Wilde Welt. Gerstäcker Friedrich

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Wilde Welt - Gerstäcker Friedrich

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lebendigeres Bild wäre kaum zu denken gewesen, als das dieser wilden Jäger hinter dem flüchtigen Strauß.

      Nur drei Pferde behaupteten, wenn auch nicht aus eigenem Antrieb, ihre Stelle: das Don Pasquale's, Josefens und Don Diego's, und alle drei aus ganz verschiedenen Gründen. /56/

      Josefa griff ihrem Thier erschreckt in die Zügel, als diese wilden Gaucho-Soldaten, einer Heerde von Teufeln ähnlicher wie Menschen, mit kreischendem Aufschrei hinter dem Wilde herbrachen. Don Pasquale dagegen, der seinem Gefangenen nicht traute und nicht sicher war, ob Don Diego nicht einen Versuch machen könnte, solch' einen günstigen Moment zur Flucht zu benutzen, kümmerte sich nicht um den Strauß, sondern griff unwillkürlich nach seinem eigenen Lasso, jedes derartige Beginnen im Voraus zu vereiteln.

      Don Diego dachte aber nicht an dergleichen; den ganzen Weg war er düster und in sich brütend an seines Hüters Seite hingesprengt, dabei nur mit ängstlich forschendem Blick die Steppe musternd. Kaum brachte ihm aber vorhin eine leichte Schwellung des Bodens den Trupp weidender Pferde in Sicht, als sein Auge in peinlichster Spannung auf diesen haftete. Er sah den aufspringenden Strauß gar nicht, hörte den gellenden Schrei kaum, den die Verfolger ausstießen, denn dort, aus dem hohen Grase heraus, mitten zwischen den Pferden, hoben sich still und plötzlich zwei oder drei dunkle Köpfe und verschwanden eben so schnell wieder, wie sie aufgetaucht waren.

      Wäre die Aufmerksamkeit des gesammten Reitertrupps, selbst des Corres und seines Postillons, nicht so völlig auf den gejagten Strauß gerichtet gewesen, so hätte Einer oder der Andere das Versteck des lauernden Feindes erkennen müssen. Die Indianer fürchteten nämlich, der Jubelschrei der Reiter sei auf ihren Hinterhalt gemünzt. Sie seien entdeckt und angegriffen. Darum hatte einige von den Voreiligsten die bestürzten Köpfe erhoben, aber eben so schnell sie auch wieder in das Gras geduckt, als sie mit einem Blick die Ursache des Lärmens erkannten. Mitten zwischen den am Boden lauernden Indianern hindurch sprengte in diesem Moment der Correo mit dem alten Gaucho und den Packthicren.

      „Caracho," murmelte jedoch der Alte zwischen den zusammengebissenen Zähnen durch, als er auf einmal die fest in das Gras hineingeschmiegte dunkle Gestalt eines Indianers wahrnahm, - aber jetzt war es zu spät. Nur flüchtig schielte er über die Schulter nach dem Militär hinüber. /57/ Mit einem lästerlichen Fluch überzeugte er sich, daß alle ohne Ausnahme dicht hinter dem Kasuar drein stürmten. Den mußten sie allerdings in den nächsten Secunden einholen. Indessen hatte er sie aber auch schon auf wenigstens zweitausend Schritt in die Steppe hinausgelockt, und bis die Reiter zurück und hier zu Hülfe kamen, konnte dem Correo und dessen Begleitern zehnmal der Hals abgeschnitten sein. Ohne sich deshalb weder um den Postillon noch die Packthiere weiter zu kümmern, riß Felipe sein Pferd rechts herum, den einzigen Weg zur Rettung in der Richtung gegen die Soldaten hin suchend - aber auch das war zu spät.

      Die Indianer sahen sich nicht allein entdeckt, sondern auch den richtigen Zeitpunkt für ihren Angriff gekommen. Während drei oder vier braune Gestalten aus dem hohen Gras emporsprangen, flogen eben so viele Bolas nach den beiden Packpferden, nach dem alten Gaucho und dem Correo hinüber.

      Der Correo allein entging dem ihm zugedachten Wurf dadurch, daß sich eine der Kugeln, ehe sie ausflogen, an einem schwanken Weidenzweige fing und dadurch eine verkehrte Richtung bekam. Die beiden Packpferde dagegen brachen wie von einer Büchsenkugel getroffen zusammen, das eine mit gebrochenem Bein, das andere mit so verwickelten Vorderfüßen, daß es sich überschlug und mit der schweren Last nicht wieder empor konnte. Auch Felipe's Pferd war getroffen, aber nur verwickelt und konnte noch mit kurzen Sätzen springen, kam aber dadurch nicht rasch genug von der Stelle, und der Alte wußte, daß er solcher Art ein treffliches Ziel für einen zweiten Wurf abgeben würde. Ohne den deshalb abzuwarten, ließ er sich an der Seite seines Pferdes in's Gras fallen, um hier die Rückkehr der Soldaten oder sonst abzuwarten, wie sich das Ende gestalte. Konnte er so doch nur sein eigenes Leben in Sicherheit bringen.

      Das Alles aber waren die Ereignisse weniger Secunden gewesen, und Don Pasquale war mit getheilter Aufmerksamkeit, halb dem Wild, halb seinem Gefangenen zugewandt, das eigene Pferd dabei nur locker im Zügel, bis dicht an die Indianer hinangesprengt. An den Krieg in den Pampas aber gewöhnt, übersah er im Nu die Gefahr, während sich sein /58/ Grimm unmittelbar gegen den Gefangenen kehrte. Die Depesche des Gouverneurs hatte ihm ja gesagt, daß der Fremde in starkem Verdacht stehe, mit den Indianern der Pampas gemeinsame Sache zu machen, um die Unitarier dadurch gegen die Förderalisten zu unterstützen. Deshalb eben sollte er Don Diego gefangen nach San Luis führen. Dieser Ueberfall war also nur sein Werk, und ihn vor Allen mußte die Rache trefren.

      „Verfluchter Unitarier!" schrie der Officier, indem er sein Pferd herum und gegen Diego anwarf. „Das ist Deine That!" und mit den Worten hatte er sein haarscharfes Messer gegen den Feind gezückt. Don Diego war jedoch von dem Augenblick an, wo man sich dem indianischen Hinterhalt näherte, auf seiner Hut gewesen, und den Arm unter seinem Poncho vorstreckend, schmetterte er den Officier mit einer Pistolenkugel vom Pferde, ehe dieser mit seiner schneidenden Waffe nach ihm stoßen konnte.

      „Heilige Jungfrau!" rief Josefa entsetzt. Don Diego selbst war erbleicht, denn die Entscheidung drängte heran. Der Schuß gab den versprengten Soldaten ein verhängnißvolles Signal. Der Knall meldete ihnen, um was es sich hier handle, und rief die Schaar mit einem Mal zurück. Gerade aber die rücksichtslose Hast, mit der sie heran zu stürmen suchten, sollte ihr Verderben werden.

      Eben hatten sie den Kasuar ereilt; der Lasso des flüchtigsten Reiters flog aus und dem gehetzten Thier um den Hals. Im nächsten Moment warf sich das Pferd herum, und den noch fortstrebenden Kasuar allein schon durch sein Gewicht zu Boden reißend, wurde dieser nach einigen machtlosen Flügelschlägen von dem davongaloppirenden Pferde hinweggeschleift. Da fiel der Schuß. Diejenigen von den Soldaten, die am weitesten zurückgeblieben, konnten jetzt, wie sie ihre Pferde im Sprung herumdrehten, auch die ersten auf dem Kampfplatz sein. Sahen sie doch überdies nur fünf oder sechs Indianer, und diese nicht einmal im Sattel, - das war keine Macht, die sie zu scheuen gehabt hätten. Keiner von den umkehrenden Reitern dachte auch nur daran, den schon bereit gehaltenen Lasso aus der Hand zu legen und den Carabiner dafür zu /59/ greifen, die Schlinge war auch jetzt noch die richtige Waffe wider diesen Feind. Schreiend und die furchtbare Wehr um den Kopf schwingend, trieben die Argentiner mit den mächtigen Sporen ihre schon müde gehetzten Thiere zu noch schärferem Laufe an.

      Rechts und links aber, vor ihnen und hinter ihnen tauchten plötzlich die Feinde empor. Bolas flogen, Lassos schwenkten aus, Lanzen wurden aus dem Gras heraufgestoßen, und acht bis neun der Argentiner lagen kampfunfähig im blutgefärbten Rasen, ehe ein einziger der Indianer getroffen war. Wie der Blitz fuhren diese jetzt nach ihren Pferden und hinauf, und wehe den überraschten, erschreckten und einzeln herbeistürmenden Weißen, die kein Commandoruf des Officiers traf, sie wieder in Reih' und Glied zu stellen! Ein paar von ihnen hatten allerdings ihre Carabiner vorgenommen, und einige zwischen die Horde gefeuerte Schüsse brachten zwei oder drei der Indianer zu Boden. Aber zum Laden blieb keine Zeit, und Todte und Verwundete zurücklassend, von den siegreichen Feinden überdies noch verfolgt, flohen Rosas' Reiter so rasch sie ihre Pferde trugen, gen Norden hinauf, den verfolgenden Indianern am sichersten zu entgehen.

      So war es etwa dreißig Wilden, fast eben so vielen Soldaten der regulären Cavallerie entgegentretend, durch Ueberraschung und Zufall begünstigt gelungen, einen vollständigen Sieg zu erkämpfen und nicht allein dreizehn von den argentinischen Pferden zu erbeuten, sondern auch eben so viele Reiter theils zu tödten, theils kampfunfähig zu machen. Außerdem war das sämmtliche Gepäck des Correo in die Hände der Indianer gefallen, und übertraf, als sie den Mantelsack öffneten, an Reichthum selbst ihre kühnsten Erwartungen.

      VIII.

      Osantos, als Diego abgesprungen war, die, Beute zu untersuchen, hielt neben ihm auf seinem schnaubenden Pferde, sich mit der rechten Hand auf die gegen den Boden gestemmte /60/ lange Lanze stützend. Es war ein Bambusrohr, etwa zehn Fuß lang und oben mit einem zweischneidigen

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