Bloody Julie 2.0. Susanne Sievert

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Bloody Julie 2.0 - Susanne Sievert

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lässt er die Bombe doch platzen! Da sind sie endlich, die Fanfarenklänge und Engelsgesänge, die ich mir erhofft habe.

      Mein Kopf ruckt hoch, ich will sofort aufstehen und losrennen und vergesse dabei, dass ich mit einem Einschussloch ans Bett gefesselt bin. Ich wurde erschossen, das steckt man nicht so leicht weg. Mir wird schwindelig und übel, Sterne tanzen vor meinen Augen und es wird für ein paar Sekunden dunkel.

       Jules, Jules, Jules. Mein Bruder. Ich bin auf dem Weg. Schon fast da. Warte kurz … Egal, wo du bist, warte auf mich.

      Durch die Dunkelheit sickert Bobbys Stimme zu mir. Tief, beruhigend, allumfassend. Er singt. Halt, Augenblick, er singt? Das hätte er zu Lebzeiten nie getan. „Weiberkram“, schimpfte er immer. Kein Trällern, Summen oder Pfeifen, niemals.

      Es gab einen Abend in der Bar und Bobby war so beschwingt, dass er sogar ein paar Cent in die Jukebox warf. Für ihn war es eine Verschwendung, was natürlich nicht für seine Gäste galt. An die Box gelehnt sagte er damals: „Männer, die singen, pah! Es gibt nur einen einzigen Mann, der es voll draufhat. Es gibt niemanden, der dem King das Wasser reichen kann.“

      Er singt, mein Gott, und nicht irgendeinen Song. Als die ersten Töne erklingen, kann ich mich nicht dagegen wehren. Ich bekomme eine Gänsehaut.

       „Wise men say, only fools rush in. But I can’t help, falling in love with you.“

      Herrlich, so fesselnd und wahrlich nicht von dieser Welt.

      Ich höre ihm zu, seiner Stimme aus Gold, und verliere mich in Tränen und Wehmut.

       „Take my hand, take my whole life, too.“

      Warum, Bobby? Warum dieses Lied? Hat es eine Bedeutung?

      Ach, was mache ich mir vor? Alles hat einen tieferen Sinn. Ich bin mal wieder nur zu selbstgerecht, zu engstirnig, um es an mich heranzulassen.

      Das letzte „Falling in love“ höre ich nicht mehr, schade. Was für eine Show, mein Freund. Was für eine Show! In Gedanken applaudiere ich und wünsche mir, dass Bob meine unausgesprochenen Worte hört.

      Der letzte Vorhang fällt und mit ihm wird es dunkel.

      Die alte Dame

      Als ich diesmal aufwache, erkenne ich, wo ich bin – keine Verwirrung, nur ein leichtes Unbehagen.

      Mein Gesicht ist zum geöffneten Fenster gewandt. Es wird langsam dunkel. Zwielicht nennt man das, der Übergang zwischen Tag und Nacht. Die kühle Luft erfrischt und ich fühle mich seltsam entspannt. Schmerzen habe ich immer noch, aber ich kann trotzdem eine gewisse Gelassenheit nicht leugnen. Es ist, als hätte Bobby etwas zurückgelassen. Ein letztes Geschenk an mich.

      Ich drehe den Kopf zur Wasserflasche und entdecke einen Blumenstrauß. Wildblumen. Jemand muss in meinem Zimmer gewesen sein, während ich schlief. Die Blütenblätter haben verschiedene Farben: Blau, Lila, Gelb und Rot.

      Wie hübsch. Ich mag Rot, denke ich.

      „Na, Liebchen, gefallen dir die Blumen?“

      Mein Kopf ruckt zur anderen Seite - Schmerz und Schreck zucken gleichzeitig durch meinen Körper.

      „Vorsicht“, mahnt die Stimme, vertraut und doch nicht greifbar. „Du musst dich schonen, bis du soweit bist.“

      Ich reibe über mein Auge, blinzle die Sterne weg und hoffe, dass auch dieser Besucher mir wohlgesonnen ist. Ach, warum gibt es bloß so viele Menschen, von denen ich nur das Schlimmste erwarte?

      Auf einem Stuhl zu meiner Linken, auf Höhe meines Bauches, sitzt eine alte Frau. Eine Dame, um genau zu sein. Sie trägt ein weißes Baumwollkleid und um den Hals eine Kette aus Bernstein. Ihr modisch kurz geschnittenes Haar glänzt silbrig und ihre klaren blauen Augen schauen freundlich zu mir herab. Diese Frau strahlt Würde aus. Plötzlich fällt mir ein, warum sie mir so vertraut erscheint.

      Bei unserem letzten Treffen saß sie an einen Baum gelehnt. Vor dem Haus meiner Eltern, kurz bevor sie versuchte, meinen Kopf platt zu treten. Die Erinnerungen ploppen wieder auf. Mein schönes Paillettenkleid, die Vorfreude auf Bobs Bar und einen erfrischenden Drink, ihre orthopädischen Schuhe auf meinen Schädel gepresst.

      „Hi, Doris“, flüstere ich.

      Ich kann nicht anders und schaue zu Boden und da, tatsächlich! Die orthopädischen Todestreter! Vor mir sitzt die alte Dame, die immer die scheußlichen Bilder meiner Mutter gekauft hat. Ihre einzige Kundin, wohlgemerkt.

      „Oh, du erinnerst dich.“ Freudig ergreift Doris meine Hände und drückt sie einen Moment zu fest. Sie sieht mein angespanntes Gesicht und lässt mich mit einem entschuldigenden Lächeln los. „Schön, dass du wach bist. Du bist so groß geworden. Und sieh dich an. Eine Schönheit bist du auch.“

      O Mann, das sagen bestimmt viele Großeltern zu ihren Enkeln.

      „Tja … Na ja … Danke? Schön, dich zu sehen“, antworte ich.

      Wenn ich Jules das erzähle, wird er mächtig neidisch sein. Als Zombie zu enden wäre cool? Mit Toten zu sprechen ist das nächste Level. Aber nur, wenn man weiß, dass man selber nicht dazu gehört.

      „Ich vergesse niemanden, der Kuchen mitbringt“, antworte ich. „Das waren immer ganz besondere Tage für Jules und mich.“

      Doris lacht.

      „Jetzt wo du das sagst … Das ist mir aber unangenehm. Ich habe gar keinen Kuchen dabei. Sonntag ist immer Backtag, musst du wissen.“

      „Mach dir keine Umstände, Doris.“ Ich bin ein bisschen enttäuscht. Geisterkuchen hatte ich noch nie. Das wäre mal eine Erfahrung. „Du bist hier und ich weniger allein. Wenn ich an unser letztes Treffen denke, ist dieses hier deutlich unterhaltsamer. Du warst damals ein wenig neben der Spur.“

       Und stumm. Und wild entschlossen, mich zu zerstückeln.

      Ich bin gespannt, ob ihr meine Andeutung etwas sagt. Soweit ich mich erinnere, war Doris der erste Mensch mit den Anzeichen der Verwandlung. Sie knurrte, grunzte und schnappte nach den Sanitätern, die ich angerufen hatte. Damals sah sie ganz anders aus. Wild und hungrig. Und jetzt? So gesittet und … normal?

      „Was meinst du, Liebchen?“ Ihr Blick wandert zur Decke. Sie überlegt angestrengt und tippt sich leicht mit dem Finger ans Kinn. Nach einer Weile schüttelt sie den Kopf.

      „Julie, Kindchen, unser letztes Treffen ist so lange her, da warst du noch ein Kind. Beim besten Willen, ich weiß nicht, was du meinst.“

      Ein schwarzer Schatten huscht über mein Bett. Ich schreie auf, als etwas meine Decke berührt, und sehe dabei Doris’ freudig aufleuchtendes Gesicht.

      „Oh, wie entzückend!“

      Dieser Moment kommt mir seltsam bekannt vor. Wie ein Déjà-vu. Ich krame in meinem Gedächtnis und zaubere das Bild von Rosalie hervor – damals im Motel, als wir es uns gerade erkämpft hatten. Schwingendes blondes Haar, blaue Augen, Kaugummi kauend und auf dem Arm hält sie ein Fellknäuel. Ein kleines Kätzchen mit einem schwarz-weißen Kopf und gelben Augen. So wie dieses auf dem Schoß von

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