Zum Teufel mit Barbie!. Sylvia M. Dölger
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Читать онлайн книгу Zum Teufel mit Barbie! - Sylvia M. Dölger страница 7
»Na, dir kann es schnuppe sein, wenn sie dich abstempeln. Du brauchst ja keinen Schulabschluss!«
Dunkle Wolken fingen die Sonne ein und hielten sie fest.
»Wieso, wer stempelt dich denn ab?«
»Heute hat mich einer ›Thaischlampe‹ genannt«, antwortete Sue mit bebender Stimme. »Hier in Würzburg sind Ausländer nicht sehr beliebt.«
»Wer sagt denn so was? Na, du weißt dich schon zu wehren. Du zweifelst doch nicht an dir, Mädel! Willst noch ‘nen Schluck?« Er reichte ihr die Flasche. »Der vertreibt nicht nur Kummer.«
»Danke. Nö, ich zweifle nicht an mir. Tut aber trotzdem weh. Ich kann ja nichts dafür, dass ich eine halbe Thai bin.«
»Ich find das ganz gut so, sonst hättest nich so schöne schwarze Augen. Wie Oliven. Sie sind größer als die der Thailänder, die ich kenne«, sagte Fritz und blickte mit glasigen Augen in ihre. »Die erinnern mich immer an meine Zeit in Asien.« Sues Kopf schnellte in die Höhe, Goethe schreckte auf und wedelte mit dem Schwanz. Ein dünner Sonnenstrahl kam hinter den Wolken hervor.
»Du warst dort? Wo denn?«
»Na, auch in Thailand. Früher als ich noch Autor war, bin ich immer in die Länder gereist, über die ich geschrieben habe. Aber det weißt du doch.«
»Ich wusste nur von den Reiseführern. Nicht, wo du überall warst, Fritz.« Sie schluckte. »Wie ist Thailand denn so?«
»Oh, wunderschön. Und die Frauen. Alle haben dunkle lange Haare und schmale Mandelaugen. Nicht so Oliven wie du.«
»Die Form hab ich wohl von meinem deutschen Vater. Nur die Farbe ist von meiner Mutter, von meiner richtigen, meine ich. Erzählst du mir mehr?«
»Ein anderes Mal. Ich bin müde. Jetzt mach ich ein Nickerchen und du musst dich mal wieder zu Hause blicken lassen.«
»Wann erzählst du mir, warum du auf der Straße lebst, Fritz?« Forsch sah sie ihn an. »Freunde erzählen sich doch alles!«
»Vielleicht … irgendwann.«
In dem Moment vibrierte Sues Handy in der Tasche. Sie las die eingegangene SMS und seufzte.
»Da hast du wohl Recht.« Sie verdrehte die Augen. »Ich werde schon vermisst.«
»Hier nimm noch ‘nen Schluck für den Weg.« Er hielt ihr den letzten Schluck Bier hin.
»Nö, lass mal. Meine Mom muss das nicht unbedingt mitkriegen.« Sie schob sich ein Pfefferminzbonbon in den Mund.
»Is vielleicht auch besser so. Dann bleibt mir mehr. Übrigens habe ich jetzt so was wie eine Adresse.« Fritz grinste schief, als er ihr ein Zettelchen zusteckte. Er nahm Goethes Leine und humpelte mit ihm in die andere Richtung davon.
5 »Fünf Euro die Stunde«
Als Sue am nächsten Tag die Klasse betrat, verstummten die anderen. Christina und Rick hörten auf zu knutschen. Irgendetwas stimmte nicht. Je schneller sie herausfand, was es war, desto besser. Neugierig sah sie sich um. Einige der Klassenkameraden sahen weg, andere grinsten. Was war los? Sie ging aufs Fenster zu, drehte sich langsam um.
Da! Die Tafel! Ein kleiner Kopf mit Schlitzaugen – und direkt darunter zwei riesige Brüste. Darunter stand: ›Thai-Schlampe – nur 5 Euro die Stunde‹. Sue spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss. So schnell sie konnte, griff sie nach einem Schwamm und vernichtete das Bild – gerade noch rechtzeitig. Herr Mertens betrat den Raum.
»Hat nicht Rick heute Tafeldienst? Das ist aber nett von dir, dass du ihm hilfst.«
Sue warf Rick einen vernichtenden Blick zu und setzte sich auf ihren Platz. Der Unterricht begann. Mit den dunklen, etwas längeren Haaren und den Bartstoppeln wirkte ihr Klassenlehrer gar nicht so alt. Gerade teilte er die Schüler in Gruppen ein. Ausgerechnet mit Christina und Rick sollte sie zusammen arbeiten! Eine Person aus einer Kurzgeschichte charakterisieren. So ein Quatsch! Das sah doch jeder, dass dieses Mädchen total unecht war. So eine Jugendliche, die ein Erwachsener erfunden hatte. Und sie hieß auch noch Pizza und lebte auf der Straße – vom Schnorren. Wer hatte sich denn das ausgedacht?
»Na, dann mach mal, kleine Schlampe«, forderte Rick sie auf. Sein Blick war stechend.
»Moment mal, Wichser. Das hier nennt sich Gruppenarbeit!«
»Genau. Du schreibst und wir schauen zu. Oder willst du dich bei Herrn Mertens beschweren?«
»Kleine Petze!« Christinas Augen funkelten.
»Ihr habt sie doch nicht mehr alle. Habt ihr keine anderen Probleme?«
Lustlos begann Sue mit der Aufgabe. Idioten! Sollten die doch denken, was sie wollten. Für eine Petze wollte sie nicht gehalten werden. In Gedanken schmiedete sie Rachepläne, während Rick Christina angrinste.
Der Tag ging genauso beschissen weiter, wie er angefangen hatte. Sie schleppte sich von einer Stunde zur nächsten. Die Klassenkameraden sprachen nicht mit ihr. Sie tuschelten aber, wenn sie an ihnen vorbeiging. Sie rauchte mehr als sonst.
In der Pause saß Sue alleine auf dem Schulhof und las das Buch ›Die Verwandlung‹ von Kafka, das sie tatsächlich in der Schülerbücherei entdeckt hatte. Tief in die Geschichte versunken, sah sie ihn nicht.
»Darf ich?«
Sie blickte auf. Kilian! Ausgerechnet.
»Das war nicht nett von den anderen. Tut mir leid«, sagte er. »Übrigens verstehe ich dich. Ich kenne meinen Vater auch nicht.« Er setzte sich. Sue ließ ihn, las aber weiter. Das Buch war wirklich abgefahren. Jimmy hatte einen tollen Geschmack. »Was liest du denn da?«
»Die Verwandlung.«
»Und gut?«
»Mhm.«
»Bist du immer so gesprächig?« Kilian strich sich die rotblonden Haare aus dem Gesicht. Er sprach gequält, wirkte müde. »Die anderen sind doch total krank.« Seine Stimme klang rau. Hatte er eine aufgeplatzte Lippe?
»Ja.« Sue legte ihr Buch beiseite. Sie schaute ihn an. »Weißt du, was die gegen dich haben?«
»Nee, keine Ahnung.«
Er zuckte mit den Schultern. Richtig fertig sah der aus. Die Schatten unter seinen Augen ließen ihn älter wirken als er war. Hoffentlich wurden sie nicht zusammen gesehen. Das würde die Situation nicht gerade verbessern.
Andererseits, was sollte noch Schlimmeres passieren?
Eigentlich tat es ihr gut, mal mit jemandem zu reden.
»Was hörst du?«, fragte sie ihn und zeigte auf die Kopfhörer, die um seinen Hals hingen.
»Rihanna und ... so.«
»Ach ja?«
»Klar. Willst du mal reinhören? Das ist die neueste CD von ihr« Er bot ihr einen