Die Faulheit der Frauen. Renate Wullstein

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Die Faulheit der Frauen - Renate Wullstein

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Blick zu.

      ”Sie meinen, ich bin in der Lage, das alles hier ohne Hilfe auszufüllen? Können das denn die anderen?”

      Schulterzucken beim Gegenüber.

      ”Lesen Sie sich die Anleitung durch, die ist im Mittelteil.”

      Diese Anleitung war noch einmal so dick und genauso unverständlich: Antrag auf Einkommenssteuerveranlagung…

      "Ich glaube, bei Ihnen wurde bereits eine Kontopfändung eingeleitet.”

      ”Was?” rief ich erschrocken. Frau Engels lächelte mütterlich. ”Keine Panik, das können wir wieder rückgängig machen.”

      ”Dürfen Sie denn einfach mein Geld pfänden?” fragte ich.

      ”Wir dürfen alles”, lautete die Antwort.

      "Ach."

      ”Ich mache Ihnen ein Schreiben für Ihre Bank fertig”, sagte Frau Engels. ”Wenn Sie damit sofort hingehen, können Sie die Pfändung vielleicht noch verhindern.”

      ”Das ist nett”, sagte ich. Frau Engels setzte sich unverzüglich an das alte Modell einer Schreibmaschine. Ich sah mich im Zimmer um, es war noch viel kleiner als mein Laden und viel ungemütlicher. Alles Büro und Akten.

      Die Bank ließ also einfach das Konto pfänden. Ohne mich zu informieren. Ich hatte etwa dreihundert Mark drauf. Zusammen mit den vierhundert vor dem Vollstrecker gerettetem Geld, war dies mein gesamtes Vermögen. Gerade hatte ich darüber nachgedacht, davon einen Teil meiner Mietschulden zu tilgen. Ich verfolgte das Klappern der Schreibmaschine. Na gut, dachte ich, es ist offenbar nur ein Spiel. Erst wollen sie ein paar tausend Mark, dann muss ich nur Eins in ein Formular schreiben und alles ist wie vorher. In mir keimte die Gewissheit, wenn ich nur die Augen offen hielt, konnte man sie womöglich alle um den Finger wickeln.

      ”So.” Die Finanzfrau stand auf und legte das Schreiben in den Kopierer.

      ”Ein Schreiben behalten Sie, dieses hier geben Sie bei der Bank ab. Und morgen bringen Sie das Steuerformular, Sie können es aber auch mit der Post schicken.”

      ”Danke”, sagte ich und verabschiedete mich.

      Ich betrat die Volksbank wie jemand, der jetzt alles begriffen hatte.

      Zunächst wollte ich die Kontoauszüge sehen, aber der Automat streikte.

      Die Angestellte hinter dem Schalter sah mich streng und ansatzweise sogar beleidigt an. Sie nahm die Bankkarte, tippte etwas in den Computer und verkündete: ”Sie haben bei uns kein Konto.”

      Ich reichte ihr das Schreiben vom Finanzamt.

      ”Sie wissen doch ganz genau, dass ich hier ein Konto habe.”

      Die Frau schüttelte unwillig den Kopf und schob das Schreiben zurück.

      ”Ihr Konto ist aufgelöst, die Bankkarte behalte ich ein.”

      ”Ja, ich weiß”, sagte ich. ”Mein Konto ist gepfändet worden, aber in diesem Schreiben steht, dass die Pfändung ein Irrtum war.”

      Die Bankfrau schloss kurz die Augen. ”Ich muss Ihnen keine Auskunft geben”, sagte sie.

      Ich wurde wütend, wusste aber nicht, wie ich es ausdrücken sollte. Vielleicht Schreien?

      ”Ich soll Ihnen dieses Schreiben geben”, sagte ich mit äußerst gepresster Stimme.

      ”Das Schreiben ist nur für Sie”, beharrte die Schalterfrau, deren Fettleibigkeit mir jetzt ins Auge stach.

      ”Es ist für die Bank”, sagte ich. “Für mich habe ich eins extra.”

      Widerwillig nahm die Bankfrau das Blatt an sich, legte es aber zur Seite, ohne einen Blick drauf zu werfen. Ich bekam einen Kloß im Hals. Gleich würde ich weinen. Wenn ich nur die geringsten Schwierigkeiten an Schaltern oder bei Behörden hatte, drohten Tränen.

      ”Volksbank!” sagte ich grimmig, jedoch mit versagender Stimme. Ich kehrte um und verließ das Gebäude.

      Es war zehn Uhr. Ich ging in den Laden, schloss von innen ab und holte aus Lorettas Werkstatt Kaffeewasser. Loretta erschrak.

      ”Was machst du denn hier?“

      Gewöhnlich öffnete ich den Laden erst am Nachmittag.

      ”Ich habe einen Schock”, sagte ich.

      ”Was ist passiert?”

      „Es ist aus, ich bin am Ende.“

      Loretta starrte mich an. Diese Situation gedachte ich auszukosten.

      ”Ich mache Kaffee”, sagte ich. ”Dann komme ich zu dir, es gibt schlechte Nachrichten.“

      Loretta legte das Werkzeug aus der Hand. Auf den Tischen und in den Regalen lagen buntes Glas, Werkzeug und Mal-Utensilien. Eine Staffelei. Im Lager stapelten sich neben fertigen Arbeiten bunte riesige Scheiben, die sie zerschnitt und zerbrach. Loretta war ihrem Wesen nach dem Glas ähnlich, bunt schillernd und spröde. Sie trug einen schmutzigen Arbeitsanzug, dazu knallrot geschminkte Lippen. Sonst nichts, kein Make-up, keine Wimperntusche, nur die Lippen. Sie bemalte das Glas gern mit scharfkantigen Figuren. Spitze Dreiecke waren weibliche Brüste. Verdrehte oder abgeknickte Körper, fuchtelnde Gliedmaßen aus der Welt der Geometrie. Böse Augenstriche. Aber alles schön bunt. Die Kunst stapelte sich in ihrem Haus seit der Wende, und Loretta verkündete immer wieder tapfer: „Arbeiten kann nicht verkehrt sein.

      Ein Leitspruch, dem nichts hinzuzufügen war. Loretta hatte ein Haus, einen Mann und zwei Kinder. Keine Ahnung warum, aber ein solches Dasein erschien mir langweilig, stupide und für meine Person vollkommen unangemessen.

      Mit starrem Blick hörte Loretta nun die Nachricht vom Vollstrecker.

      Ich berichtete ausführlich und sagte schließlich:

      ”Die Strafe muss ich wahrscheinlich gar nicht zahlen, aber der Laden ist vollkommen unrentabel, so geht es nicht weiter.“

      Loretta grübelte ein paar Minuten wortlos vor sich hin.

      „Kannst du dir nicht was einfallen lassen, womit man besseren Umsatz macht?“ sagte sie.

      Ich versprach es. Im Lager suchte ich eine Pappe heraus und beschriftete sie mit dem schönen Wort: INVENTUR, stellte es ins Schaufenster und beschloss, was ich noch nie getan hatte, Toni in seinem Büro aufzusuchen. Ich verließ den Laden, überquerte die Hauptstraße in Richtung Tischlerei. Toni und seine Mitarbeiter bauten Fenster, Türen und Treppen. Nebenbei sanierten sie das barocke Vorderhaus, das einer von ihnen gekauft hatte. Sein Büro im Seitenflügel diente ihm gleichzeitig als Übergangswohnung. Denn später würde er eine selbst entworfene Wohnung im Vorderhaus beziehen.

      Sieben oder acht Leute standen im Hof und blickten nach oben. Unter ihnen eine Frau, die ich noch nie gesehen hatte. Wahrscheinlich war sie die neue Architektin, von der Toni einmal gesprochen hatte. In einem Ton, der mir gleich verdächtig vorgekommen war. Ich ging an der Gruppe vorbei und nickte mit dem Kopf. Alle grüßten zurück, außer Toni.

      Ich

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