Die heilende Zeit. Nadja Solenka
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Tanita, die eine Weile überlegt hatte, meinte: „Glücklich, weil man dann nicht so zerbrochen wird darauf, lieber ein Kind sein zu wollen.“ „Stimmt schon“, sagte Georgios etwas später. „Aber?“, fragte sie überrascht, dass er zustimmte, Tanita hatte ihn für einen typischen griechischen Sohn gehalten, der sich lieber aus dem Haushalt raus gehalten hätte. „Nun, ich denke gar nicht so viel mehr, nur was kann man machen, das ist eben die einzige Philosophie, die ich als Grieche Gott gegenüber nicht vollkommen falsch finde.“
Tanita war zunächst ziemlich unverständlich mit dieser Antwort, hatte Griechenland doch wichtige Philosophen hervorgebracht, und dann fühlte sie, dass er sie wohl belustigen wollte, so nickte sie verlangsamt, zustimmend. Georgios fühlte schon noch ihre Skepsis und dann meinte er einfach: “Komm lasse uns nicht so einfach daher reden. Gleich sind wir bei meinen Eltern, die sind eher vom Gefühl für sich selbst her bestimmt. Und sie sind die ehrlichsten Griechen, die es gibt, da darf man nichts falsch machen.“ Tanita drehte mit ruhiger Hand an ihrem Ohrring. Sie schien zu überlegen. Dann sagte sie innerlich berührt: „Das hatte ich auch gar nicht vor!“ „Dann ist das OK, da vorne um die Ecke ist schon die Mietwohnung mit Blick auf die Meteora“, warf Georgios ein. „Oh, so ein schönes Wohnhaus und so stilvoll, nicht schlecht“, sagte Tanita. „Denke nicht, dass meine Eltern das materiell nehmen, sie hatten es eher für mich geplant, aber ich sehe das schwer für mich, bin wie gesagt nicht so oft hier.“
Sie ging vorsichtig die Stufen hoch zur Haustür, und Georgios öffnete diese versiert, mit einem eigenen Schlüssel. Als sie dann in die kleine, aber feine Mietwohnung eintraten, war Tanita bereits mulmig, so viel Emotionen wurden durch die ehrliche Haltung seiner Eltern in ihr hervorgerufen. Und doch musste sie unwillkürlich in sich hineinlächeln, es wirkte so, als hätten seine Eltern nur auf ihren Einsatz gewartet. Alles wirkte so vertraut und vorherbestimmt zugleich. Seine Eltern schienen sie schon Jahrtausende von Jahren zu kennen. „Wir haben euch schon vom Balkon aus von weitem gesehen“, sagte Georgios Vater, als hätte er Tanitas Gedanken erraten. Beide wurden direkt zu Tisch gebeten. Schnell kamen Gebackenes und ein auf den Tisch. Sein Vater stellte sich und seine Frau mit Namen vor: „Ich heiße Stavros und meine Frau Paraskevie.“ Auch Tanita benannte ihren Namen, man fand ihn schön und ungewöhnlich zugleich, dann versiegte das Gespräch.
Während der Stille betrachtete Tanita Georgios Eltern. Seine soziale Mutter wirkte erstaunlich jugendlich und sein Vater Jahrzehnte älter, aber sehr drahtig.
Georgios brach das Schweigen: „Wollt ihr meine neue Bekannte nicht kennen lernen?“, fragte Georgios. „Ja, sicher“, sagte Paraskevie. Und: „Wir wissen, sie heißt Tanita, bist du ein deutsches Mädchen?“ Georgios neue Bekanntschaft antwortete: „Ich bin Halbgriechin, meine Mutter ist auch von hier.“ „Ach, ja, kennen wir sie?“, fragte Paraskevie. Sein Vater schien sich aus allem herauszuhalten. Tanita meinte: „Sie heißt Vavroula Papandreou.“ Paraskevie gab eine sehr höfliche Antwort: „Wir kennen sie aus der Kirche, nur vom sehen her, dann haben wir sie manchmal hier erlebt, aber wir wissen nicht genau, wie ,was?“ Tanita wollte nun eher auf Paraskevie zu gehen und erklärte: “Das ist auch egal, aber ein Zufall, dass sie Vavroula bereits kennen, ist es schon.“
Nun schämte Tanita sich, dass sie deutsch sprachen, aber ihr Vater hatte durchgesetzt, dass nur deutsch zu Hause gesprochen wurde. Deswegen beherrschte sie als Halbgriechin die Sprache ihrer Mutter nur fragmentarisch. Aber sie versuchte es dann doch, ein wenig hatte man es ihr ja beigebracht. Wie bei den meisten Griechen, so wollte sie auch bei seinen Eltern einen gewissen Zugang zu ihrem Gefühlsgestirn finden. So sprach Tanita ein paar Plattitüden über das Wetter. „Ah, du sprichst ganz gut“, meinte Stavros und Paraskevie sagte dann unmotiviert fragend: “Vavroula ging dann wohin?“ Tanita wurde bleich wie ein Totenhemd, sie hatte diese plötzliche Vertrautheit, die im ganzen nur oberflächlich auf sie wirkte, nicht erwartet. Schließlich kannte sie Georgios erst einen Tag, dann antwortete sie: „Meine Mutter ging ins Bergische Land und arbeitete dort in einem Hotel, als Küchenfee, wie sie so oft scherzhaft sagte. Dann heiratete sie einen Deutschen.“ „Auch nicht schlecht“, sagte Paraskevie. „Aber jener Mann starb dann und sie heiratete einen anderen Deutschen“, erklärte Tanita. Stavros hakte nach. „Und er lebt noch da?“ „Ja“, antwortete Tanita und sagte dann: „Meine Mutter hat sich zusammen mit ihren Männern in Deutschland ein Ferienhäuschen für Kalambaka erarbeitet.“„Es stimmt“, meinte Georgios Mutter. Paraskevies Stimme wurde mit einem Mal weicher: „Sie ist manchmal hier. Aber man kennt sich ja nicht und wir dachten auch nicht, dass sie so eine Tochter hat.“ Langsame Röte überzog Tanitas Gesicht, und nur um noch etwas zu dem Gespräch weiter beizutragen, meinte sie, nun ja, sie hat noch ein Kind, eine Spätgeburt, Kassie mit Namen, sie ist auch hier.“ Während sie im weiteren so stillschweigend miteinander verweilten, war Tanita in sich ganz zentriert, weil ihr alles so vertraut war. Als hätte sie es schon einmal in einem Traum erlebt, oder bevor sie auf die Welt kam, irgendwo in Gottes Welt. Als würde man sich schon ewig eher im Inneren unterhalten. Warum Tanita das lustig und traurig zugleich fand, wusste sie nicht. Aber sie fühlte sich nicht unwohl dabei, als würde man ihr helfen wollen. Amüsiert und zugleich distanziert, betrachtete sie sich selber in dieser Situation, die nicht lange andauerte. Wenig später verabschiedeten sich Georgios und Tanita. Und Paraskevie sagte bloß: „Ja, dann tschüss.“ Die junge Frau antwortete höflich, so wie ihre Mutter es ihr beibrachte: „Yiassas.“ Dann hielt seine Mutter ihren Sohn noch einmal zurück, sie erzählte in rascher Folge unverständliche Worte, die Tanita ausschlossen, aber das beunruhigte sie nicht. Sie kannte die Art ja von ihrer Mutter. Dann kramte sie eine Einkaufstasche heraus.
Georgios wurde in der Zwischenzeit schon noch nachdenklich darüber, dass die wartende Tanita seine Eltern im äußeren so herzlich benahm. Ihm kam zu Bewusstsein, dass sie vielleicht mehr wahrnahm zwischen Himmel und Erde, aber auch in paar Punkten entscheidend weniger. So wurde Georgios neugierig auf Tanita, auf einmal wollte er sie für eine Weile festhalten, ihr näher kommen wollen, als er eigentlich beabsichtigt hatte. Zu Anfang und auch bei der Wanderung zu Aghia Triada hatte er sie für unkonzentriert und fahrig gehalten, auch wenn er sich schnell in Tanita verliebte. Und in Bezug auf seine Eltern hatte Georgios diesen schnellen, warmen Kontakt irgendwie unangenehm und berührend zugleich empfunden. Schließlich wollte er sie ja nicht heiraten. Aber seine Eltern waren ja letztendlich auch von der alten Schule. Als er sie bei der Hand nahm, nachdem er die gefundene Einkaufstasche entgegengenommen und man sich verabschiedet hatte, brachte er sie aus der Wohnung. Georgios wirkte dabei resolut. Warum, konnte Tanita nicht richtig einschätzen. Sie dachte, er wäre vielleicht wütend, dass er die Tage noch etwas für seine Eltern besorgen sollte.
Nun standen sie im Flur sich bei den Händen haltend, doch Tanita entzog sich ihm, sie wollte ihm nicht so schnell Folge leisten. Aber später, griff sie zu, sie wäre beinah gefallen, Tanita konnte sich auf eine der steilen Stufen noch aufrecht halten. Und Georgios lehnte das nicht ab. Doch ob er noch weitergehen wollte mit ihr, das sollte letztendlich das Kismet entscheiden, so dachte er es.
3. Kapitel
Erste zärtliche Zusammenkunft
Als sie draußen waren, zitterte Tanita unmerklich, ein kühler Wind kam auf, es war schließlich schon Abend. Georgios fragte: „Wo gehen wir jetzt hin?“ Sie antwortete: „Ach so, ich muss heute noch Blumen gießen. Meine Freundin Maria ist für eine Woche in Athen.“ Und dann fragte Tanita: „Willst du mitkommen?“ Georgios lächelte und sagte: „Warum nicht.“