Neuanfang oder so ähnlich. M. E. Wuchty

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Neuanfang oder so ähnlich - M. E. Wuchty

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      „Noch“, antwortete ich.

      „Ach ja, Carmen, kannst du gleich in mein Büro kommen?“

      Das fing ja schon wieder gut an. Wie vermutet, sprach sie mich auf ihre zuckersüße Art auf den Vertrag an.

      „Weißt du, du kannst nicht einfach Kommentare abgeben, ohne dich mit mir abzusprechen. So etwas muß über mich laufen.“

      Mir schlief fast das Gesicht ein. Natürlich musste so etwas über sie laufen, sonst wäre sie überflüssig, es sei denn, die Arbeit interessierte sie gerade nicht, dann war ich gut genug, sie für sie zu erledigen. Wie in diesem Fall – das Mail inklusive Anhang war vor einer Woche an die Gnädigste gegangen, die es dann an mich weiterleitete, damit ich „Einen Blick darauf“ würfe, was ich auch getan hatte und dem Kollegen natürlich geantwortet hatte. Böser Fehler, Carmen, böser Fehler.

      „Du hast mich gebeten, das Traktat durchzulesen und zu kommentieren und das habe ich getan“, erwiderte ich, noch ruhig.

      „Aber Carmen“, sagte sie in einem Ton, als spräche sie mit einem grenzdebilen Kind, „Du hättest die Kommentare an mich weiterleiten sollen, damit ich das Mail beantworten kann.“

      Ah, daher wehte der Wind! SIE machte die ganze Arbeit ganz allein, eh klar.

      „Und?“ dachte ich, „Dann mach deinen Job, du dumme Kuh!“

      Laut kamen die Worte: „Und? Was soll ich jetzt tun?“ über meine Lippen.

      Wie erwartet, seufzte sie tief und entließ mich mit einem Winken. „Ich kümmere mich darum.“

      Ach du armes angeschossenes Huhn! Hättest du es gleich gemacht, hättest du dir das alles ersparen können und mir auch!

      Wortlos verließ ich ihr Büro, innerlich schäumend. Wir hatten diese Art der Auseinandersetzung inzwischen unzählige Male gehabt. Ich machte ihre Arbeit, weil sie mich darum bat und postwendend beschwerte sie sich, dass ich den Job machte, weil ich es wagte, selbständig zu denken und zu handeln und nicht zu apportieren, wie ein braver Hund.

      „Alles ok?“ fragte mich Elisa. Sie kannte mich gut genug, um an meinem Gesicht ablesen zu können, wie es mir ging.

      „Nein.“ Ich bemühte mich um eine möglichst ruhige Antwort, weil ihre Frage ja lieb gemeint war, konnte aber nicht verhindern, dass mein Ärger durchklang.

      „Wer quält dich denn schon wieder?“

      Auch Anita und Marie sahen mich inzwischen neugierig an.

      „Ich will nicht darüber reden.“

      Damit war für mich die Sache fürs Erste erledigt. Weder wollte ich jetzt meinen Gefühlen Luft machen, noch hätte es mir genutzt. Mit wissenden Blicken wandten sich meine Kolleginnen wieder ihren jeweiligen Tätigkeiten zu.

      Es war eine dieser typischen Situationen, wie wir sie sonder Zahl hatten, immer wieder. Wenn ich mir die Konstellation in der Abteilung so ansah, kam mir unwillkürlich die Metapher mit der Schafherde in den Sinn: Alle rennen einem Leitschaf nach, das wäre dann ich, bäbä. Lena ist der Hirtenhund – nervend mit ihrem Gekläffe und dem zeitweiligen Schnappen nach unseren Beinen, aber im Großen und Ganzen harmlos. Bis zu dem Zeitpunkt, wo das Leitschaf den Hirtenhund ignorierte und seinen eigenen Weg ging. Das bedeutete die in Frage Stellung ihrer Position, bzw. ihrer Person und wenn wir eine Aufgabe hatten, dann die, sie zu unterstützen, vorbehaltlos und widerspruchslos, egal, wie unsinnig ihr Tun auch war. Alles lief bestens, solange Routine herrschte und keiner aus der Reihe tanzte. Solange wir brav nachmachten, was sie vorhüpfte. Das schien auch für den Rest der Abteilung in Ordnung zu sein, wollte mir scheinen. Wehe aber, etwas lief aus der Schiene, dann bekamen alle den großen Stress – nur ja nichts entscheiden, nur ja nicht exponieren!

      Wie auch?

      Unsere Abteilungsleitung und nicht nur die, machte es ja allen Tag für Tag vor!

      Individualität war ein leeres Schlagwort ohne Bedeutung. Verantwortung fiel in die gleiche Kategorie und bitte nur ja keine Eigenverantwortung einfordern! Das war die berühmte heiße Kartoffel, die so lange hin und her geschossen wurde, bis sich die Entscheidung entweder erledigt hatte, oder bei jemandem landete, dem diese kindischen Spielchen zu blöd waren – wie mir. Ja, ich hatte keine Angst davor, eine Entscheidung zu treffen, Maßnahmen zu setzen und dafür einzustehen und das passte ihr nicht, weil ich nicht jedes Mal bei ihr stand und ihre Meinung dazu einforderte! Wie auch, wenn sie die halbe Zeit nicht da war! Aber langsam lehnte ich jede Verantwortung ab, ging zu Dienst nach Vorschrift über.

      Wo war das Problem, werden Sie jetzt fragen?

      Das Problem war, dass ich weder so arbeiten wollte, noch konnte. So ticke ich einfach nicht. Abgesehen davon, dass ich mir wirklich schön langsam verarscht vorkam, denn immer, wenn es passte, wurde ich an meine Stellung als die Stellvertretung der Abteilungsleitung erinnert und in die Entscheidungsverantwortung gesetzt; was dann auch postwendend widerrufen wurde, sobald ich wirklich Entscheidungen traf. Der Widerruf ging dann auch jedes Mal mit der „Erinnerung“ an meine Position als Laborleiterin einher.

      Prinzipiell würde man einer solchen Person raten, die Arbeit Arbeit sein zu lassen und nicht ins Private mitzunehmen. Fakt war nur leider, dass diese Situation, die mich für viele Stunden jeden Arbeitstag begleitete, irgendwann auch begonnen hatte, mich persönlich zu beeinträchtigen. Verdammt. Ich verabscheute Jammern, ich war kein Opfer. Aber irgendwann musste meine Frustration auch raus und meine Freunde kannten inzwischen alle diese Geschichten und in meinen Ohren war es immer das gleiche Lied. Ich hätte mit Freude jeden der Jobs angenommen, die mir im Laufe der Zeit angeboten worden waren, wäre da nicht immer dieser kleine Haken gewesen: Ich kannte die Firmenstrukturen mehrerer Firmen inzwischen zu gut, aus eigener Erfahrung und aus den Berichten von Bekannten und Freunden, um nicht zu wissen, dass es woanders genauso gelaufen wäre. Anderes Orchester, gleiche Symphonie. Der einzige Unterschied wären also eine neue Umgebung und die Einarbeitungszeit gewesen. Somit auch keine Alternative. Mist, Mist, Mist.

      Weder meine Laune noch meine Arbeitssituation besserten sich in den folgenden Tagen. Meine einzigen Lichtblicke waren Veronika, die mich immer wieder aufbaute und sich bei mir ausweinte (ich war nicht die Einzige mit einer grenzwertigen Vorgesetzten) und der Mittwoch. Tatsächlich war ich aber inzwischen zu nicht mehr in der Lage, als zu funktionieren. Bitte nicht ansprechen und nicht umarmen, sonst fange ich an zu heulen! Meine Frustrationsschwelle war weit überschritten. Am liebsten hätte ich mich manchmal in eine Ecke gehockt und geweint.

      Rita reichte ein Blick und ein Kopfschütteln meinerseits und ihr war alles klar. Wortlos legte sie mir eine Hand auf den Rücken und beließ es dabei.

      Das Singen tat gut, aber ich steckte so tief in meinem Tief, dass ich mich nur oberflächlich darauf einlassen konnte. Scheinbar war ich ganz gut darin, meine Stimmung unter Kontrolle zu halten, denn nicht einmal Tina schien in der Pause etwas zu merken – oder sie sprach mich einfach nicht drauf an, weil sie mich inzwischen zu gut kannte.

      So gut es mir also gelang, funktionierte ich durch die Chorprobe hindurch, aber es wäre gelogen, zu sagen, ich hätte mich nicht auf ihr Ende gefreut. Ich wollte nur noch nach Hause und ins Bett.

      „Fährst du heim?“ fragte Sebastian mich, als ich mir die Jacke anzog.

      „Mhm“, antwortete ich einsilbig.

      „Möchtest du mitfahren?“

      Überrascht

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