Möwenspur. Jean-Pierre Kermanchec

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Möwenspur - Jean-Pierre Kermanchec

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wir doch alle…“

      „Zusammen in der kleinen Crêperie, in der Ville Close!“ ergänzte Ewen, den von Carla begonnenen Satz. Sie lachten vor Freude über das Alibi, dass sie sich gegenseitig geben konnten. Sie hatten erst gegen Mitternacht das Restaurant verlassen und Ewen hatte Marie nach Hause gefahren. Wie konnte er das nur vergessen haben? Damit waren Carla und Marie aus der Sache heraus und er konnte problemlos weiter an dem Fall arbeiten. Warum nur war ihm dies nicht eingefallen als er mit Paul gesprochen hatte. Er musste diese Neuigkeit seinem Kollegen sofort mitteilen.

      Julie sah, wie sich der Zeiger der Zwölf näherte und so beschloss sie, ihren Computer auf den Schoß zu nehmen und sich auf ‚chat.fr‘ einzuloggen. Jetzt war Lolita 23 online. Es dauerte nur wenige Minuten und sie sah, dass ein gewisser ‚Tiger‘ mit ihr in Kontakt treten wollte.

      „Hallo Lolita 23, die Uhr zeigt jetzt Mitternacht und ich habe eine Stunde Zeit, wie ich es dir gesagt habe.“

      „Hallo Tiger, kein sehr origineller Name, Robert wäre mir da lieber.“

      „Du heißt doch bestimmt auch nicht Lolita 23, oder?“

      „Stimmt, aber man möchte ja ein wenig Anonymität behalten“

      „Ja, aber du kennst meinen richtigen Namen ja bereits. Wie wäre es, wenn du mir deinen verraten würdest?“

      „Nicht so schnell, wir kennen uns ja noch nicht einmal richtig.“

      „Das kann sich ganz schnell ändern. Wo wohnst du? In Paris, in New York oder vielleicht sogar in China?“

      „Ha, ha, ha! Nein nicht in Paris und auch nicht in China. Seit wann sprechen die Chinesen französisch? Schon etwas weiter von Paris entfernt, aber dafür in einer schönen Gegend.“

      „Was machst du denn so, wenn du einmal nicht gerade chattest?“

      Robert Le Floch versuchte, von dieser Lolita wenigstens ein paar Informationen über ihren Beruf oder ihren Standort herauszubekommen. Am frühen Abend, als er die Email erhielt wollte er zuerst überhaupt nicht antworten, dann war seine Neugierde aber doch stärker gewesen. Was war das für eine Frau, die ihm einfach schrieb, ihm eine Mail sandte und mit ihm chatten wollte, nur weil ihr sein Bild auf Facebook aufgefallen war? Natürlich schmeichelte es ihm.

      Er hatte längere Zeit in seinem Büro zugebracht und war von dort aus auf Facebook gegangen, um seine Mails anzusehen. Er hatte mit seinen dreißig Jahren beruflich eine gute Position. Als Abteilungsleiter einer renommierten Investmentgesellschaft verdiente er sehr gut. Er war ein überzeugter Single und genoss es, ständig neue Kontakte mit Frauen zu knüpfen. Nachdem er mit dieser Lolita 23 ausgemacht hatte, sich um Mitternacht in einem Chatroom zu treffen, hatte er das Büro verlassen, war mit seinem Porsche in sein Lieblingsrestaurant gefahren und hatte noch schnell etwas gegessen. Kochen war nicht gerade seine Leidenschaft und so besuchte er beinahe täglich ein Restaurant und genoss die verschiedenen angebotenen Spezialitäten. Heute Abend sollte es die indische Küche sein. Er liebte es, etwas schärfer zu essen und da war er bei seinem „Inder“ genau richtig. Anschließend fuhr er in seine Wohnung, öffnete eine Flasche Mouton Rothschild und genoss den Wein. Er hätte sich auch früher mit dieser Lolita verabreden können, aber wer sich rarmacht, macht sich interessant, war seine Devise. Vielleicht würde ihr Interesse an ihm dadurch noch gesteigert.

      „Ich bin nur eine kleine Sekretärin, aber vom Chef! Was machst du so?“

      „So, so, eine Chefsekretärin. In welcher Branche bist du denn tätig? Ich bin ein kleiner Abteilungsleiter.“

      Julie überlegte, was sie ihm antworten sollte. Sie wollte nicht zu viel an Informationen preisgeben. Sie war sich nicht sicher, wer seine Mails später einmal lesen würde. Sie war kein intimer Kenner von EDV-Anwendungen und daher nicht sicher, ob man auch Chats verfolgen konnte. Daher wollte sie ihm nur vage Auskunft geben. Sie würde auf keinen Fall ihren richtigen Arbeitgeber nennen.

      „Ich bin in der Gemüsebranche tätig, reicht dir das? Was machst du denn genau?“

      „Ich bin bei einem Investmentunternehmen für Geldanlagen zuständig. Du bist also in der Gemüsebranche, das heißt in ein

      „Stimmt, so etwas wie Bondella und du bist so etwas wie ein Banker? Hast du auch den Leuten das Geld abgenommen, um es sicher in amerikanische Immobilien zu investieren?“

      „Hey Lolita , bist du vielleicht bei diesen Verrückten von ‚occupy wall street‘ aktiv?“

      „Nein, bin ich nicht, aber ich lese schließlich die Zeitung und bin ein wenig informiert.“

      „Okay, ich hin zwar kein Banker, aber wir haben natürlich auch in diesem Bereich investiert. Du hast doch hoffentlich deine Kröten nicht in amerikanische Immobilien gesteckt?“

      „Ich bin froh, wenn ich über die Runden komme Robert, nein, Geld in Immobilien habe ich nicht investieren können. Könnten wir das Thema wechseln? Machst du manchmal auch Urlaub, zum Beispiel in der Bretagne?“

      „In der Bretagne habe ich noch nicht Urlaub gemacht, außer einmal vor etlichen Jahren, da war ich bei einem Yachtausflug dabei. Ansonsten fahre ich lieber in den Süden.“

      „Schade, sonst hätten wir uns einmal sehen können.“

      Julie versuchte, vorsichtig zu sein und nicht zu schnell mit ihrem eigentlichen Wunsch herauszuplatzen. Sie wollte erst einmal sein Interesse wecken. Noch war sie sich nicht sicher, dass er anbeißen würde. Ihr wichtigstes Argument ihn zu überzeugen, hatte sie noch nicht vorgebracht und sie würde es auch erst am Schluss anbringen.

      „Warum nicht, du kannst ja nach Paris kommen. Bei mir ist immer eine Möglichkeit zu übernachten vorhanden.“

      „Nicht schlecht, aber ich traue mich nicht mit dem Auto nach Paris zu fahren, ich bin keine sehr gute Autofahrerin. Aber vielleicht kannst du mich ja hier einmal besuchen. Ich biete dir auch etwas an, etwas Außergewöhnliches.“

      Robert war neugierig geworden. Was sollte sie ihm anbieten können, was so verlockend wäre, dass es sich lohnte in die Bretagne zu fahren? Er wollte es jetzt genauer wissen.

      „Also bitte etwas genauer, was würdest du mir denn anbieten, was ich nicht auch in Paris haben kann?“

      „Wie wäre es, mit heißem Sex am Strand, in einer lauen Nacht?“

      „Nimmst du mich auf den Arm? Wir kennen uns ja gar nicht!“

      „Nein, absolut nicht, ich finde dich einfach umwerfend und ich würde gerne mit dir schlafen, am Strand.“

      „Auch bei Regen, Wind oder Hagel?

      „Ich habe ein kleines Zelt im Auto, das hat noch immer geschützt.“

      Robert dachte kurz nach. So ein direktes Angebot hatte er noch nie erhalten. Am Strand, im Sand hatte er es auch noch nie getrieben. Vielleicht eine wirklich interessante Erfahrung. Robert sah auf seinen Terminkalender, neben ihm auf dem Schreibtisch. Er sah, dass am nächsten Wochenende die Möglichkeit für einen Kurzurlaub bestehen würde.

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