Zum Teufel mit Barbie!. Sylvia M. Dölger
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Читать онлайн книгу Zum Teufel mit Barbie! - Sylvia M. Dölger страница 4
Weil Sue spät eingeschult worden war und eine dämliche Ehrenrunde in der Siebten hatte drehen müssen, waren ihre Mitschüler jünger als sie. Noch hatte sie keine neuen Freunde gefunden. Aber das ging die anderen nichts an.
»Wie fandet ihr eigentlich den Film?« Ein anderes Thema konnte nicht schaden. Begeistert tauschten sie sich über Avatar aus.
»Hoffentlich gibt es bald eine Fortsetzung. Ich mag Filme ohne Happy End«, sagte Pat.
»Ich auch«, erwiderte Sue. »Eine Fortsetzung wäre klasse. Und dann noch düsterer.«
Sie sprachen weiter über verschiedene Texte, die sie gelesen hatten. Es wurde immer enger an der Theke und stickiger. Zeit für einen Tisch. Da! Endlich stand eine Gruppe auf. Sue und die anderen gingen hinüber in den hinteren Teil der Kneipe. Hier war es so düster, dass die grellen Bilder an den Wänden weniger auffielen. Unauffällig beobachtete Sue Vanessa, die immer noch strahlte. Sie sehnte sich nach einer Zigarette und sie wollte mit Vanis allein sein. So wie früher. Mit einem großen Schluck trank Sue ihr drittes Bier leer. Ein angenehmes Taubheitsgefühl breitete sich in ihrem Körper aus. Sie fühlte sich leicht schwindelig. Die Jungs standen auf und belagerten den Kicker, der doch noch mal frei geworden war.
Sofort bestürmten die Mädchen Vanessa mit Fragen. Auch Julia wurde gesprächig.
»Hey, seit wann seid ihr denn zusammen?«
»Und wie ist er denn so?«
»Kann er gut küssen?«
»Wie hast du den überhaupt rumgekriegt?«
Und Vanessa erzählte. Die übliche schnulzige Story. Sie mochte ihn, er mochte sie. Das war alles. Sue gähnte. Nichts Besonderes. Wussten die neuen Freundinnen das nicht längst? Sie gingen doch jetzt mit Vanis in eine Klasse.
»Kommst du mit raus, eine rauchen?«, fragte Sue, als Vanessa eine kurze Redepause machte.
»Klar.«
Draußen sog Sue die kühle Luft ein, holte eine Schachtel aus ihrer Jackentasche und bot Vanessa eine Kippe an.
»Lass mal stecken. Ich rauche jetzt andere.« Sie kramte eine Packung aus der Handtasche und zündete sich eine Zigarette an. Richtig vornehm sah das aus, mit Handtäschchen. »Schön dich zu sehen, Süße.« Vanessa wollte sie umarmen, aber Sue wich einen Schritt zurück.
»Hat ja länger nicht geklappt.«
»Toller Rock. Gefällt mir.« Vanessa strahlte.
»Toller Freund. Gefällt mir.«
»Ich habe mir den hübschesten Kerl der Schule geschnappt. Geil, oder? Auf den stehen nämlich so einige, aber er will nur mich.« Sie spielte mit ihrem langen Zopf, wickelte ihn um den Finger. Wieder und wieder. Das Blond leuchtete auch im Dunkeln.
»Toll. Glückwunsch.« Sue zog tief an ihrer Kippe.
»Und, wie läuft es bei dir, Sue?«
»Gut.« Sie wich Vanessas Blick aus.
»Wie ist die neue Schule?«
»Nett.«
»Na, das freut mich. Tolle Typen?« Sollte sie von Jimmy erzählen? Seit der Junge sie angeschrieben hatte, simsten sie regelmäßig. Er schien ein cooler Typ zu sein. Sie entschied sich dagegen. Vanessa würde sich eh bloß aufregen, dass sie mehr im Real Life leben sollte. Ihre Freundin hielt nicht viel vom Internet.
»Bisher nicht.« Trotzig reckte Sue ihr Kinn ein wenig. Nur nicht anmerken lassen, welches Loch dieser Small Talk in sie fraß. Was sollte sie die Freundin noch fragen? Ihr fiel nichts mehr ein. Sie drückte ihre Zigarette auf der Fensterbank aus und schnippte sie weg. Von drinnen drangen gedämpfte Stimmen nach außen.
»Na ja, die Schule hat auch gerade erst angefangen, gell?« Vanessa beobachtete den Zigarettenrauch, der sich im Nachthimmel verlor. Hastig zündete Sue sich eine neue Kippe an. Sie standen immer noch vor der Tür. Das Schweigen war dicker als der Rauch, den sie in die Luft pusteten. Sue formte Kringel aus dem Qualm, ließ sie in die Luft steigen, trat von einem Bein aufs andere.
»Ich gehe wieder rein. Benni wartet sicher schon auf mich.«
»Mach das. Ich rauche noch zu Ende.«
Sue zog ein letztes Mal an der Kippe, drückte sie an der Wand aus, ließ sie auf den Boden fallen und betrat das Chelsea, ohne sich noch mal umzudrehen.
Die Musik kam ihr nun lauter vor. Sie stellte sich an den Kicker und schaute den Jungs zu. Wenig später gesellte sich Vanessa wieder zu ihren Klassenkameradinnen. Ob es ihnen überhaupt auffiel, dass sie fehlte? Auch egal. Ab und zu verdrückte sich ein Pärchen nach draußen zum Rauchen oder Knutschen. Sie trank weiter Bier, bis sie es nicht mehr aushielt.
»Ich muss los. Ciao«, rief sie in die Runde.
»Tschüss, Sue, war nett dich kennenzulernen«, sagte Benni mit undeutlicher Stimme. Die anderen nickten. Sie wirkten ziemlich dicht, konnten kaum noch gerade stehen. Auch Sue schwankte leicht, sie brauchte dringend frische Luft.
»Wir simsen«, rief Vanessa ihr hinterher.
Ja, klar! Sims mir doch, wie süß Benni ist.
»Wen interessiert das denn?«, schrie sie in die Nachtluft, als würde jemand zuhören, reagieren, antworten. Sie torkelte durch die vertrauten Straßen, die plötzlich fremd wirkten. Vanessa und sie hatten gezittert, wenn es Noten gab, gelacht, wenn sie die Jungs ärgern konnten und geweint, wenn sie Liebeskummer hatten. Und jetzt trug Vanessa ein Lippenpiercing, von dem Sue nichts gewusst hatte. Sie konnte sich nicht mehr länger gegen ihre Tränen wehren.
3 »Thaischlampe!«
Sue blinzelte. Helles Morgenlicht blendete sie. Pa klopfte schon wieder an die Tür. Sie tastete nach Schachtel und Feuerzeug und zündete sich eine Kippe an. Sie zog daran, hustete. Nur noch nicht aufstehen. Ihr Vater klopfte stärker.
»Sue, aufstehen. Sag mal, ist das Rauch, der da unter der Tür durchkommt? Musst du denn schon am frühen Morgen rauchen? Sue?«
»Ich komme gleich.« Eigentlich konnte sie sich nicht beschweren. Sie hatte keine nervigen Eltern, die jeden Spaß verbieten. Ihr Pa war in Ordnung, und ihre Mom fast so etwas wie eine Freundin. Einige Geheimnisse teilte sie mit ihr, aber was wirklich in ihr vorging, wussten sie beide nicht. Manchmal wusste sie es ja selbst nicht.
Ihr Kopf dröhnte vom Bier. Sie sehnte sich nach frischer Luft, stolperte aus dem Bett und stieß das Fenster auf. Die kühle Herbstluft tat gut.
Der Main glänzte dunkel. Weiße Schaumkronen tanzten auf den Wellen. Ohne die Herbstsonne war es novemberkalt. Sie zitterte.
Nach der Dusche zog sie Rock und Leggins an, dazu einen warmen Pullover. Ihr Blick fiel auf das Handy-Display. So spät schon? Die Englisch-Hausaufgaben! Sie hetzte durchs Zimmer, raffte ihre Unterlagen für die Schule zusammen, lief die Treppe hinunter, schnappte ihr Pausenbrot, drückte ihrer Mutter einen Kuss auf die Wange und verließ die Wohnung. Mit ihrer Vespa, die sie in grellem Hellgrün lackiert hatte,