Nach Amerika! Bd. 2. Gerstäcker Friedrich
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«Nun, Maulbeere, wie gehen die Geschäfte?» rief ihm Georg Donner noch einmal zu, und kam dann über die Laufplanke, seine beiden Daumen vorn in dem breiten Ledergürtel, der seine Hüften umschloß, herüber an Land. «Wetter noch einmal, Mann, Ihr seht noch genauso aus wie an Bord und habt Euch nicht im mindesten amerikanisiert!»
«Hätte bald ‘was gesagt», brummte Maulbeere, die Gestalt vor sich mit einer eigenen Mischung von Spott und Humor betrachtend, «aber was tun Sie hier eigentlich, und wie sehen Sie aus?»
Maulbeere hatte allerdings Ursache so zu fragen, denn mit Georg Donner schien jedenfalls eine ganz eigentümliche und große Veränderung vorgegangen zu sein. Schon in seinem Äußeren war er ein anderer Mensch geworden, der den dunklen Rock ab- und ein kurzes, blaues Matrosenhemd übergeworfen hatte, das in der Mitte von dem schon erwähnten Ledergürtel zusammengehalten wurde. Die Beine staken in Hosen von demselben einfachen Stoff, sein blaugestreiftes Hemd hielt ein schwarzseidenes, in einen Matrosenknoten geschlagenes Halstuch zusammen, und das dunkle, lockige Haar deckte eine baumwollene schottische Mütze, während an dem Gürtel ein kurzes Matrosenmesser mit hölzernem Griff in lederner Scheide hing. Aber das nicht allein – sein ganzes Wesen hatte das Ernste, Träumerische verloren, das ihm an Bord so eigen gewesen, und war frei und entschlossen, ja fast keck geworden, ohne jedoch dadurch irgendetwas von seiner offenen Ehrlichkeit verloren zu haben.
Er lachte, als er den schmutzigen, verdrossenen Burschen, der ihm immer in seinem ganzen Wesen viel Spaß gemacht, noch eben so sauertöpfisch, bis in dasselbe Knopfloch hinauf eingeschnürt, und ohne die Spur von irgendeiner reinen Wäsche vor sich stehen sah, besserte aber dadurch Maulbeeres Laune keinesfalls.
«Wie ich aussehe, mein würdiger Maulbeere?» lachte Donner. «Wie ein Mann, der entschlossen ist, seinen Weg in Amerika zu machen, und das Land zu sehen und kennenzulernen.»
«Um das L a n d kennenzulernen, gehen Sie auf’s W a s s e r ? » fragte der Scherenschleifer, seine Stirnhaut zu unzähligen Falten zusammenziehend. «Auch nicht übel, und als was? – Kapitän, Steuermann, Koch, Ingenieur?»
«Nicht von alledem, Kamerad», lachte der junge Mann, «zu so hohen Posten kann man erst avancieren, wenn man von der Pike auf gedient hat; vorerst mache ich eine Reise als Feuermann mit.»
«Als H e i z e r an Bord?» frug Maulbeere wirklich erstaunt.
«Als Heizer», bestätigte Donner lachend, «mit dreißig Dollars monatlichem Gehalt, und frei Kost und Logis, Whisky, Zucker, Kaffee und wie die Vorteile alle heißen, die uns das wackere Boot bietet.»
«Sind Sie bei dieser Anstellung als L e h r l i n g oder gleich als G e s e l l eingetreten?» frug Maulbeere, der sich noch immer nicht an dem Kostüm seines früheren Reisegefährten sattsehen konnte.
«Als Geselle, Herr Maulbeere, als Geselle, und Sie sollten einmal sehen, wie ich die Schürstange schwingen werde.»
«Kann ich mir lebhaft denken», beteuerte der Scherenschleifer, sein Gesicht in einen förmlichen Knoten zusammendrückend, «kann ich mir lebhaft denken – ist auch eine recht passende Beschäftigung für einen Pastorssohn.»
«Schadet nichts, Maulbeere», lachte der junge Mann, «nur ehrlich und rechtschaffen gehandelt und sich sein Brot selber erarbeitet, auf das Übrige kommt’s dann nicht an, ob ich einen Frack oder ein Schurzfell trage. Aber d u r c h komm’ ich, darauf können Sie sich verlassen, so lange mir Gott meine Gesundheit und meine gesunden Glieder läßt. Übrigens sind noch ein paar Bekannte von Ihnen hier an Bord», setzte er rasch hinzu, «Karl Berger, der Deserteur, und Herr Schulze aus Hannover.»
« A u c h Feuermann?» rief Maulbeere rasch und erstaunt.
«Der erste ja, der letzte nicht», lachte Georg Donner, «sollte sich nicht übel mit der Schürstange ausnehmen, und würde das Feuern wohl kaum vierundzwanzig Stunden aushalten. Er geht als Passagier, glaub’ ich, nach St. Louis.»
«Hm», brummte Maulbeere vor sich hin, «alle Welt geht fort von hier; wenn ich wüßte, daß es im Lande besser wäre, schöb’ ich meinen Karren auch an Bord.»
«Scheren und Messer wird’s überall zu schleifen geben», sagte Donner.
«Die Möglichkeit ist vorhanden, daß ich mir in Zukunft meine eigenen Messer schleifen l a s s e », sagte Maulbeere.
«Oho!» rief Donner verwundert aus. «Ja, wenn Sie solche Pläne haben, Freund Scherenschleifer, dann ist doch wohl New Orleans der beste Platz, galoppierende Spekulationen rasch zur Ausführung zu bringen. Ich wüßte übrigens eine für Sie.»
«Eine Spekulation? – Und die wäre?»
«Haben Sie die riesenhaften Ankündigungen von Stiefelwichse gesehen, die überall in der Stadt an den Straßenecken kleben?»
«Allerdings – wo sich der Neger vor dem Stulpenstiefel rasiert», feixte Maulbeere, dem die Idee ungemein gefallen.
«Diesselbe!» lachte Donner. «Wenn Sie Ihren Stiefeln imstande sind halb den Glanz zu geben, den das Schulterteil Ihres Rockes hat, so ist Ihr Glück gemacht.»
«Hören Sie einmal, mein lieber Donner», sagte jetzt Maulbeere gereizt und mit einem fast boshaften Lächeln in den entsetzlich häßlichen Zügen, «wenn Ihre Feuer nicht besser scheinen werden als Ihr Witz, so glaub’ ich, käm’ ich eher mit meinem Schiebkarren nach St. Louis hinauf, wie Sie mit Ihrem Dampfboot. – Wer weiß, ob mein blanker Rock nicht noch länger hält, als Ihr blaues Hemd, und Sie im nächsten Winter nicht vielleicht Gott danken würden, einen so warmen Überzieher zu haben.»
«Frieden, würdiger Greis, Frieden», lachte der junge Mann, «die Bemerkung war keineswegs böse gemeint und sollte Sie nicht beleidigen – im Gegenteil hab’ ich sogar eine Bitte an Sie: mir nämlich über ein paar junge Leute von unserem Schiff Auskunft zu geben, die Sie gewiß nicht – wenigstens trau ich das Ihrem Scharfblick kaum zu – aus den Augen verloren haben.»
«Und die wären?» sagte Maulbeere immer noch mißtrauisch den jungen Burschen dabei betrachtend.
«Was ist aus Doktor Hückler geworden?» sagte dieser. «Ich habe ihn nicht wieder gesehen, seit er an jenem ersten Landungsabend unser Schiff verließ.»
«Wohnt jetzt in –street», sagte Maulbeere, «führt ein großes Schild über der Tür: J.A. Hückler, deutscher Doktor und Geburtshelfer», murmelte Maulbeere, «und rechts und links an dem Schild hat er sich ein paar große schwarz-rot-goldene Kokarden malen lassen.58»
Georg Donner lachte.
«Der wird sein Brot hier schon finden», sagte er achselzuckend, «wer kann’s ändern, vielleicht haben die Leute Recht, die da behaupten in Amerika w o l l - t e n die Menschen betrogen sein.»
« V i e l l e i c h t haben sie Recht?» brummte Maulbeere vor sich hin. «Da ist gar kein vielleicht dabei, und wer hier seine K n o c h e n einsetzt, muß gewöhnlich die Haut mit in Kauf geben. Ich gedenke hier G e r b e r zu werden – aber nach wem wollten Sie noch fragen?»
«Haben Sie von Henkel und seiner Frau nichts