Theater in Bresel. Gerhard Gemke

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Theater in Bresel - Gerhard Gemke

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die denn auf keine richtige Schule? Dann müsste das Jugendamt mal …“ Der Blümchenzettel war befreit und Radolf zerknüllte den Rest.

      „Jetzt ja“, sagte Agathe. „Jetzt geht sie auf eine richtige Schule. Glaub ich. Und was will die von uns?“ Agathe nahm erneut die fallenden Schneeflocken ins Visier. Sie war eine Frau, für die es kein endgültig gab.

      „Frau Oelmütz?“, fragte Radolf, der Mühe hatte, den Gedankengängen seiner Frau zu folgen.

      Agathe ersparte sich die Antwort.

      „Ich les mal vor“, brummte der Bürgermeister.

      Der Schnee vor dem Fenster wurde immer dichter. Radolfs monotone Stimme erfüllte den Raum. Agathe wurde schläfrig.

      Sehr geehrter Herr Bürgermeister, liebe Frau Müller-Pfuhr!

      Wie schnell doch die Zeit verrinnt. Und so frage ich mich, ob Sie sich noch meiner erinnern. Schon sind ein Sommer und ein Herbst ins Land gegangen, seit ich Burg Knittelstein verließ, um in Augsburg einen neuen – wohl meinen letzten – Lebensabschnitt zu beginnen. So sitze ich in meinem kleinen Wintergarten. Es schneit. Neben mir saugt Rosalinde eine Heuschrecke aus. Ich fühle mich so leer.

      Radolf ließ den Brief sinken. „Wer ist denn Rosalinde?“

      Agathe atmete einmal tief ein und wieder aus, als hätte sie seit Minuten keine Luft bekommen. „Vielleicht ein Kind.“

      Radolf hob den Zettel wieder vor die Augen. „Saugen Kinder Heuschrecken aus?“

      „Lies weiter.“ Agathe atmete wieder ruhiger. Radolf las:

      … fühle mich so leer. Und mir bleibt nichts als die Erinnerung. Die Sehnsucht nach Knittelstein, meiner Heimat. Doch jeglicher Kontakt ist abgebrochen, seit dem unglückseligen Tod meiner Nichte, Baronin Tusnelda, der letzten rechtmäßigen Erbin von Knittelstein! Mit den jetzigen Bewohnern verbindet mich nichts mehr! Doch ein Wunsch überwältigt mich in den einsamen Stunden hier in meinem Wintergarten: Der Wunsch, Verbindung nach Bresel zu halten. Vielleicht über Sie, liebe Frau Müller-Pfuhr, die doch noch flüchtige Erinnerungen an mich haben dürfte. Ob wohl ein Besuch meinerseits in ihrem neuen Heim zu einem regelmäßigen Austausch führen könnte?

      Es harrt Ihrer Antwort in Hoffen und Bangen

      Ihre vor Sehnsucht vergehende

      Sibylle von Oelmütz.

      Radolf wendete den Zettel. Der Brief war zu Ende. „Ihre vor Sehnsucht vergehende …“

      Agathes Kopf zuckte in Radolfs Richtung. „Mach dich nicht lustig über die einsame Frau!“

      „Ja aber …“ Radolf war ratlos.

      „Nichts da, aber!“ Agathes Augen hatten endlich eine Technik gefunden, dem Sog der fallenden Flocken zu trotzen. „Wir werden die Frau von Oelmütz mal einladen.“

      Radolf sackte etwas tiefer in seinen Sessel. Es gab Entschlüsse seiner Frau, die waren so unerwartet wie unwiderruflich.

      „Nun gut“, brummte er und legte den geblümten Wisch auf den Beistelltisch. Und starrte ebenfalls aus dem Fenster. Auf nichts als eine fallende weiße Wand.

      Agathe atmete unhörbar. Das Ticken der Wanduhr war das einzige Begleitgeräusch zu dem weißen Film. Es tickte ununterbrochen. Sehr lange.

      Dann sagte Agathe: „Ich hätte auch gern einen Wintergarten.“

      Radolf nickte langsam in das fast schwarze Zimmer.

      Sie saßen und lauschten dem lautlos fallenden Schnee. Und dem Ticken der Uhr.

      „Es schneit“, sagte Agathe schließlich.

      –

      „Ja.“

      Auch diese Nacht wurde bitterkalt.

      Rosalinde äugte regungslos durch die Scheibe. Vor dem Terrarium saß das große hagere Wesen, das immer die Heuschrecken brachte. Es drückte ein Puzzleteil zwischen die anderen auf dem Tisch. Vor dem Glaskasten entstand Rosalindes Ebenbild aus Pappe.

      Sibylle beugte sich darüber und zischte leise. Sie hatte Agathe Müller-Pfuhr geschrieben. Wieder ein Puzzleteil in ihrem Plan, das passte. Ich wünschte, sie wären… Sibylle hob den Kopf. Rosalindes und ihre Blicke trafen sich.

      Wird sie antworten?

      Ganz kurz zuckten Rosalindes Greifzangen.

      Theater

      Wenige Kilometer stadteinwärts in der Hausmeisterwohnung des Ottoniums fiel in dieser Nacht der Strom aus. Auch die elektrische Wasserbettheizung versagte ihren Dienst. Die gluckernde Flüssigkeit in der Matratze wurde kälter und kälter. Carlo wälzte sich unruhig in den Fluten.

      Und träumte üble Sachen.

      Dazu kam ein unangenehmer Wind auf. Die Elster drückte sich in einen geschützten Winkel unter dem Dach des Knittelsteiner Burgturms und schimpfte leise.

      Stunden später färbten sich der Osthimmel und die Turmspitze blutrot. Es kündigt sich ein prachtvoller Morgen an. Als hätte es diese unheimliche Nacht nie gegeben.

      Jo schleuderte die Bettdecke beiseite. Wenn es etwas gab, das sie noch leidenschaftlicher hasste, als mit ihren Cousins Ritter und Burgfräulein zu spielen, dann waren das drei untätige Tage im Bett. Und heute war dazu noch ein ganz besonderer.

      Sie sprang aus den Federn, wusch sich und war in Windeseile in ihren Klamotten. Dann raste sie die Wendeltreppe hinunter, dass jedem anderen schwindelig geworden wäre. Im Remter, dem Speisesaal der Burg, saßen sich schon Eduard und Elvira am Frühstückstisch gegenüber. Emma die Köchin verteilte gerade dampfende Dreiminuteneier und duftende Brötchen. Die Tür wurde aufgerissen, und Jo schlitterte herein.

      „Morgen zusammen.“

      Einen Moment ungläubiges Schweigen. Dann lachte Elvira.

      „Sie ist wieder unter den Lebenden!“

      Und Emma drückte Jo an ihren Busen. „Wie schön, mein Mädchen. Ich hole dir sofort ein Gedeck.“

      Baron Eduard schüttelte sachte das Haupt und sah sie streng an. „Kaum geht ihre Klasse ins Theater, ist meine Tochter wieder gesund.“

      Jo schnappte sich ein Brötchen. „Na und?“ Schnitt es auf und schmierte dick braune Nougatpampe auf die Hälften.

      Baron Eduard brummte noch irgendwas wie: „Na, Hauptsache die Kraft reicht bis Montag früh zur Mathearbeit.“ Dabei lächelten seine Augen aber, und Jo grinste zurück.

      Der Schnee auf den Buchenästen im Breselwald glitzerte in der Wintersonne wie Zucker. Der Bus schlingerte die Serpentinen der Breselbergstraße hinunter. Bei den Schrebergärten bog er in die Ulmer Allee ein. Dann vorbei am Clubhaus des Rosenzüchtervereins Breselblume und gleich hinter dem Kaufhaus Rausch auf den Breselbergring. Jetzt gings halb um das wie im Winterschlaf

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