Neuanfang oder so ähnlich. M. E. Wuchty

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Neuanfang oder so ähnlich - M. E. Wuchty

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von der Arbeit nach Hause gekommen war, läutete das Handy und er schnurrte mich an, ob ich ihn heute sehen wollte. Meinetwegen, seufzte die innere Stimme und tatsächlich stand er keine halbe Stunde später vor der Tür, lächelnd und gurrend, wie Valentino. Diese Masche kannte ich schon, so benahm er sich, wenn er Sex wollte. Auch recht, denn bekommen würde er ihn nicht, nicht von mir, nicht heute.

      Als D mein Tischlein im neuen Kleide erblickte, erstarben Lächeln und Gurren, er runzelte die Stirn, setzte sein „Ich bin so arm, weil keiner auf mich Rücksicht nimmt!“-Gesicht auf, verzog den Mund und maulte: „Ich wollte doch dabei sein! Immer lässt du mich außen vor, wenn du etwas mit deinen Freunden machst!“

      Im ersten Moment holte ich vor Fassungslosigkeit tief Luft, dann entschied ich mich für die ultimative Antwort, die eigentlich schon lange fällig war: „Weißt was, hupf in Gatsch und schlog a Wöll´n!“ (Für alle, denen das ostösterreichische Idiom nicht so geläufig ist, hier die Übersetzung: Rutsch mir den Buckel runter!).

      Seine Erwiderung war Sprachlosigkeit. Ich gab ihm keine Erklärung, es gab keine Entschuldigung, kein gar nichts, außer einem Rauswurf. Wozu? Sollte ich ihm aufzählen, dass er drei Termine gecancelt hatte, weil ihm „nicht danach war“, dass es egal gewesen wäre, wie oft ich ihn gefragt hätte, wie lange ich darauf gewartet hätte, ob der Gnädigste endlich Zeit und Lust hat – ziemlich egal, wenn es um etwas ging, das mir wichtig war? Oder hätte ich ihm sagen sollen, dass sich die Welt nicht um ihn drehte und alle darauf warteten, dass er endlich den Arsch in die Höhe bekam, um dann, wie in einem schlechten Werbespot, um ihn herumzuscharwenzeln, auch, wenn es ursprünglich und eigentlich nicht um ihn ging?

      Wissen Sie, D war einer von den Typen, die immer zu spät kommen und beleidigt sind, wenn man sich über ihre Unhöflichkeit beschwert. Oder wie gerade, beleidigt, weil man einfach keine Lust mehr hat, sich nach ihm zu richten. Abgesehen davon war die ganze Welt schlecht, er furchtbar arm und immer das Opfer – von Menschen oder Umständen, egal. Und überhaupt waren alle anderen nur und ausschließlich dazu da, ihn zu unterhalten, sich um ihn zu kümmern und ihn zu therapieren! Nämlich! Weil er hatte ja fast jedes verfügbare Buch zum Thema Selbstwert, Bewusstseinsbildung und persönliche Weiterentwicklung gelesen, das auf dem Markt verfügbar war und liebte es, über seine Erkenntnisse zu dozieren. Meine Erkenntnis diesbezüglich hatte sich im Laufe der letzten Monate dahingehend verdichtet, dass er vor allem eines herausgefunden hatte: Dass immer die anderen Schuld hatten und wie man diese Schuld möglichst überzeugend transportiert. Blöd nur, dass sich die Welt im Allgemeinen und manche Menschen im Besonderen irgendwann nicht mehr darum scherten.

      Ich für meinen Teil war es endgültig leid, Mutterersatz, Therapeutin und Projektionsfläche für seinen Frust und seine Respektlosigkeiten zu sein, die Verliebtheit, die mich all das hatte ertragen und rechtfertigen lassen, war einen traurigen Tod gestorben und an ihre Stelle war etwas getreten, was ich schon viel früher aus dem Koma hätte holen sollen: Das Bewusstsein für meinen Selbstwert. Also besann ich mich darauf, erkannte von einer Sekunde auf die andere, dass ich so ein Weh (ostösterreichisch für Trottel) nicht notwendig hatte und setzte ihn vor die Tür.

      „Bitte von außen schließen, danke!“ waren meine letzten Worte an ihn.

      Dass es ihn tief getroffen hatte, konnte ich deutlich sehen, dass es ihn verwirrte, auch. Seine Verwirrung rührte daher, dass ich normalerweise sehr verständnisvoll und tolerant ihm gegenüber gewesen war – kleiner Nachteil eines großen Herzens und von Verliebtheit. Wahrscheinlich erwartete er eine wortreiche Erklärung oder eine Entschuldigung, die er bis dato ja auch immer bekommen hatte, meistens inklusive einer tätigen Wiedergutmachung. Nun ja, ich hatte ein für alle Mal die Schnauze voll davon, immer den Schwarzen Peter zugeschoben zu bekommen und lang und breit erklären zu müssen, warum auch ich das Recht hatte, mit Respekt und Anstand behandelt zu werden. Die rosarote Brille war im Müll gelandet und was den Rest betraf – siehe oben.

      Ok, jetzt war ich also den Mann endgültig los, dachte ich wenigstens. Obwohl ich erleichtert war und das Gefühl hatte, dass mir eine Riesenlast abgenommen worden war, nagte da doch noch etwas an mir. Ich hatte aufgegeben, war gegangen, anstatt zu kämpfen. Normalerweise tue ich das, nicht nur, weil ich so erzogen wurde, sondern weil ich überzeugt bin, dass es eine Lösung für jedes Problem gibt. In meinem Hinterkopf erschien die Frage: Hatte ich wirklich alles getan, was notwendig gewesen wäre, um diese Beziehung zu retten, oder hatte ich einfach den bequemeren Weg gewählt? Es braucht zwei, um eine Beziehung zu führen und auch zwei, um sie zu ruinieren. Es war ja auch nicht das Gefühl gewesen, dass er nicht gewollt hatte, eher die Tatsache, dass er nicht gewusst hatte, wie! Hätte ich ihn noch mehr unterstützen müssen, mehr tun, oder hätte ich …?

      Ich konnte mir selbst die Frage nicht fertig stellen, weil sich plötzlich eine sehr laute, sehr bestimmte und eindeutig wütende Stimme meldete, die mir mitteilte, ich hätte getan, was mir möglich gewesen war und wenn er nicht erkennen konnte, was er gehabt hatte, solle er sich doch bitte einer Lobotomie unterziehen, damit wenigstens etwas Licht in dieser Gehirn gelangt! Wir sind alle für unser Glück selbst zuständig und in einem seiner Bücher stand dieser Satz auch garantiert drin!

      Ich weiß, ich kann ein Miststück sein, und wie es scheint, auch mein Unbewusstes, aber es half mir, meine Selbstvorwürfe zu begraben und mit neuem Optimismus in die Zukunft zu schauen.

      Wenn man eine Beziehung beendet hat, gibt es zwei Arten, weiterzumachen: Man stürzt sich auf die nächste, oder man legt eine Pause ein. Bei mir war es gemischt. Je nachdem, wie die letzte Beziehung zu Ende gegangen war, hatte ich Lust, mich auf eine Neue einzulassen.

      An dieser Stelle möchte ich Ihnen noch etwas über mich verraten und gestatten Sie mir die Kleinkind-Metaphorik: Die meisten meiner „Partnerschaften“ hatten das Stadium des Laufen-Lernens, also die neun bis zwölf Monate knapp erreicht, bevor sie den Bach runtergingen. Sehr, sehr wenige hatten es zum selbständigen Laufen gebracht und nur eine einzige hatte es in den Kindergarten geschafft, bevor ich dahinterkam, dass mein Freund mich betrog und ich Schluss machte. Bei aller Wertschätzung für eine Beziehung hatte ich also sehr wohl auch meinem Singledasein gefrönt, wie man das so schön Neudeutsch sagt und ich habe mich in diesem Zustand eigentlich immer sehr wohl gefühlt. Sei es, dass ich dann meine Unabhängigkeit zu sehr liebte oder einfach keine Lust auf die Auseinandersetzungen oder die Arbeit hatte, die eine Beziehung mit sich brachte. Es konnte natürlich auch sein, dass ich mir während meiner Singlephasen sehr viele Gedanken darüber machte, was denn falsch gelaufen war, oder ob ich einfach zu nett und verständnisvoll für den durchschnittlichen Mann war und dann konnte ich keinen von jenen gebrauchen, um meine tiefgreifenden Denkvorgänge zu unterbrechen, ganz speziell dann nicht, wenn Alkohol und andere Frauen involviert waren.

      Außerdem ist es so schön, seine Wohnung ganz für sich allein zu haben und seine Zeit nicht damit zu verbringen, den verkümmerten Selbstwert eines Mannes aufzubauen, der gleichzeitig meint, die Weisheit der Welt mit dem ganz großen Löffel eingeflößt bekommen zu haben. Nicht zu vergessen, dieses wunderbare Naturereignis namens „Freundinnen“. Eine davon arbeitete glücklicherweise auch noch in derselben Firma wie ich.

      Am nächsten Morgen also begaben Veronika und ich uns zur traditionellen Gewerkschaftspause in den Lichthof. Ihrem scharfen Auge entging mein veränderter Beziehungszustand natürlich nicht und sie fragte sehr vorsichtig: „Wie geht´s dir? Du wirkst etwas …“, sie kniff die Augen leicht zusammen und machte eine abwägende Handbewegung, „… verändert.“

      Für einen Moment hielt ich die Luft an, dann sagte ich: „Unbemannt und glücklich damit!“

      „ Wer hat wen …?“

      „Hm, genau genommen, wir einander und das schon vor langer Zeit, aber keiner von uns hat den Arsch in die Höhe bekommen und endlich Schluss gemacht.“

      „Wusah! Ich bin so stolz auf dich!“ kicherte sie und

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