Die Faulheit der Frauen. Renate Wullstein

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Faulheit der Frauen - Renate Wullstein страница 7

Автор:
Серия:
Издательство:
Die Faulheit der Frauen - Renate Wullstein

Скачать книгу

gesellige Typ. Hier stimmte etwas nicht. Aber ich fürchtete mich davor, einen neuen Streit zu inszenieren. In Ruhe musste ich herausfinden, was hier los war. Und dann erkannte ich in der Menschengruppe Viola, die Architektin. Sie war das Zentrum. Als einzige Frau inmitten von Männern, die auf sie fixiert schienen. Und auch Toni fühlte sich pudelwohl. Ohne mich. Ich sprang ab und stellte mich dazu. Er winkte mir nicht. Er sah mich nicht. Er hatte mich vergessen. Das ist jetzt nicht wahr, dachte ich. Sie redeten und lachten munter. Der Mann unmittelbar neben Viola könnte der Ehemann sein, dachte ich. Er belauerte sie freundlich. Die Frau war aufgekratzt, sie berichtete von großartiger Architektur, die sie gerade heute in Berlin besichtigt habe. Und ständig berührte sie Toni. Am Arm, auf der Schulter. Sie sah ihn aufmerksam an. Aber während sie erzählte, blickte sie auch die anderen an, auch mich. Sie erzählte es allen. Ich blickte ausdrücklich gutgelaunt auf Viola, bis diese endlich innehielt, mir die Hand entgegenstreckte und sagte: ”Viola.”

      ”Nora”, antwortete ich. Alle anderen blickten in diesem Moment zu mir und gleich wieder zurück auf Viola. Was hatte die Frau, was ich nicht hatte? Sie redete weiter. Architekten-Chinesisch. Alle waren von ihrer guten Laune angesteckt. Ich konzentrierte mich darauf, meine Gefühle zu verbergen. Die Gefahr, mich in Gift und Galle zu verwandeln. Aber wie machte man das? Eine Alternative, dachte ich, ich muss mir eine Alternative suchen, mich auf etwas anderes besinnen; auf etwas GUTES. Ich blickte in die Runde, machte eine Kehrtwende, um neuen Wein zu holen. Derweil rempelte mich ein langer Kerl an, hocherfreut mich zu treffen. Ich wusste weder seinen Namen noch woher ich ihn kennen sollte.

      Ich blickte zur Gruppe rüber, die immer fröhlicher wurde. Ich sah, dass Toni eine Flasche Whisky ansetzte. Wenn er Whisky trank, war höchste Not. Ich wandte den Kopf und blickte dem Unbekannten in die Augen.

      “Woher kennen wir uns?” fragte ich.

      “Ich glaube”, sagte der Lange. “Ich schätze, von damals. Als du auf der Strasse Keramikfiguren und Töpfe verkauft hast. Ich war bei der Zeitung. Ich hab ein paar Leute auf dem Markt interviewt. Dich auch.”

      “Ach.” Ich sah ihn genauer an. Billionen Jahre her.

      “Bist du noch auf dem Markt?” fragte er.

      “Eigener Laden”, sagte ich. “Und du, bist du noch bei der Zeitung?”

      “Eigene Zeitung”, sagte er.

      „Nein!“

      „Doch.“

      “Sag mir deinen Namen.”

      "Kolmar."

      „Kolmar.“

      Wir standen in der Schlange beim Weinverkauf.

      “Was für eine Zeitung?”

      “Ein Stadtmagazin. Hochglanz. Wenn die erste Nummer fertig ist, bring ich dir einen Packen“, sagte er. „Die verkaufst du für uns.“

      „Gut“, sagte ich. „Das klingt interessant.“

      Ich warf einen abschließenden Blick auf die Viola-Gruppe.

      Toni war außer Rand und Band, lachte schallend, warf den Kopf nach hinten, legte ihn auf Violas Schulter ab. Dieser Mistkerl!

      ”Mein Freund ist betrunken”, bemerkte ich, ungeachtet der Tatsache, wie unsinnig diese Information für jemanden war, der offensichtlich Geschäftskontakte suchte.

      Kolmar kaufte einen Wein für mich, für sich ein Bier.

      “Wohin wollen wir gehen?” fragte er.

      “In die Fabrik?”

      “In die Fabrik.”

      Wir fanden einen guten Platz inmitten der Kunst, die wir kaum beachteten, in einem Fenster ohne Glas mit Blick auf den Vollmond über Potsdam.

      "Siehst du den Vollmond?" sagte Kolmar.

      "Ich sehe den Vollmond", sagte ich.

      In der Nacht vergaß ich Toni. Ich träumte von der Verwandlung des „Ambiente“ in einen Laden mit Büchern und Zeitschriften. Sollte Toni eben die Architektin heiraten und mit ihr nach Italien fahren. Ich hatte jetzt andere Pläne. Vom Flurfenster sah ich die Straße voller Leute. All die potentiellen Kunden. Nach einer Katzenwäsche eilte ich in den Laden. Die Geschäftsregeln waren außer Kraft. Ich öffnete früh um zehn. Die Sonne schien, ich baute gutgelaunt einen Teil der Ware auf dem Bürgersteig auf, Töpfe und einen Ständer mit Tüchern; stellte einige Bilder an die Mauer und verschwand für einen Augenblick hinten im Lager, um eine Pappe zu besorgen.

      Loretta pflegte morgens ein eiskaltes Bad im Garten zu nehmen. Ich rief ihr zu, dass ich mit ihr reden wolle, wenn sie Zeit habe.

      „Willst du mich heiraten?“ rief sie vom Kinderbassin her, in das sie laut juchzend hineingesprungen war und sich jetzt abtrocknete.

      „Was hältst du davon, wenn ich ein Antiquariat aufmache, mit alten und neuen Büchern und mit Zeitschriften?“

      „Meinst du, das läuft besser?“ sagte Loretta.

      Ich ging zurück in den Laden; heute würde ich jedenfalls mit dem Ausverkauf beginnen. Und als habe sich meine Gedankenwelt auf der Straße bereits verbreitet, stand die Kundschaft in Trauben vor und im Laden, teilweise vorwurfsvoll den Kopf schüttelnd auf der Suche nach der Verkäuferin.

      „Bei Ihnen kann man ja leicht etwas mitnehmen“, sagte eine ältere Dame. „Wenn ich jetzt was eingesteckt hätte.“

      „Würden Sie so etwas tun?“ sagte ich.

      Ein Mann draußen vor der Tür sagte: „Im Osten ist doch sowieso alles Volkseigentum.“ Er kam herein, lächelte mich an: „Oder möchten Sie mir etwas verkaufen?“

      Ich lächelte zurück und sagte: “Tut mir leid, ich war kurz hinten.“

      Eine Debatte über Gesellschaftssysteme lag mir fern.

      Als Toni am Nachmittag in die Straße kam, hörte ich es an den quietschenden Bremsen. Nur noch wenige Schaulustige schlenderten die Straße entlang, die Kundschaft saß in den Cafés. Toni steckte seinen Kopf durch die Tür, atmete schnell, kam herein, zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. ”Einen Kaffee bitte!”

      Ich goss Kaffee ein, lächelte und schwieg.

      ”Ich liebe die Frau. Aber ich habe mich vollkommen daneben benommen. Zuviel Whisky.”

      ”Ja”, sagte ich.

      ”Zuviel Whisky”, wiederholte er. ”Ich habe den ganzen Abend ihren Mann beleidigt, weil der früher Offizier bei der NVA war. Das war idiotisch, ich habe sie belabert, gekränkt, statt sie in eine Ecke zu lotsen, in den Arm zu nehmen und zu küssen."

      ”Du hast sie nicht geküsst?”

      ”Ach i wo.”

      Erschöpft trank Toni einen Schluck Kaffee.

      ”Gib mir mal ein Glas Wasser, bitte, einfaches Wasser.”

      ”Warum bist du so wütend auf einen Offizier?” fragte ich.

Скачать книгу