Die heilende Zeit. Nadja Solenka
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die heilende Zeit - Nadja Solenka страница 6
Tanita freute sich unbändig und war schon noch belustigt. Jetzt kannten sie sich gerade zwei Tage und es fühlte sich schon an wie Ewigkeiten. Als sie bei Georgios ankam, umarmte er sie stürmisch, dann gingen sie hinauf in die Wohnung ihrer Freundin.
Er bereitete den und sie stellte die Tüten auf eine Anrichte. Bedächtig holte sie die Lebensmittel heraus und deckte damit den Tisch. Entnahm das Designergeschirr aus einer Glasvitrine und dann arrangierte Tanita Servietten, die Maria von ihrer Mutter zu Weihnachten bekommen hatte. Georgios meinte: „Oh, da haben wir uns ja mit der Jahreszeit vertan.“ Tanita lächelte bloß.
Beide saßen dann eine Stunde bei Tisch. Sie redeten über Gott und die Welt.
Nach dem Essen verführte er sie nach Strich und Faden. Georgios überraschte sie mit Zärtlichkeiten, die soviel aus ihr herausnahmen, was sie in der letzten Zeit an Gefühls-Stress durchgemacht hatte, dass Tanita ihm Liebe zurückschenken wollte. Was Georgios ihr dann gab, war Leidenschaft, sie fand das nicht falsch, schließlich wollte sie auch, dass es ihm ging.
Als sie nachher zusammen duschten, kribbelte es auf ihrer Haut. Und als sie sich anzogen, beschlossen sie, weil sie sich immer zugehöriger fühlten, einen Ausflug zu unternehmen. Es sollte nach Trikala gehen. Das war eine Idee von Georgios.
Während der gemütlichen Autofahrt brachte Tanita das Gespräch in Gang. So fragte sie nach seinem Lieblingshobby und wie es ihm erginge im Beruf. Georgios meinte, dass Malen sein Steckenpferd wäre, es wäre immer mal der Traum seines Lebens gewesen, Künstler zu werden. Aber er hätte sich sich als Mensch eher durch sein Physik - und Mathematikstudium vervollkommnen können. Auch meinte er: „In Deutschland zählt ein Kopfberuf mehr.“ Dann erklärte Georgios noch dazu, er hätte eh mehr einen rechnerischen Ansatz gehabt, sein Leben zu meistern. Tanita erzählte, dass auch Soziologie viel mit rechnen zu tun hätte. „Und was ist bei euch Soziologen die Prämisse?“, fragte er neugierig. „Ich denke für gläubige Soziologinnen ist das Gott“, antwortete sie. „Und Gott“, fragte er leise. Tanita war zunächst erstaunt, dann erklärte sie lächelnd: „Gott ist sicherlich auch ein Rechenkünstler, aber in meinem Beruf finde ich es interessanter, dass in Bezug auf Gott die Prämisse Liebe heißt.“
Georgios wirkte in sich gekehrt, schließlich sagte er: „Wenn das stimmen würde, wäre der Kosmos da.“ Tanita zuckte zusammen. Dann sagte sie: „Als Germanistin denke ich, das darf im Handeln jedes einzelnen Menschen ruhig begründet sein.“
Georgios erwiderte: „Wenn man vom freien Willen ausgeht ja.“
Er hielt Tanita nicht wirklich für einen Blaustrumpf, auch wenn er sie als hoch-intelligent einschätzte, aber er sah eher die mütterliche Frau in ihr. Dann amüsierte es ihn irgendwie bei so einem Thema angelangt zu sein, letztendlich war er über beide Ohren verliebt und wollte eher fühlen. Dennoch wollte er mehr wissen über ihre Ansichten: „Und das mit dem freien Willen findet kein Grieche falsch?“ „Sagen wir mal so, die meisten arbeiten am Schicksal, und wollen Liebe und Idealtypisches schon noch von sich aus schenken“, antwortete Tanita. „Und wie findest Du es, wie die Deutschen es halten?“ Sie überlegte nicht lange: „Die wollen nur das einschlägige Ernste nehmen.“ „Schön, aber da reimt sich auch schon mal was auf die elterlichen Räte“, fand Georgios. „Wenn du so willst ja“, beantwortete sie seine Auffassung amüsiert. Ein Mensch, der es sich und augenscheinlich jedem recht und billig machen wollte, schien Georgios also nicht zu sein. Dann war sie davon angetan, dass er soviel Humor mitbrachte für das deutsche Verhalten, die zumeist nur ihre Schäfchen ins Trockene bringen wollten. Nun wollte Tanita ihn mit einer Diskussion über nationales Denken nicht vor dem Kopf stoßen. Außerdem wollte Tanita ihre Verliebtheit nicht rationalisieren. Und sich schon gar nicht selbst verleugnen müssen.
Nachdem Georgios die typische griechische Musik laut nach-sang, öffnete sie das Fenster und warme Luft wehte ihr die Haare ins Gesicht.
Als sie später in Trikala ankamen, fanden sie irgendwann einen Parkplatz in einer abgelegenen Straße. Und nachdem Georgios mit ihr dann in die Innenstadt gelangt war, fragte er, um sie zu amüsieren, was sie da eigentlich zu suchen hätten. Tanita sagte langsam: „Ich habe vor, ein Buch zu erstehen, um die griechische Sprache besser kennen zu lernen.“ „Das hört sich gut an, man kann auf jeden Fall mal versuchen in einer Sprache zu lesen, die einem nicht vollständig vermittelt wurde“, meinte Georgios. „Ja, das stimmt, ich habe noch Hoffnung, etwas dazuzulernen“, antwortete sie.
Nachdem Tanita ein Buch in einem Buchladen bekommen hatte und sie durch die Stadt spaziert waren, landeten sie in einem Cafe. Beide tranken jeweils einen Cappucino und diskutierten über dieses und jenes. Dann erklärten sie sich, wie angenehm das Wetter doch war. Georgios meinte, dass Trikala ansonsten den Ruf eines Hitzekessels inne habe. Und das einzige nennenswerte wäre eine byzantinische Festung, die einst auf einem bewaldeten Hügel über den Resten einer antiken Akropole errichtet worden war.
Tanita wollte nochmal etwas genaueres wissen über Byzanz, ihre Kenntnisse darüber erschienen ihr halb-gar. So fragte sie Georgios schüchtern danach, und er ließ sich nicht lange bitten: „Das byzanthinische Reich, war ein Kaiserreich im östlichen Mittelmeerraum. Es entstand in der Spätantike nach der Reichsteilung, im Jahre 395, aus der östlichen Hälfte des Römischen Reiches. Das Reich endete mit der Eroberung von Konstantinopel durch die Osmanen im Jahr 1453.“ „Was du nicht alles weiß, und das noch so genau, da will ich staunen.“
Nach der Bezahlung gingen beide zurück zu Georgios Auto, schließlich fuhren sie wieder Richtung Kalambaka. Dort konnte er endlich die Einkäufe leisten, die er für seine Mutter tätigen sollte. Es war eigentlich nur Gepäck und , den er später nachkaufen durfte. Dann beschlossen sie in Marias Wohnung Siesta zu halten.
Als er Tanita verführen wollte, schob sie ihn von sich und meinte, sie hätte Magenschmerzen bekommen und ihr wäre ganz übel. Georgios war erst überrascht, doch dann schaute er in ihre Augen und sah die schönste Seele der Welt. Sie sagte: „Zweimal gilt nicht.“ Georgios war bestürzt, hatte er sie etwa verletzt, oder war Tanita das Ganze zu viel geworden? Laut sagte er: „Alles kam vielleicht zu heftig und zu unmotiviert.“ „Das hoffe ich nicht“, sagte Tanita. „Sondern?“, fragte er nach, weil er fühlte, dass sie ganz bei sich war. „Ich bin eigentlich psychisch nicht schlecht drauf, wenn mir etwas positives geschieht.“ Georgios dachte, sie wurde als Kind wohl zu wenig beachtet und man hätte ihr niemals im Leben etwas zurückgeschenkt. Dann hörte sie in seiner Stimme etwas zittriges, als er sprach: „Natürlich muss auch ich erstmal verdauen, dass man sich vorher nicht kannte, aber die eigene Wirklichkeit kann so schnell auf einmal ins Wanken geraten. Das Leben ist halt kein Spiel.“ Tanita entgegnete: „Ich kenne Dich bestimmt schon Jahrhunderte mehr, als mir vielleicht lieb ist.“ Georgios lachte laut auf und antwortete: „Bei der Reinkarnation kann man sich ja auch nicht alleine aussuchen.“ Sie zuckte zusammen und dann sagte sie amüsiert: „Gott kann sich auch alleine für sich nur selten erwählen.“ „Mit Sicherheit hat er dazu zu viel zu tun, aber wenn er sich Menschen im Zusammenspiel miteinander aussucht, meint er dabei mit Sicherheit nicht nur sich selbst“, meinte Georgios bejahend dazu. „Eine Frage ist, ob man sich überhaupt nur für sich selbst benehmen sollte“, erwiderte Tanita. Wieder kapierte Georgios nur die Hälfte, aber er glaubte Soziologie wäre eher ein Fach gewesen, dass er studiert hätte, um die Welt so da zu lassen, wie sie nun mal ist.
Dann dachte er daran, dass Tanita jetzt nur Angestellte in einer Bäckerei war und einen halbwüchsigen Sohn durchbringen musste. Georgios begann zu überlegen, wie er nun im Übergang auf ihr Leben zu sprechen kommen könnte. Als ob sie seine Gedanken erraten hätte, sagte sie: „Mein Sohn interessiert sich auch für Gott und die Welt. Er hat vor, vielleicht Philosophie zu studieren. Nun ist er siebzehn, ich bekam ihn vielleicht zu früh, war gerade erst fünfzehn Jahre alt, als