Goethestraße 8b. Andreas Eichenseher

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Goethestraße 8b - Andreas Eichenseher

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verstehst nicht. Du bist jung und dumm.“

      „Und was ist mit deinem Vater?“

      „Der ist tot!“

      „Dann pass´ du dich doch an ihn an!“ Die Tochter springt vom Stuhl auf, stampft in ihr Zimmer und vollendet ihre wütende Darbietung mit dem lauten Knall der Türe, die sie fest ins Schloss zieht. Ganz gewohnt.

      „Dummes Kind. Kaum wachsen ihr Brüste hat sie eine Meinung vom Leben“, murmelt Erich argwöhnisch. Seine Augen richten sich kurz auf die Suppe vor ihm, wandern dann aber schnell weiter zu einem Bild an der Wand. Völlig vereinnahmt starrt er es an, sein Mund bleibt andächtig geschlossen und als unter den zittrigen Lidern seine Augen zu glänzen scheinen, wirft ihn ein ermutigender, doch ebenso schmerzender Gedanke aus der inszenierten Contenance.

      „Du wirst noch bereuen so vorschnell davongelaufen zu sein“, sagt er zu der Frau, die auf der Bleistiftzeichnung glücklich lacht. Promesia hatte vor zwei oder drei Jahren – so genau hat Erich sich das nie gemerkt – ihre Mutter, seine Ehefrau gezeichnet. Sie sieht so glücklich aus auf dem Portrait. Promesia hatte sie sehr realistisch zu Papier gebracht.

      Erich steht auf, lässt den halbleeren Teller halbvoll und das Geschirr auf dem Tisch stehen. Dann verlässt er die erkaltende Küche, um sich in das breite Ehebett zu legen.

      Langsam, ganz langsam schließt Erich seine Augen. Er strengt sich an, bemüht seine Phantasie und irgendwann, irgendwann ist es wieder da. Es ist kein Traum, der in seinem Kopf umher schwirrt, sondern sein Wunsch, sein angestrebtes Ziel.

      „Herr Einweg“, sagt der junge, attraktive Talkshow-Moderator mit der eingänglichen Stimme. „Sie waren Schreiner, haben bei einem Arbeitsunfall ihre rechte Hand verloren und sind nun zu 50% behindert.“ Das Scheinwerferlicht schwenkt im Einklang mit den hunderten Blicken im Studio auf ihn.

      „Das ist so nicht richtig. Der Grad der Behinderung ist keine Prozentangabe“, berichtigt ihn Erich.

      „Ach so. Nun, das ist dennoch ein stark einschneidendes Erlebnis, oder nicht?“

      „Natürlich sehr einschneidend. Im wahrsten Sinne des Wortes. Erst einmal weil mir die Hand abgeschnitten wurde. Und dann...“

      „Inwiefern hat es denn ihre Psyche beeinflusst dann so ein Buch zu schreiben“, unterbricht der Moderator Erich.

      „Das... Meine Willenskraft hat sich sehr bald gestärkt und natürlich hat mich der Unfall verändert“, antwortet Erich in gepflegtem Deutsch. „Ich habe meine Hand verloren und kurze Zeit später meine Frau.“

      „Wie haben Sie Ihre Frau verloren?“

      „Na, sie ist einfach davongelaufen. Einen Krüppel wollte sie nicht. Doch sie hat nicht nur ihren Ehemann und ihre 14-jährige Tochter verlassen. Sie hat nun im Nachhinein auch das Geld und den Ruhm verlassen, das sie beides immer so gerne gehabt hätte.“

      Der Moderator lacht und legt ein Bein auf das Andere.

      „Also wusste Ihre Frau gar nicht, dass Sie an einem Welt-Bestseller arbeiten?“

      „Man weiß vorher doch nicht, dass es ein Welt-Bestseller wird.“

      „Natürlich nicht, das ist richtig. Aber wusste Ihre Frau von ihrer Tätigkeit als Autor?“

      „Ja. Ja, sie wusste es. Ich habe ja auch schon dementsprechende Kinderbücher verfasst, die meine Doktrin, wenn ich es so nennen darf, beinhalten. Aber mein Talent war in ihren Augen nie vorhanden. Sie hatte Angst, den Rest ihres Lebens verarmt mit einem einarmigen Gulaschfresser auszutrocknen.“

      „Ja.“ Der Moderator will etwas sagen, unterbricht wieder kurz um erheitert zu lachen, setzt dann aber wieder sein Interview fort. „Doch die Anerkennung der Gesellschaft jetzt und die Aufmerksamkeit von Freunden und Bekannten während dem Arbeitsprozess wird Ihnen sicherlich sehr geholfen haben, oder?“

      „Wie meinen Sie das? Ich habe doch niemandem davon erzählt! Außer meiner Frau und meiner Tochter wusste niemand dass ich überhaupt gedachte Schriftsteller zu werden.“

      „Wirklich nicht? Sie haben das für sich behalten? Sehr beeindruckend. Wirklich sehr beeindruckend!“

      Die Gäste im Studio beginnen zu klatschen und auch die anwesende Prominenz tut es ihnen gleich.

      „Vielen Dank.“

      Der Moderator fasst sich kurz ans Kinn und legt dann wieder einen scharfen, nachdenklichen Blick auf.

      „Nun ist es ja eher ungewöhnlich, dass ein sozialkritisches Erziehungsbuch so enorm erfolgreich wird. Noch dazu von einem ehemaligen Schreiner, ohne akademischen Abschluss. Wie erklären Sie sich das?“

      „Für die Wahrheit braucht es keine Titel oder Abschlüsse. Nur Wachsamkeit und Vernunft. Ich freue mich sehr, dass die Mehrheit der Menschen die gleiche Ansicht teilt wie ich und nun wird man sehen, ob sich die Gesellschaft in Zukunft auch entsprechend meiner Marschroute fortbewegt.“

      „Und wenn nicht, haben sie mit den Einnahmen zumindest ihre Zukunft gesichert, oder?“

      Erich räuspert sich, grinst und die prominenten Studio-Gäste tun es ihm gleich.

      Dumpfe Schritte. Sie reißen Erich aus seinen Illusionen und er stiert in die Luft. Maria und Ulrich kommen vom Einkaufen nach Hause und stapfen die Treppe hoch.

      „Und was wirst du damit kochen?“ Sowohl auf Ulrichs, als auch auf Marias Lippen glitzert eine lächelnde Versuchung der nächsten Annäherung.

      „Salat“, sagt sie zwinkernd.

      „Salat! Ich wollte heute auch Salat essen.“

      „Warum hast du dann den billigen Schokoladen-Pudding gekauft?“

      „Für... Morgen.“

      Maria verharrt auf der Stelle, denn sie beide stehen vor ihrem Wohnungseingang.

      „Willst du... Also möchtest du... Ich meine: Wollen wir gemeinsam kochen? Vielleicht ist deine Küche noch nicht ganz fertig, ist sie?“ Es fällt Ulrich schwer, so direkt zu fragen und er beißt sich auf die Zunge.

      „Ja gerne! Wann soll ich zu dir kommen?“ Anscheinend ist ihre Küche wirklich noch nicht ganz fertig und Ulrich nimmt seine Zähne wieder von der Zunge.

      „Mir gleich. Also du kannst jetzt kommen oder auch später.“

      „Warte... Morgen wäre besser, ich habe noch was von heute Mittag übrig. Also morgen Abend?“

      „Ja. Das ist gut. Sehr gut.“

      „Bis dann“, verabschiedet sich Maria und dreht sich zu ihrer Türe.

      „Bis dann.“ Zarte Haut, wie Kissen, sie verschwindet, ach sie verschwindet und zieht die langen, braunen Haare hinter sich mit, weg. Was so duftet, das man hinein beißen, was so in den Augen, das man es gerne in den Händen, schon war es fort. Ulrich atmet tief ein und betritt seine Wohnung.

      „Eigentlich ganz schön spartanisch und einfältig hier“, sagt er sich. „Kahle Wände. Nicht ein buntes Element. Soll ich die Räume noch

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