Noras Tod. Michael Wagner J.

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Noras Tod - Michael Wagner J.

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ich mir mit einer erfrischenden Dusche das Salz von der Haut gewaschen hatte, kam ich genau rechtzeitig zum Essen an. Gerd entkorkte die erste Flasche Wein und nickte mir fragend zu. Ich hielt den Becher hin und er schenkte mir ein.

      Es gibt Begebenheiten im Leben, an die man sich auch nach langer Zeit noch genau erinnern kann. An jedes Detail, Gefühle, Stimmungen, Gerüche. Der erste Kuss, der erste Sex, der Geruch eines Weihnachtskuchens der Mutter. Dieser Abend auf dem Campingplatz an der französischen Atlantikküste gehört zu diesen Begebenheiten, an die ich mich erinnere. Wie eine Narbe auf der Seele.

      Dabei kann ich wirklich nicht sagen, dass ich das für wünschenswert halte. Wir aßen, tranken unseren Wein, räumten den Tisch ab, spülten kurz das wenige Geschirr am nahegelegenen Waschhaus und versammelten uns dann wieder zum Doppelkopfspielen am Tisch.

      Wir spielten, tranken weiter Wein und hatten eine Menge Spaß. Gegen zehn Uhr meldeten sich unsere spießigen deutschen Nachbarn, mit der Bitte um Ruhe. Gerd nannte sie, wegen ihrer alternativen Garderobe und ihrer Vorliebe für Getreide in allen Variationen, die „Müeslifresser“.

      Unsere Stimmung war so gut an diesem Abend, sodass wir uns durch die beiden nicht stören ließen. Kurzerhand trugen wir den Tisch und die Stühle neben das Waschhaus und setzten dort unser Spiel fort.

      Es gab viele lustige Kommentare unserer anderen Nachbarn, oder auch von anderen Campinggästen, die vorbeikamen und uns dort sitzen sahen. Ruud kam ebenfalls vorbei und versprach, später zurückzukehren. Je mehr Wein wir tranken, desto besser wurde die Stimmung, und es wurde eine Runde Doppelkopf nach der nächsten gespielt.

      Längst war die Sonne untergegangen. Es war eine wunderbare Vollmondnacht. Man hätte womöglich die Beleuchtung durch die funzeligen Außenlampen des Waschhauses nicht benötigt, so hell schien der Mond an diesem Abend. Die Gesichter der Frauen wirkten gelöst und entspannt.

      Sonja hatte eine Glückssträhne. Sie gewann mehrere Spiele in Folge. Gerd verlor hingegen ständig. Aber gegen seine sonstige Gewohnheit, suchte er nicht die Schuld bei seinem Mitspieler. Sonja strahlte und sah in dem Zwielicht von Mond und Außenlampe noch hübscher aus als sonst.

      Gerade legte sie wieder mit einem schrillen Schrei eine Karte auf den Stapel und gewann das Spiel. Wir hatten zusammen gespielt und klatschten uns über dem Tisch ab. In dem Moment kam Ruud vorbei und machte eine Bemerkung über die Batterie leerer Weinflaschen, die sich neben unserem Tisch angesammelt hatte.

      „Ja, du hast Recht, ordentlich Bölkstoff wurde vernichtet. Wenn du auch einen Wein magst, hol dir ein Glas oder einen Becher“, sagte ich. Er griente und ging sofort los.

      „Wir haben echt schon ganz schön gepichelt“, sagte Simona und schielte in ihren Becher.

      „Das ist mal wieder einer dieser Abende an dem man endlos trinken könnte ohne richtig betrunken zu werden“, sagte Sonja. Ich nickte beipflichtend, obwohl ich eigentlich schon heftig betrunken war.

      „Ach ja“, meinte Gerd schelmisch, „Du lallst ja schon etwas“.

      „Ich?“ fragte Sonja. „Ich lalle doch nicht“, sagte sie entrüstet, „Ich kann noch völlig gerade reden!“

      „Und kannst du auch noch gerade gehen?“, frotzelte Gerd weiter.

      „Klar! Ich kann noch grade laufen. Ich beweise es dir!“

      Sie stand auf, stellte ihren Wein beiseite und balancierte auf einer imaginären Linie entlang. „Siehste, ganz gerade“, sagte sie triumphierend. Tatsächlich schaffte sie die Übung ohne zu schwanken.

      „Sonja, ich hätte nie gedacht, dass du für den Gerd auf dem Strich gehen würdest“, prustete Simona heraus.

      „Was?“ Sonja schien empört. „Ich geh für niemanden auf den Strich!“ Sie hatte aufgehört zu balancieren.

      „Ich sagte nicht ´auf den Strich`, sondern ´auf dem Strich`. Du hast nicht richtig zugehört“, sagte Simona mit einem verschmitzten Grinsen.

      „Ooh, du bist doof, doof, doof “. Sie stürzte auf Simona zu und würgte von hinten ihren Hals.

      „Nicht von hinten“, gulpste Simona mit zusammengezogenen Schultern, „Wenn du mich schon töten willst, dann will ich dir dabei in die Augen sehen, Kleines!“ Die beiden Frauen rangelten lachend weiter.

      „Nenn mich nicht ‚Kleines‘!“

      Wir Männer hatten dem ganzen Spiel amüsiert zugeschaut. Vor allem Gerd, der ja mit seiner Bemerkung alles ausgelöst hatte. Mir wurde bewusst, dass er flirtete. Er flirtete mit Sonja. Sehr subtil, aber er tat es. Das gefiel mir natürlich nicht. Aber ich hatte mir ja eine neue Strategie zurechtgelegt. Dazu gehörte es, sich nun nicht auf ihre Seite zu schlagen. Das hätte sie erwartet.

      „Komm Gerd, wenn sich die beiden gegenseitig umbringen, haben wir den Wein für uns alleine“, sagte ich. Er schmunzelte und griff zum Flaschenöffner. Ich reichte ihm die Flasche.

      In dem Moment kam Ruud mit einem Glas und einer eigenen Flasche Wein auf uns zu.

      „Oh, ich sehe, ich komme ja richtig“, sagte er belustigt. Gerd schenkte aus der frisch geöffneten Flasche erst unserem Gast ein, und dann uns.

      „Prost“.

      „Prost“. Wir hoben die Gläser und stießen an.

      „Und wir?“ Simona und Sonja fühlten sich übergangen und protestierten. „Wollen die Herren nicht mit uns trinken? Aha, komm Sonja, wir können auch alleine trinken“, scherzte Simona.

      Sie zog ihre Freundin am Arm.

      „Typisch Frauen, gerade wollten sie sich an den Hals gehen und jetzt verbrüdern sie sich wieder gegen uns“, flachste Gerd und blickte zu ihnen hoch.

      „Ok, wenn ihr das so seht, dann trinken wir unseren eigenen Wein!“ Sonja und Simona wandten sich ab und wollten gerade zum Zelt gehen, als aus dem Halbdunkel eine weibliche Gestalt auf sie zutrat. Es war die junge deutsche Architektin, die wir schon des Öfteren am Strand getroffen hatten. Sie machte einen angespannten Eindruck. Sie sprach die beiden Frauen an. Keiner von uns Männern konnte hören, was sie sagte. Wir scherzten weiter, und hatten den beiden Frauen viel Spaß mit ihrem Wein gewünscht.

      Aus dem Augenwinkel sah ich Sonja wieder zurückkommen und sie stellte sich mit den Worten „Es wird ein kleines Mädchen vermisst!“ an unseren Tisch. „Wir sollen suchen helfen. Die Eltern sind völlig aufgelöst. Wir kennen sie vom Sehen, dort hinter dem Waschhaus steht ihr Wohnwagen.“ Sie zeigte in die Richtung. Ihr Gesichtsausdruck war sehr besorgt, voller Anteilnahme.

      Simona und die junge Architektin traten hinzu, und die junge Frau begann kurz zu skizzieren, um was es ging. Sie berichtete, dass die Kleine mit ihren Eltern Beeren sammeln war, und dann noch einmal kurz wegging, um noch ein paar Beeren zu sammeln, die sie am Wegrand gesehen hatte. Das war schon gute drei Stunden her. Die Eltern hätten bereits erfolglos nach ihrem Kind gesucht.

      Jetzt hoffte der Vater, dass wir mit mehr Suchern mehr Erfolg haben

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