission, in die wir gespült worden waren durch Ereignisse, die außerhalb unserer Macht lagen. Uns blieb nichts anderes übrig, als es zu akzeptieren.

      Sonja, ging neben mir her. Sie war still, den Blick auf den Boden gerichtet. Unsere Gruppe bestand aus zehn Personen. Ich rechnete aus, dass wir damit einen halben Kilometer des Waldes, zu dem wir gerade über einen breiten Weg geführt wurden, absuchen konnten.

      „Wer weiß, ob wir an der richtigen Stelle suchen?“, fragte Sonja. Ihre blauen Augen wirkten im Mondlicht eisblau. Traurigkeit. Mitfühlen.

      „Stimmt, aber irgendwo müssen wir anfangen, oder?“ Ich konnte noch klar artikuliert reden, Gottseidank. Dabei hatte ich das Gefühl, meine Zunge sei schwer wie Blei.

      „Ist das nicht schlimm? Man kann nur hoffen, dass wir sie finden und sie verletzt ist. Stell dir mal vor, es ist nicht so.“ Sie machte eine Pause. „Vielleicht ist sie schon tot.“

      „Sonja, mal nicht den Teufel an die Wand“, sagte ich, um sie zu beschwichtigen. Kurze Sätze reden, dachte ich. Der Alkohol. Gedanken immer noch wie in Watte gepackt. Weil ich mich ihr gegenüber nicht als Pessimist outen, sondern selbstsicher auftreten wollte, wiegelte ich ihre Gedanken ab.

      „Wir finden sie“, sagte ich. Davon war ich aber nicht überzeugt. Man kennt ja ungute Vorahnungen, die sich einstellen, ohne dass man sie erklären kann. So eine böse Vorahnung hatte ich in diesem Moment.

      Erklär mal eine Vorahnung.

      „Wir werden sie finden und sie wird gesund sein.“ Die Worte kamen wirklich nicht aus Überzeugung, aber Sonja gab sich erst einmal damit zufrieden. Vielleicht wollte ich mich damit auch nur selber überzeugen. Ich wusste es nicht.

      Mittlerweile hatten wir zu den anderen aufgeschlossen und Noras Vater teilte die Suchenden ein. Es sollte immer ein Mann neben einer Frau gehen, falls es zu unvorhergesehenen Ereignissen kommen würde. Es ging auf, wir waren fünf Frauen und fünf Männer.

      Wir vier hatten nebeneinanderliegende Suchgebiete. Einige hatten Taschenlampen dabei, von uns hatte nur Gerd seine Lampe mit.

      „Wenn ihr etwas seht, dann ruft mich, ich komme dann mit der Lampe und wir haben mehr Licht“, sagte er zu Simona und Sonja.

      Bevor wir unsere Positionen einnahmen, und in den Pinienwald hineingingen, raunte er mir noch zu, dass er kein gutes Gefühl hätte bei der Sache. Da waren wir einer Meinung.

      Der Weg, der uns in den Wald geführt hatte, ging erst vom Campingplatz weg, dann in einem Bogen wieder grob in die Richtung des Strandes. Wir liefen also jetzt parallel zum Meer, dass in einigen Hundert Metern Entfernung lag. Als wir in den Pinienwald eintraten, war es plötzlich dunkel. Die Baumkronen der Pinien hielten viel Mondlicht ab. Ich blieb einen Moment lang stehen und versuchte, mich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Wie sollte man hier etwas sehen? Es hätte jemand neben mir stehen können, den hätte ich nicht bemerkt. Ich blickte mich um, wollte einen der andren ausmachen. Ich sah niemand. In einiger Entfernung war der zuckende Lichtkegel

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