Reisen Band 2. Gerstäcker Friedrich

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Reisen Band 2 - Gerstäcker Friedrich

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gerade zu steilen Hängen dem Mittelpunkt der Insel und den höchsten Gipfeln der Berge zu zogen. Interessant war mir hier eine an den Hängen der Hügel, und zwar mitten im Wald angelegte Kaffeeplantagc, bei der ich wirklich nur durch die regelmäßig gepflanzten Kaffeebäumchen darauf aufmerksam gemacht wurde, daß ich mich nicht im freien Walde befinde. Der Kaffee will nämlich Schatten, um zu gedeihen, und wo solche Plantagen angelegt werden und noch keine größeren Bäume stehen, müssen solche gepflanzt werden. Das hatte man denn hier ganz vorteilhaft benutzt, und die kleinen Stämme gediehen gar wacker und saßen voller Früchte.

      Auch heute machte ich wieder einen Versuch, einen der höheren Punkte zu erreichen, teils aber war ich noch, nach dem Genuß der verwünschten Lichtnüsse2 zu schwach und' angegriffen, eine so beschwerliche Tour, und noch dazu allein, zu unternehmen, teils überraschte mich wieder einer der fast regelmäßigen Nachmittagsregen mit einem so furchtbaren Guß, daß ich wirklich fürchtete, weggewaschen zu werden. Die Büsche waren dabei naß geworden, und wenn es eine Viertelstunde aufgehört hatte, fing es mit solcher Gewalt wieder an, während schwere Nebel, ja fast Wolkenmassen immer tiefer /29/ und tiefer lagerten, daß ich froh war, als ich das Haus wieder erreicht hatte, um meine Kleider zu wechseln.

      Wie ich zurück in das Tal und auf die Broomroad, vielleicht noch anderthalb englische Meilen von der Stadt entfernt, kam, sah ich vor mir eine kleine Hütte und in den Büschen ein paar Menschen, die mit einander zu ringen schienen. Es waren Indianer, und mitten in einem förmlich tropischen Regenguß konnte das wahrlich nicht zum Vergnügen sein; rasch näher eilend, fand ich auch bald die Ursache. - Es war eine alte Frau, toll und voll getrunken, und der Sohn wahrscheinlich, bemüht, sie nicht allein dem Regenguß, sondern auch den Blicken der Vorübergehenden zu entziehen und in's Haus zu bringen, während sich die Trunkene mit all' dem Eigensinn eines solches Zustandes auf das Entschiedenste dagegen sträubte und mit Armen und Füßen wehrte. Wieder und wieder warf sie sich auf den schmutzigen Boden und klammerte sich endlich an einen Busch mit solchem Erfolg an, daß der junge schwächliche Bursch wirklich nichts weiter ausrichten konnte und nach der nicht mehr fernen Hütte um Hülfe rief. Gleich darauf erschien eine junge kräftige Frau in der Tür, und ihr oberes Tuch von den Schultern werfend, teils um es trocken zu behalten, teils freieren Gebrauch der Arme zu haben, sprang sie hinaus in den Regen, machte die Hand der Mutter, denn diese war es doch aller Wahrscheinlichkeit nach, von dem Busche los, und während der Sohn den einen Arm festhielt, ergriff sie den andern, und durch Schlamm und Pfützen schleiften sie den fast bewußtlosen Körper in die Hütte. Es war ein entsetzlicher Anblick, und ist allerdings leider der Fluch der spirituösen Getränke, die von den jetzigen Herren der Insel in vollem Maße eingeführt werden.

      Am nächsten Tag kam bei meinem kleinen Schneider, den ich fast zu lange außer Acht gelassen habe, ein trauriger Fall vor - Familienverhältnisse allerdings; da sie aber auch zugleich das Familienleben fast sämtlicher unverheirateter Fremden hier berühren, glaube ich nicht umhin zu können, sie mitzuteilen.

      Mein kleiner Schneider hatte sich nämlich vor einigen Tagen eine Frau genommen, das heißt er hatte nicht etwa geheiratet, /30/ denn zwischen Fraunehmen und Heiraten ist hier ein sehr bedeutender Unterschied. Nein, er hatte sich nur eins der gewöhnlich zum Besuch in die Stadt kommenden Mädchen ins Haus genommen, die ihm „weiter keine Arbeit tat“ und dafür, wie er mir sagte, „Essen, Trinken und Schlafstelle“ bekam. Die Verwandten des Mädchens schienen aber damit nicht einverstanden. Ich glaube nicht, daß sie für die Tugend desselben besorgt waren, aber sie gedachten vielleicht, durch das Mädchen ihre eigenen Umstände verbessern zu können und wollten sie ihm wieder aus dem Hause holen. Mein kleiner Schneider verteidigte seine Dame aber ritterlich, warf die „Anverwandten“ vorn zum Hause hinaus und schimpfte in einer Anzahl unbekannter Sprachen auf das Rohrsperlingsartigste. Als er jedoch nach glücklich behauptetem Schlachtfeld zu seiner Dulcinea zurückkehren wollte, um sie zu trösten, hatte sich diese aus der Hintertür empfohlen.

      Der Tailleur wütete, und sein Zorn wurde noch erhöht, als er nach einer halben Stunde etwa einen Zettel des Polizeidirektors erhielt, den er sich noch dazu von einem Nachbar mußte vorleseu lassen, da ihm diese Wissenschaft nicht beigebracht war, worin ihn jener aufforderte, „unverweilt das Frauenzimmer, das er widerrechtlicher Weise in seinem Zimmer versteckt halte, ihren Verwandten auszuliefern“. War das noch Spott mit seinem Verlust getrieben?

      Er schien aber nicht so leicht eingeschüchtert. „Jetzt erst recht!“ sagte er, drückte sich seinen Hut in die Stirn, nahm ihn wieder ab, um sich erst ein reines Hemd anzuziehen, fuhr dann in seine Schuhe, griff den Hut zum zweiten Mal aus und verließ sein Haus in solcher Eile, daß er selbst vergaß die Tür zuzuschließen. Er fand seine Donna auch wahrhaftig wieder - die Verwandten konnten wahrscheinlich dieser rührenden, ausdauernden Liebe nicht länger widerstehen - und brachte die junge Frau im Triumph zurück.

      Vier Tage hatten sie so in unendlicher Eintracht zusammen gelebt, so lange brauchte Dulcinea nämlich, einen neuen Rock, den ihr ihr Anbeter gekauft hatte, für sich zu nähen, den alten gab sie dann in die Wäsche. Hiernach hatte sie einige Auftritte mit dem kleinen Schneider, von dem sie Geld zu einigen /31/ Einkäufen verlangte und der mit nichts herausrücken wollte, und verließ dann eines schönen Tages nach dem Mittagsessen die „stille, friedliche Wohnung“, wo jetzt Merz nach zehn vergeblichen Versuchen, sie wieder zu finden, mit der Welt zürnte und über die „Undankbarkeit des weiblichen Geschlechts“ raisonnierte.

      Frauen auf solche Art zu unterhalten, ist hier eine ziemlich allgemeine Sitte, und selbst Die, welche sich einer gewissen heiratsartigen Zeremonie unterziehen, können, sobald sie es wünschen, ungemein leicht wieder von ihr geschieden werden. Die Weißen scheinen die Indianerinnen mehr als Sclavinnen zu betrachten, und meistens werden solche Contracte mit dem beiderseitigen Bewußtsein geschlossen, daß sie nicht lange dauern werden. - Manchmal freilich, und öfter vielleicht wie sich in dem wilden, zügellosen Wesen dieser gesellschaftlichen Verhältnisse ausspricht, hängt das Herz dieser Mädchen mit viel innigerer und wirklich treuer Liebe an dem Mann, dem es sich zuerst ergeben, und der Fremde sieht nicht oder will nicht sehen, wie die Blume welkt und verdirbt, die er geknickt und dann - zur Seite geworfen.

      Viele der Europäer geben sich aber auch mit vollem Bewußtsein einer solchen Leidenschaft hin, und zwar nicht mit dem Gedanken eines flüchtigen Rausches, nein, ein Band zu knüpfen, das für ihr Leben dauern und ihr irdisches Glück gründen soll. Es sind dies meist junge, sehr oft selbst gebildete Leute, die, von dem Liebreiz bestochen, der über dem ganzen Wesen dieser wilden, anspruchslosen Kinder liegt, zu dem Klima und Scenerie das Ihrige ebenfalls noch beitragen, eine aufbrausende, flüchtige Leidenschaft für wirkliche Liebe halten, oder wenn es selbst wirkliche Liebe gewesen, diese stark genug glaubten, sie für alles das entschädigen zu können, was sie in der alten Welt verließen und zu dem sie einst zurückzukehren hofften. Mit solcher Heirat aber haben sie sich die Rückkehr abgeschnitten, und schon mit dem ersten Bewußtsein dieser Tatsache, die sie ableugnen mögen so viel sie wollen so lange sie im ersten Rausche leben, die sie aber mit wenigen Ausnahmen nicht mehr bekämpfen können, wenn sie zu reiferem Bewußtsein gelangen, fängt meist diese Leidenschaft /32/ an wieder zu erlöschen. Halten sie dann den Schwur, den sie geleistet - und oh, in wie seltenen Fällen! - so sind sie unglücklich für ihr ganzes Leben, und der Verstand wirft dem Herzen jetzt in quälender Reue den Leichtsinn feiner Jugend vor. - Und halten sie ihn nicht - lieber Leser, unter dem buntfarbigen Kattun schlägt manches gebrochene Herz, und der stille Wald entweder, aus dem sie der Verführer gezogen und in den sie zurückfliehen, oder das offene Laster sind die gewöhnlichen natürlichen und unnatürlichen Heilmittel, die das arme Mädchenherz sucht, um seinen Schmerz zu verträumen - oder zu betäuben.

      Bei ehelicher Liebe fällt mir übrigens eine Frau ein, die in Papetee gewöhnlich mit einem weißen allerliebsten kleinen Kind auf dem Arm herumging, und deren Anblick stets einen entsetzlichen Eindruck auf mich machte. Sie soll in früherer Zeit ihren Mann umgebracht haben, und zur Strafe ist ihr jetzt das englische Wort „Mord“ mit großen Buchstaben (die Buchstaben auf dem Kopf stehend und mit schätzenswerter Beachtung der richtigen Abtheilung des Wortes, aber gänzlicher Mißachtung jeder

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