Nach Amerika! Bd. 2. Gerstäcker Friedrich

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Nach Amerika! Bd. 2 - Gerstäcker Friedrich

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erlaube ihm dann, das Maul zuzumachen und zu schwimmen – und dafür fünfunddreißig Taler Gold Passage – kommt mir beinah’ ein wenig teuer vor. – Haben Sie die Fässer Pech – oder ist das etwa gar Kolophonium57 auch mit heraufgewälzt?»

       «Ja», lachte Eltrich.

       «Stoffverschwendung», murmelte Maulbeere zwischen den Zähnen durch, und setzte dann lauter hinzu: «Nein, zu s o l c h e r Arbeit möchte ich mich doch nicht verstehen; werde wenigstens suchen, mich so lange davor zu bewahren als möglich. Meine Absicht ist hier in Amerika, sobald sich eine schickliche Gelegenheit dazu bietet, meinen Händen, wie meinem linken Hinterbein, das nun so lange Jahre hat das Rad treten müssen, Ruhe zu gönnen und mit dem Geist zu arbeiten.»

       «Aber wie wollen Sie das anfangen, Herr Maulbeere?»

       «Daran arbeitet mein Geist eben noch», sagte der Scherenschleifer etwas geheimnisvoll, «der passende Zeitpunkt ist auch noch nicht gekommen. Sollte er nahen, werde ich ihn nicht versäumen.»

       «Hallo, boys – hier, macht, daß die Sachen hinaufkommen!» unterbrach da eine Stimme vom Flatboot herauf die Unterhaltung der beiden Reisegefährten. «Die Karren kommen da oben schon wieder zurück und wollen Ladung haben.»

       «Ich muß fort, Herr Maulbeere», rief Eltrich rasch, dem Mann die Hand entgegenstreckend, sie aber wieder zurückziehend, «ich mache Sie schmutzig», setzte er, dabei leicht errötend, hinzu.

       «Ich wasche mich wieder», sagte Maulbeere, ohne eine Miene zu verziehen, nahm die nochmals dargebotene Hand, schüttelte sie weit wärmer, als das sonst seine Gewohnheit war, und blieb dann, während Eltrich wieder nach dem Boot hinuntersprang, noch eine Weile oben auf der Levée, die heiß niederbrennende Sonne nicht weiter beachtend, halten, um zuzusehen, wie sein Reisegefährte arbeitete. Eltrich war vielleicht der einzige von den Zwischendeckspassagieren gewesen, mit dem er nie ein unfreundliches Wort gehabt, der ihn nie verspottet oder verärgert; einer der wenigen, dem, wie seiner Frau, man es auf den ersten Blick ansah, daß sie einst in besseren Verhältnissen und größeren Bequemlichkeiten gelebt, während sie sich doch alle beide nie, auch über die größten Unannehmlichkeiten nicht, weder über Kost noch Raum beklagten. Das besonders hatte ihnen die Achtung dieses wunderlichen Zwitterdings von Tier und Mensch, des Scherenschleifers, gewonnen, und wenn dieses Herz überhaupt einer solchen Regung fähig gewesen wäre, würde er den jungen Mann, der sich mit seinem schmächtigen Körper jetzt gegen ein ziemlich dreihundert Pfund schweres Porkfaß legte und es mit triefender Stirn den Hang hinaufarbeitete, bemitleidet, ja, ihm vielleicht irgendeine Hilfe angeboten haben, er hätte von vornherein überzeugt sein können, daß sie Eltrich nicht annahm. Maulbeere wollte etwas Derartiges aber auch nicht einmal riskieren, und nur nach einer Weile auf das Entschiedenste mit dem Kopf schüttelnd, drehte er sich um, hakte sein Tragband wieder ein und fuhr in seinem gewöhnlichen, schwankenden Gang die Levée hinauf, der Dampfbootlandung zu.

       Über den freien, vor dieser Landung liegenden Platz schritt ein Mann mit einer Frau. Der Mann trug einen Jagdranzen über der Schulter, die Frau ein in ein rotes Tuch eingeknüpftes Bündel in der Hand, aber den Kopf bloß dabei, die Haare wirr und ungemacht, und nur mit einem schwarzsamtenen Band zusammengebunden, in dem vor ein kleiner, unechter, emaillierter Schmuck hing. Ohrringe und Halskette waren von demselben Metall, paßten aber, wie das in grellbunten Farben prangende seidene Tuch, das sie um den Hals trug, schlecht zu den bleichen Wangen, den hohl liegenden, stieren Augen. Die Leute, die ihnen begegneten und nicht gerade zuviel mit sich selber zu tun hatten, blieben auch stehen und schauten der wunderlichen, ja fast unheimlichen Gestalt nach, die wankenden Ganges neben dem Mann hinschritt, mit den Händen dabei focht und einzelne, unzusammenhängende Worte ausstieß.

       «Sei jetzt vernünftig, Jule!» flüsterte ihr der Mann zu, ihren Arm zu gleicher Zeit fassend, daß sie vor Schmerz einen leichten Schrei ausstieß. «Zum Donnerwetter noch einmal, alle Menschen, die uns begegnen, stieren uns an und halten Dich am Ende noch für verrückt. Laß doch zum Teufel die Arme ruhig, was hast Du denn damit in einem fort in der Luft herumzufahren? Wenn Du mir nicht unterwegs wieder vernünftig wirst, weiß ich wahrhaftig gar nicht, was ich mit Dir anfangen soll.»

       «Unterwegs? – Ja – das ist gut», sagte die Frau, leise vor sich hinlachend, «unterwegs – wenn wir nur erst unterwegs wären – ich sehne mich danach.»

       «Na, dann geh auch ordentlich zu und betrage Dich nicht so albern», brummte der Mann, «sieh, das Boot raucht schon, wir müssen machen, daß wir hinunterkommen.»

       «Herrgott!» rief die Frau, plötzlich stehenbleibend und sich mit der linken Hand wild über die Stirn streichend. «Wir haben – wir haben etwas zu Haus vergessen!»

       «Vergessen?» sagte der Mann, sie fragend anschauend. «Na, was ist nun wieder los – die Brieftasche? Nein, die habe ich hier, und das Geld ist auch da – was hast Du denn vergessen?»

       «Die K i n d e r ! » flüsterte die Frau und ergriff heftig seinen Arm; der Mann aber schleuderte sie wild von sich. Wie er jedoch sah, daß mehr und mehr Menschen auf sie aufmerksam wurden, und stehenblieben und ihnen nachschauten, trat er rasch an die Frau wieder heran, zog ihren linken freien Arm in den seinen, und sie mit eisernem Griff haltend und mit sich fortziehend, zischte er ihr ins Ohr:

       «Bist Du denn ganz des Teufels, sinnloses Weib, hier auf offenem Platz den Unsinn auszuschreien? – Oder möchtest Du etwa mit den amerikanischen Zellengefängnissen Bekanntschaft machen? Komm – halte Dich fest an mich und verliere Dein Bündel nicht; ein Glück, daß die Leute kein Deutsch verstehen.»

       «Gehen wir denn hin, wo sie sind?» frug die Frau rasch, immer noch an dem einen Bild sich anklammernd.

       «Mir wärs recht, wenn Du’s tätest», rief der Mann in finsterem, kaum zurückgehaltenem Groll, «ich habe das Gewinsele und Geklage satt – begreife überhaupt nicht, wie ich es so lange ausgehalten, und geb’ Dir meinen Segen auf die Reise.»

       «Und ich d ü r f t e zurück?» rief die Frau rasch und heftig, bewegt zu ihm aufschauend.

       «Treib keinen Unsinn», knurrte der Mann, «Du wärst am Ende imstande, ihnen gerade wieder in den Rachen zu laufen und die Freude zu machen, daß sie Dich eine halbe Lebenszeit ins Spinnhaus stecken könnten. – Dort liegt unser Boot – alle Wetter, da geht auch ein alter Bekannter noch von Bord her, kennst Du den, Jule?»

       «Laß den widerlichen Menschen», sagte die Frau, in sich zusammenschaudernd.

       «Guten Tag, Herr M e i e r ! » rief in diesem Augenblick Maulbeere, der mit seinem Karren gerade an ihnen vorüberfuhr und den Hut in spöttischer Ehrerbietung tief gegen ihn schwenkte. «Bitte mich Ihrer Frau Gemahlin auf das Gehorsamste zu empfehlen.»

       Steffen, der seine rechte Hand in der Hosentasche stecken hatte, zog sie heraus, griff an die Mütze, und ging steif und finster an dem ihm aus mehr als einer Hinsicht verhaßten Scherenschleifer vorüber.

       «Ein nobles Pärchen», murmelte dieser aber vor sich hin, als er, ohne sich nach den beiden weiter umzusehen, an ihnen vorbeigefahren war, «ein s e h r nobles Pärchen, das muß wahr sein. Gäbe auch ‘was drum, wenn ich wüßte, das die einmal für ein Ende nehmen hier in Amerika – jedenfalls auf Staatsunkosten, oder müßte mich sehr irren.»

       «Hallo, Scherenschleifer!» rief da eine laute, fröhliche Stimme hinter ihm her. «Halt da, hier ist Arbeit für Euch!»

       Maulbeere hielt rasch still und sah sich nach dem Rufer um. Dieser stand vorn auf dem Bug desselben Bootes, das der Mann von der Haidschnucke mit seiner Frau eben betreten hatte und das an seinem Boilderdeck ein großes Schild mit dem Namen: The Backwoods Queen und dem Bestimmungsort:

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