Goethestraße 8b. Andreas Eichenseher
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„Ach, nichts. Passt schon. Und... Guten Appetit.“
„Ja? OK. Danke, den hab ich sicher.“ Er hebt die Hand mit der Gurke nach oben und Ulrich verschwindet wieder auf den hohen Stufen des Treppenhauses, um sich in seiner Wohnung mit den wenigen Optionen zu malträtieren.
„Ich mach´s. Nein, nein. Doch. Ich mach´s auf keinen Fall!“ Er geht auf und ab, fasst sich an die Gesäßtasche und in die Haare.
„Doch! Nein... Scheiß drauf!“
Ulrich rennt zum Kleiderschrank. Er sucht saloppe, schicke Klamotten, die aber nicht zu hochgestochen wirken.
Graues Sakko, blaue Jeans und gründlich gekämmte Frisur. Er steht vor Marias Tür.
„Nein.“ Er fährt sich durch die Haare, möchte lässiger und spontaner wirken. Die Kleidung sagt trotzdem noch etwas anderes.
Ulrich drückt mit feuchten Fingern auf die Klingel, schließt kurz seine Augen.
„Oh Ja. Ich mach´s wirklich“, sagt er sich und als er seine Augen wieder öffnet steht Maria in der Tür und lächelt ihn an.
„So schick?“, meint die Halb-Brasilianerin.
„Ja. Nein. Ja, ich wollte mich nur noch einmal vorstellen. Das gestern war etwas überhastet und...“
„Gut. Und ich bedanke mich gleich nochmal fürs Kisten schleppen gestern. Das war sehr nett.“
„Kein Problem.“ Ulrich muss lächeln und als Maria ihm wieder ihre Hand entgegenstreckt wischt er sich Seine noch schnell an den Hosenbeinen ab.
„Ich bin Maria.“
„Genau. Ich Ulrich.“
„Ich weiß.“
„Stimmt.“ So weit man es erkennen konnte war ihre Wohnung noch nicht eingeräumt, aber es hing schon ein demütiges Jesus-Portrait an der Wand. Ulrich starrt es an, dann weicht sein Blick aus, wendet sich auf sein Paar Schuhe. Er trägt noch die Sandalen, wie peinlich.
„Gut. Also Maria, ich werde Sie dann nicht weiter stören beim... Beim Einräumen der Wohnung.“
Man kann hören wie ganz unten jemand die Haustüre schließt.
„Warten Sie.“
Ulrich schielt ungläubig in Marias funkelnde braune Augen. So bezaubernd, doch auch so traurig. Und da! An ihrem Halse langsam baumelnd eine Kette mit Cruzifix und Jesus Christus. Erneut.
„Ich wollte gerade einkaufen gehen, aber ich kenne mich in der Stadt hier noch nicht aus. Würden Sie mich begleiten?“
„Ich weiß nicht.“
Maria legt ihren Kopf leicht zur Seite und überredet Ulrich mit einem minimalen Öffnen ihrer Lippen.
„In Ordnung.“ Er versucht seine Atmung zu beruhigen. „Gerne“, fügt er an. Scheinbar verlieh er seinem nervösen Auftritt doch noch eine gewisse sympathische Note. Was immer es auch gewesen sein mag, es wirkte.
„Ich hole nur noch schnell mein Portemonnaie aus meiner Wohnung“, sagt er.
„Ja natürlich.“
Während Ulrich verschwindet biegt Hieronymus auf das Plateau zu den letzten sieben Stufen, die ihn von Maria trennen.
„Ah“, meint Hieronymus, in seinem Gesicht der neurotische Ausdruck einen Sieg erzwingen zu müssen.
„Hieronymus. Guten Tag“, sagt Maria schnell.
„Sie haben sich meinen Namen gemerkt. Chapeau.“
„Natürlich habe ich das. Hieronymus, der Starke, Mutige, den Göttern geweihte.“
„Ja, das ist auffällig, finden Sie auch?“ Er wirkt tatsächlich noch kräftiger als zuletzt, trägt er doch ein graues Muscle-Shirt. Wahrscheinlich kommt er gerade vom Fitness-Studio.
„Das ist lediglich ihre Namensbedeutung.“
„Ja, ja sicherlich. Als ob ich das nicht wüsste“, sagt er grinsend und versucht Maria zur selben Emotion zu geleiten. Erfolglos.
„Also ich meine...“
„OK. Ich bin so weit!“ Ulrich trabt aus seiner Wohnung, ein jeder Schritt so leicht wie Federn, da sieht er Maria mit Hieronymus, spürt kalten Wind, Gegenwind.
„Was meinten Sie?“, fragt Maria ihr muskulöses Gegenüber und der Wind wird warm, wird sanft.
„Ach egal“, wirft der selbsternannte Hero in den Raum und hebt die Hand, ohne einen deutlich erkennbaren Abnehmer für seine Verabschiedung zu haben.
„Auf Wiedersehen.“
„Das war... Seltsam“, meint Ulrich leise zu Maria, als Hieronymus gegangen war.
„Ja“, antwortet sie lakonisch und greift nach dem geflochtenen Korb, der in ihrem Flur wartet. „Dieser Hero, wie er sich nennt, ist irgendwie ein Unsympath.“
Endlich, endlich. Mehr möchte Ulrich gar nicht hören.
„Sehr richtig, also auf geht’s“, prescht er voran, geht langsam los, führt Maria glücklich an.
„Danke vielmals, dass du mich begleitest. Oh entschuldige. Darf ich überhaupt `Du` sagen?“, fragt Maria.
„Selbstverständlich. Ach, nichts zu danken, ich kauf ja auch gleich ein. Und... Und ich begleite dich natürlich gern, also nicht nur weil ich auch selbst einkaufen möchte.“
„Schön.“
Schritt für Schritt. Beide schreiten nebeneinander nach unten. Ulrich hat die Hände in den Taschen seiner dunklen Hose, denkt nach worüber er mit Maria sprechen könnte, da taucht Bernd vor ihnen auf. Lang, etwa einen Meter Neunzig groß, steht er auf einmal vor ihnen und wackelt mit dem Unterkiefer. Bernd lächelt Maria ganz kurz, aber gespielt an und versucht sich daraufhin an ihr vorbei zu schieben. Er möchte nichts sagen, doch das muss er in diesem Fall auch nicht. Ulrich ergreift die Initiative, versucht sich in Szene zu setzen.
„Maria. Das ist Bernd. Er wohnt über dir.“
Bernd dreht sich erschrocken um. Speichel glitzert auf seiner Unterlippe und der starre, beinahe leblose Blick wandert von Ulrich über sein Sakko bis zu Maria und deren freundliches, warmherziges Lächeln.
„Hallo. Ich bin Maria.“ Sie streckt Bernd ihre Hand entgegen und er schüttelt zögerlich, schüttelt sanft.
Ganz im Gegensatz zu Hieronymus. Als er eben hörte, wie Ulrich laut Bernds Namen betonte schleuderte er sich von seiner eben aufgesperrten Wohnungstüre ans Treppengeländer und spähte wie ein hungriger Kauz nach unten.
„Tatsächlich. Da steht er“, presst er leise aus seiner Kehle hervor und rennt in seine Wohnung. Auf dem Küchentisch liegt noch der aufgerissene Karton des Pakets, das er gestern erhielt.