Die Pferdelords 05 - Die Korsaren von Umbriel. Michael Schenk
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Gendrion trat neben die beiden Elfen am Ruder. »Die ist ja auch ein
Pfeilschiff. Wir dagegen müssen uns mit dieser behäbigen Transportkiste
plagen.« Er klopfte mit der Hand auf die lange Führungsstange des Ruders.
»Aber wenn die ›Wellenvogel‹ erst einmal auf See ist, dann wird sie zeigen,
was sie kann.«
Sie standen am Heck des Schiffes. Auf dem Oberdeck herrschte geordnetes
Chaos, während die Elfen die Anker einholten und die Segel ausrichteten. Am
hinteren Mast standen bereits zwei Gruppen bereit, um auch dort die Segel zu
setzen, sobald der Kapitän den Befehl dazu gab.
»Bei den Flammschiffen gibt es hier hinten Aufbauten«, meinte Leoryn.
»Warum nicht auch auf diesem Schiff?«
»Flammschiffe sind für den Kampf bestimmt. Deren Heckaufbauten sollen
Rudergänger und Kapitän ein wenig Schutz vor feindlichen Geschossen
geben«, erwiderte Herolas. »Uns bedrohen jedoch nur Wind und Wetter, und
die muss ein Seeelf im Gesicht spüren, wenn er sein Schiff sicher durch einen
Sturm hindurchführen will.«
Gendrion nickte beifällig. Er trat neben einen der Rudergänger und legte
die Hand an das Führungsholz. »Wir haben Steuerdruck, Kapitän. Minimal
zwar, aber es reicht.«
»Dann bring sie raus, Steuermann.« Herolas rieb sich die Hände und
lächelte erfreut. »Die Anker kurz und festmachen! Am Hintermast
bereithalten!«
Die Anker der »Wellenvogel« hoben sich aus dem Wasser. Elfen zogen sie
mit Leinen dicht an den Schiffsrumpf heran und machten sie fest, sodass sie
auch bei schwerer See nicht gegen das Schiff schlagen konnten. Der Bug
drehte sich langsam vom Steg weg und zeigte nun zu der zwischen
aufsteigenden Felsen hindurchführenden Einfahrt der Bucht. Auf den Stegen
und Laufgängen, welche die Häuser der Seeelfen in den steilen Klippen
miteinander verbanden, standen jetzt Elfen und sahen dem Schiff zu, wie es
der offenen See entgegenstrebte.
Auf dem langen Oberdeck der »Wellenvogel« hatten sich unterdessen die
Matrosen zwischen Kästen und Rollen ordentlich aufgerollter Seile
nebeneinandergereiht und warteten auf die Kommandos des Kapitäns oder
seines Steuermanns, während die Elfen mit den langen Stangen zurücktraten
und diese in Halterungen am Vormast stellten.
An der hinteren der beiden Treppen, die in den Rumpf hinunterführten,
stiegen nun drei weitere Elfen auf das Oberdeck. Zwei von ihnen hatten
langes schwarzes Haar, was für das elfische Volk sehr ungewöhnlich war. Es
stellte eine Eigenheit der Elfen des Hauses Deshay dar, des lange verschollen
geglaubten Hauses des Urbaums. Der Mann und die Frau hätten Geschwister
sein können, doch handelte es sich um Jalan-olud-Deshay und seine Tochter
Llarana. Jalan war der Älteste und Erste des Hauses Deshay und so etwas wie
eine Legende im elfischen Volk, da er dessen künftige Heimat gesehen hatte.
Seine Rückkehr war der Anlass gewesen, den endgültigen Aufbruch zu den
Neuen Ufern nicht länger hinauszuzögern. Seine Tochter hatte die natürliche
Schönheit und das Ebenmaß des elfischen Volkes, doch während Leoryn ihr
Haar offen trug, hatte Llarana einen Teil davon zu zwei Zöpfen geflochten,
die über ihre Schultern nach vorne hingen, eine Angewohnheit, wie sie
üblicherweise die elfischen Kämpfer zeigten und daher für eine Elfin recht
ungewöhnlich war. Zudem trug sie, wie ihr Vater, das leicht gebogene
Schwert eines Kriegers an der Hüfte. Von ihrem Bruder war Leoryn es
gewohnt, dass er sich kaum von seinem Bogen trennte. Die schöne Llarana
schien es ähnlich mit ihrem Schwert zu halten.
Der Elf, der jetzt hinter den beiden auftauchte, wirkte dagegen schmächtig
und gebeugt. In seinem langen weißblonden Haar zeigten sich die braunen
Strähnen des Alters, und in das Gesicht des Mannes hatten unvorstellbare
Zeiträume tiefe Furchen gegraben. Obwohl ein Elf nicht körperlich alterte,
sondern selber bestimmte, wann sein Körper die richtige Reife erlangt hatte,
gab es Einflüsse, denen auch das Volk der Unsterblichen unterworfen war. So
konnte zum Beispiel eine schwere Erkrankung den Leib in Mitleidenschaft
ziehen und altern lassen.
Mionas war einer der Ältesten des Volkes, älter noch als Elodarion, aber
jünger als Jalan aus dem Hause Deshay. Für ein anderes Wesen wäre es
verwirrend gewesen, die Generationen der Elfen nebeneinander stehen zu
sehen und ihr Alter zuordnen zu müssen. Mionas gehörte zu jenen Wesen,
deren Drang, neues Wissen zu erlangen und zu erproben, nie zu ermüden
schien. Er hatte viele Dinge ersonnen, darunter auch die »Wellenvogel«. Es
war also verständlich, dass er nun aufgeregt war und an die Reling des
Schiffes trat, wo er sich festhielt und mit hastigen Blicken um sich sah.
Immer